"Ihr habt so schöne Nasen!"
Viele Kulturen, viele Orte gibt es zu entdecken und es ist nicht immer einfach und so, wie man es sich vorher ausgemalt hat... Eva1608 berichtet über die ersten eineinhalb Wochen in Lyon.
Jeder Tag bringt etwas Neues mit sich und meine Begeisterung für die verschiedenen Kulturen, die man alle in der Sprachschule antrifft, hält an. Im Irak kann man sein Auto, wenn es leer ist, für 10 € voll tanken und die Chinesen sind begeistert von der Anatomie der Europäer: Die großen Augen, die große (bzw. herausstehende) Nase, die verschiedenen Haarfarben und Augenfarben...
Sowieso weiß ich jetzt einiges mehr über chinesische Lebensweisen, weil Hristina und ich gestern den ganzen Nachmittag mit einer Chinesin unterwegs waren. Später stieß noch eine Kolumbianerin dazu. Man trifft sich nicht nur morgens in der Schule, sondern unternimmt auch gemeinsam was und kann sich auf diese Weise noch besser austauschen.
Egal wo ich unterwegs bin: Nie ohne meine Karte. Sie ist zwar ungefähr halb so groß wie ich, aber dafür ist alles eingezeichnet: Auf der einen Seite das Straßennetz und auf der anderen Seite der Metro-/Tram-/Busfahrplan, ohne den man echt aufgeschmissen wäre. Wenn man den Plan von Lyon betrachtet, kann man sehen, dass die Stadt nicht nur aus Häusern besteht, sondern auch Parks vorhanden sind. Ein sehr großer grüner Fleck, innen drin mit einem blauen Fleck kennzeichnet den "Parc de la Tête d'Or" und es schien, als wäre er zu Fuß gut und schnell zu erreichen, wenn man nur am Ufer der Rhône entlangläuft. Hristina und ich wollten das am Dienstag gern ausprobieren, weil der Park einen wirklich guten Ruf hat und haben Sandrine (die Chinesin) und Estephania (die Kolumbianerin) zur Tour gleich eingeladen. Weil Estephania nicht weit entfernt vom Park wohnt wollten wir sie dort treffen und mit Sandrine verabredeten wir uns für zwei Uhr an der Sprachschule.
Dann ging es los - entlang am wirklich schön ausgebauten Ufer mit gutem Blick auf die Häuserfassaden von Lyon. Und immer wieder kam mir in den Sinn, dass das hier nicht nur ein Urlaub für wenige Tage ist, sondern dass ich hier noch zehn Monate leben werde und viel Zeit habe, die Stadt zu erkunden.
Der Fußmarsch war wirklich sehr schön. Die meiste Zeit über haben wir über das Leben in China und Europa gesprochen und viele verschiedene Themen abgehandelt und das alles überwiegend auf Französisch weshalb ich nach eineinhalb Stunden echt k.o. war – mental wie physisch. Nach einigem Fingerzeigen auf der Karte, weil wir uns nicht einigen konnten, wo wir uns befinden (wir hatten 40 Minuten Fußmarsch eingeplant und waren leicht verunsichert), fragten wir einen Fußgänger. Es scheint mir, als warten die Lyoner nur darauf, nach dem Weg gefragt zu werden. Auch wenn sie genau erkannt haben, dass man Ausländer und der französischen Sprache noch nicht mächtig ist, lassen sie eine Flut von Worten in unglaublicher Geschwindigkeit los, von denen auch ein Drittel ausreichen würde, um den Weg zu finden.
Nun ja. Ich habe den Mann nicht verstanden. Aber weil er seinen Wortschwall mit Gesten untermalte und sogar ein Stück vor uns hergegangen ist, war es wirklich ein Kinderspiel, zum Park zu gelangen. Und alle Anstrengung war vergessen, als wir ihn betraten: Riesige Wiesenflächen mit großen Bäumen und zwischendrin gut ausgebaute Wege, auf denen man super Inline fahren könnte. Und es waren nicht viele Menschen unterwegs. Wir ließen uns auf der Wiese nieder um etwas auszuruhen und Hristina rief Estephania an. Nach drei verzweifelten Handygesprächen auf gebrochenem Französisch gab sie schließlich auf. Der Park ist einfach zu groß, und wie sollten wir unseren Ort bestimmen, wenn wir zum ersten Mal da waren.
