Im Land der blühenden Zitronen
Italien. Urlaubsland oder organisiertes Verbrechen? Dolce Vita oder Finanzkrise? Zwischen Klischees und Massentourismus birgt sich eine ganz eigene Mentalität. Ein erster Einblick!
In den letzten Tagen geisterte er immer wieder durch die Medien: Silvio Berlusconi. Seine Eskapaden, unpassenden Bemerkungen, Hinterziehungen und nicht zuletzt die Korruption machten ihn europaweit bekannt - beliebt sicherlich nicht. Falls Italien hinter ihm steht, so sind es nicht die Jugendlichen und Studenten. Erwähnt man Berlusconi, so folgt stets ein großes Lamento und das Gefühl von absoluter Machtlosigkeit. Denn es scheint kaum möglich sich gegen diese Quasidiktatur zu organisieren.
Organisieren
In den ersten Wochen meines Europäischen Freiwilligendienst in Venedig musste ich bereits feststellen wie unterschiedlich die Vorstellung von Organisieren ist. Ein Beispiel:
Meine Arbeit besteht hier daraus Freizeitangebote und Events für Jugendliche zu organisieren. Eine Aktivität, die mir persönlich sehr gut gefällt, da ich Kunst und Kultur liebe.
Gemeinsam mit meiner spanischen Mitfreiwilligen wollten wir also einen Videoworkshop organisieren. In den ersten Tagen schrieben wir also eine Arbeitsstruktur, nach der wir nach ca. zwei Wochen den Workshop beginnen wollten. Unsere italienische Organisation war davon völlig schockiert: "Die Freiwilligen arbeiten zu schnell!"
Glaubt ihr mir, dass wir nun nach zwei Monaten begonnen haben?
Zwei Monate! Warum?
Da unser Projekt über die Kommune Venedig finanziert wird, sollten wir ein Plakat erstellen. Drei Wochen. Datumsfehler. Eine Woche. Das Logo zwei Zentimeter zu groß. Eine Woche. Schauspieler - politisch nicht korrekt da nur maskulin. Eine Woche. Der Drucker ist kaputt. Eine Woche. Schließlich waren etwa vierzig Plakate gedruckt worden. Diese wurden dann vergessen und lagen einige Tage im Büro. Fünf Tage vor Workshopbeginn war dann der Stempel der Kommune verloren gegangen. Zwei Tage vor Beginn hingen wir schließlich die Plakate auf...
Dieses Beispiel nur repräsentativ für zahlreiche Momente. Spontan verlegte Termine, Finanzkrisen, vierstündige Meetings. Zuspätkommen ist sozial akzeptiert! Wobei damit nicht zehn Minuten, sondern eine Stunde gemeint ist. Wenn man möchte, dass der andere pünktlich ist, dann macht man ein "incontro tedesco" aus, eine deutsche Verabredung.
Essen
Die italienische Küche ist weltberühmt - und das nicht umsonst! Es ist unglaublich welcher Stellenwert dem gemeinsamen Essen eingeräumt wird. Oft hält man sich mehrere Stunden am Esstisch auf, redet, diskutiert, hat eine gute Zeit. Die Gerichte sind natürlich absolut vorzüglich! Generell spüre ich hier in Italien einen stärkeren Zusammenhalt zwischen den Jugendlichen, mehr Motivation und Fürsorge füreinander. Die Jugendlichen in dem Jugendzentrum beispielsweise stammen oft aus schwierigen Verhältnissen. Doch jeder von ihnen ist höflich den anderen gegenüber, interessiert an uns Freiwilligen und immer leicht für unsere Initiativen zu motivieren. In Deutschland habe ich seltener diese Sorge füreinander erlebt. Auch alle Mitarbeiter und Freunde hier sind äußerst sozial.
Ich bin gespannt auf die Eindrücke anderer Freiwilliger in Italien!