"Ihr Kinderlein kommet"
Das bisher größte Projekt stand vor der Tür. "Hereinspaziert und herzlich Willkommen im Winterwunderland des deutschen Konsulats!"
Stellt euch Grundschüler vor, die Weihnachtsgeschenke auspacken. Nicht bloß irgendwelche Geschenke. Nein, es sind all die Geschenke, die sie sich seit Jahren wünschen, aber nie bekommen haben. So sehr freuen sie sich.
So lässt sich die Freude der chinesischen Studenten beschreiben, die wir am 25.11.17 ins deutsche Konsulat gebeten hatten. Sie fielen dem Nikolaus, der ihnen die Preise übergab, um den Hals und strahlten über das ganze Gesicht. Jeder hoffte, dass seine Nummer die nächste sei, die gezogen wird. Jeder wollte dem Nikolaus die Hand geben und ein Foto mit ihm machen. Viele hatten schließlich noch nie einen Nikolaus getroffen! Als ich dieses Glück sah, war ich mir sicher: Ich habe gute Arbeit geleistet.
Die Vorbereitungen für unsere Weihnachtsfeier dauerten Wochen. Wir sind auf Probleme gestoßen, die uns bisher völlig fremd waren. Nicht zu wissen, wo man Pappe oder Backwaren kaufen kann, 100 Schilder handschriftlich mit chinesischen Namen zu beschriften, Mitarbeiter zu koordinieren, Aufgaben zu verteilen und zu entscheiden, was man lieber schnell selber erledigen sollte – Herausforderungen, die mir neu waren. Und dann am Ende stand ich da und schaute in so viele glückliche Gesichter. Ein großartiges Gefühl.
Die Weihnachtsfeier wurde vor drei Jahren vom deutschen Generalkonsuln Shenyangs ins Leben gerufen. Ich bin ein ehrlicher Fan seiner Arbeit und seines Umgangs mit den Mitarbeitern und Studenten. Er lies meine Kollegin und mich in seiner Wohnung Waffeln backen, obwohl er nicht zu Hause war. Bei den Weihnachtsliedern sang er mit am lautesten – wenn auch schief.
Die Feier wird seit 2015 jährlich organisiert, um den Studenten eine Möglichkeit zu bieten, Deutsch zu sprechen und die deutsche Kultur kennenzulernen. Sie reisen dafür aus sechs verschiedenen Städten Nordostchinas an. Die meisten sind hochmotiviert, offen und freuen sich auf ein lehrreiches und buntes Programm.
Meine Kollegin und ich hatten sechs Wochen Zeit, um für 100 Studenten ein vierstündiges Programm auf die Beine zu stellen. Wir hatten unfassbar viele Ideen, von denen natürlich nicht alle umgesetzt werden konnten. Aber mit großartigen Unterstützern ermöglichten wir: Ein Kennenlernspiel, Wunschzettel schreiben, gemeinsam Waffel backen, Plätzchen verzieren, Basteln, Weihnachtslieder-Singen, eine Lesestunde und mehr. Das Konsulat organisierte außerdem ein großartiges Buffet, einen Sponsor für tolle Weihnachtsdeko, einen Kochworkshop, Unterhaltung für die Lehrer und die notwendige Technik.
Meine Kollegin und ich mussten für die verschiedenen Angebote unfassbar viel Material bestellen und einkaufen. Wir machten Waffelteig, backten Kekse, schrieben Zeitpläne, Unmengen an To-Do-Listen, organisierten Musik, einen Nikolaus, einen Pianisten. Wir bastelten Papier-Schneeflocken für die Fenster, Beispiele für die Bastelstände, versahen jedes Namensschild mit einem individuellen Foto und und und. Sagen wir so: Uns wurde nicht langweilig.
Wir schafften es aber einander immer wieder zu motivieren und gaben unser Bestes. Das anschließende Lob seitens des Konsuln und die Freude der Studenten waren es zu 100% wert. Man muss sagen: An anderen Stellen fehlte allerdings auch Anerkennung oder sogar teils Respekt. Vorgesetzte, Betreuer. Eine freundliche Begrüßung oder ein lobendes Wort fallen zu lassen, fällt dem einen eben schwerer als dem anderen. Naja, die Hauptsache war die Zufriedenheit der Studenten und ein erfolgreicher Kulturaustausch! Am Ende hatte jeder der Anwesenden einen Eindruck von der deutschen Vorweihnachtsstimmung, alle konnten Andenken mit nach Hause nehmen, können nun „Stille Nacht, heilige Nacht“ und „O Tannenbaum“ singen. Sie haben das erste Mal in ihrem Leben einen Mann im Nikolaus-Kostüm gesehen. Und sie haben 1000 an neuen Fotos, die sie auf ihren Social-Media-Kanälen posten können.
Unsere Weihnachtsfeier war für mich ein anstrengender, arbeitsintensiver Teil meiner bisherigen Arbeitszeit in China. Sie war allerdings eines der lehrreichsten und schönsten Erfahrungen, die ich bisher machen konnte. Ich bin sehr dankbar dafür!
Noch ein paar kurze Anmerkungen – ich denke, sie sind erzählenswert:
Ein junger Mitarbeiter des Konsulats erhielt im Laufe des Tages 18 Nummern von hübschen chinesischen Mädchen. Blond, schlank, groß – sie waren hin und weg.
Ich bin an Silvester zur privaten Weihnachtsfeier des Konsuln eingeladen! In seinem Wohnzimmer steht eine chinesische Kutsche, in der Bräute traditionell zum Altar transportiert wurden. Die Einrichtung der Wohnung enthält unfassbar viele Gegenstände mit erzählenswerten Geschichten.
Selbst das Konsulat schafft es uns wichtige Informationen wie Öffnungszeiten, Vorschriften zur Abrechnung etc. vorzuenthalten. Offene Kommunikation ist wohl schwieriger als gedacht.
Ich wurde schon Wochen vor der Feier darauf hingewiesen, dass mein anschließender offizieller Bericht auf der SLZ-Seite bitte vorsichtig „Winter“ und nicht „Weihnachten“ thematisieren soll. Schließlich könne das Ganze als religiöse Veranstaltung verstanden werden und auf Kritik stoßen. Das müsse unbedingt vermeiden werden.
4 Monate ohne Pizza – erst, wenn man sie wieder isst, merkt man, wie sehr man sie vermisst hat. Und da kann sie auch noch so schlecht sein. Hauptsache ist, es ist Pizza.
Ich wurde doch tatsächlich gefragt, wieso meine Haare heller sein als die meiner Kollegin. Als gebe es nur einen natürlichen Blondton?!
Ein Weihnachtsprogramm für chinesische Studenten entspricht dem Programm, das man auch für deutsche Grundschüler aufstellen würde. Man stößt auf die exakt gleiche Begeisterungsfähigkeit.
8 Eier reichen nicht für einen Waffelteig für 100 Personen.
In einem Land, in dem man den Unterschied zwischen Baozi- und westlichem Mehl noch lernen muss, und in dem man im Supermarkt erst beim zweiten Versuch Backpulver findet, kann man sich nicht auf deutsche Backrezepte verlassen.
Wenn selbst ich einen gebürtigen Bayer nicht verstehen kann, verstehen ihn chinesische Studenten, wenn er sich auch noch einen langen Bart vors Gesicht schnürt, erst recht nicht. Macht aber nichts. Taten (und Kostüm) bedeuten mehr als Worte.
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