Zunächst einmal machten wir die Tüte mit den Schokowaffelwürfeln leer, die Hristina zum Glück morgens schnell noch eingepackt hat. Währenddessen erzählte uns Sandrine von ihrem krassen Schlankheitswahn, den sie wohl aus China mitgebracht hat und aus falscher Bescheidenheit heraus fortführt, und eh sie sich versah, war sie bei uns zum Essen eingeladen. Morgen kaufen wir zusammen ein und am Sonntag werden wir gemeinsam kochen.
Dann ging es weiter auf Entdeckungstour. Hristina hatte was von Giraffen gehört. Ich konnte das aber so recht nicht glauben, weil weit und breit kein Zoo zu sehen war. Allerdings war der Park ja auch weit und breit und tatsächlich taten sich vor uns nach zwei weiteren Biegungen mehrere Affengehege auf, dahinter folgten die Elefanten. Allerdings dauerte es noch einmal 20 Minuten, bis wir auch Estephania gefunden haben, weil der Zoo sehr groß ist. Vier Mädels von drei verschiedenen Kontinenten gemeinsam in Lyon unterwegs; das war schon ein schönes Gefühl.
Für den Rückweg wählten wir dann Tram und Metro und waren gegen etwa sieben Uhr wieder zu Hause, das Programm für den nächsten Tag stand schon fest.
Nach dem Sprachkurs wollten wir unser Schwimmbad ausprobieren, das ganz in der Nähe von unserer Wohnung sein sollte. Auf der Karte sah es so aus, als könnte man schnell dort ankommen, es ist nur etwa vier Straßen entfernt. Es fährt zwar auch ein Bus, aber wenn schon Bewegung, dann richtig, deshalb wollten wir laufen.
Wir brauchten fast eine Stunde. Wir sind genau in die falsche Richtung losgelaufen und als wir das nach einer halben Stunde realisierten, suchten wir die nächste Bushaltestelle und nahmen den Bus. Und um sich wirklich nicht noch einmal zu vertun, fragte ich eine alte Omi neben mir, an welcher Haltestelle sich denn das Schwimmbad befindet. Für die nächsten fünf Minuten versuchte ich interessiert zu lächeln und zu nicken, denn sie hörte einfach nicht mehr auf zu reden und ich versuchte krampfhaft die für mich wichtigen Informationen herauszufiltern. Wir waren auf jeden Fall im richtigen Bus und die Haltestelle war nicht mehr weit entfernt, da konnte doch eigentlich nichts mehr schief gehen!
Weit gefehlt, das war noch nicht unser letztes Hindernis. Nachdem wir heil im Schwimmbad angekommen sind, wurden wir bei den Umkleiden mit einbruchsicheren Schränken konfrontiert, die sehr futuristisch aussahen. Reihen von gelben Kokons, die sich mithilfe einer eingegebenen Geheimzahl verschließen lassen, erwarteten uns. Aber schließlich durchschauten wir auch diese Technik und unserem Schwimmvergnügen konnte sich nichts mehr entgegenstellen. :)
Man darf sich nur nicht einschüchtern lassen und den Mut nicht verlieren. Die Stadt ist groß, und eine Karte hab ich nur in den Händen meiner Eltern gesehen, vor der Zeit, als es Navigationssysteme gab. Und eineinhalb Wochen reichen einfach nicht aus, um sich damit anzufreunden. Deshalb haben Hristina und ich heute wieder 40 Minuten gebraucht, um die nächste Tram Haltestelle zu finden. Nun ja, die Stadt lernen wir dadurch auf jeden Fall gut kennen!
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