"Holy Touch"
Ich melde mich aus der Versenkung und keine Angst, der Titel bezieht sich ausnahmsweise nicht auf meine Erscheinung, wie Gott sie schuf, sondern lediglich auf das Wasser, welches ich hier täglich trinke. Klingt nach einem schlechten Scherz oder einer guten Marketing-Strategie, ist aber weder das eine noch das andere: Es soll diesmal um Religion gehen!
Ja, lang ist`s her, draußen vom Walde da komm ich her… Wie dem auch sei, keine Zeit für Rechtfertigungen:
Ich möchte also über Religion berichten, jetzt nicht direkt über Jesus & Mohammed und ihre Crews, sondern darüber, wie in meiner aktuellen Umgebung die Lehren der oben genannten gelebt werden und dementsprechend im Alltag immer wieder auftauchen. Bevor man sich in wagen Vermutungen und hinter Weihrauchdunst und Gebetsteppich versteckt, liefert man doch erstmal besser einen kurzen fachlichen Input: Laut Auswärtigem Amt leben zur Zeit 59% Christen, 18% Muslime und 5% Anhänger der indigenen Religionen in Ghana. Andere wichtige Quellen präsentieren andere Zahlen. Klar ist aber, dass die Ballungsräume des Südens stark vom Christentum (vor allem protestantisch und freikirchlich) und der Norden eher muslimisch geprägt ist, was mit der Geschichte des Landes und der Kolonialisierung zusammenhängt.
Da eben zwei der großen Weltreligionen in gleichen Teilen geschichtlich wichtig sind und seit jeher in allen Territorien des heutigen Ghanas ausgelebt werden, ist Ghana ein säkulärer Staat. Sprich: Keine Religion ist in der Verfassung festgehalten, jeder darf glauben, wie er lustig ist. Was gelebte Glaubenstoleranz angeht heißt das, jeder darf glauben, solange er glaubt. Denn Atheismus ist in Ghana ein Fremdwort und wer sich klar als Vertreter dessen positioniert, der wird sich nicht nur Unverständnis gegenüber sehen, sondern vermutlich auch so lange mit Argumenten belagert, bis er/sie bekehrt ist oder die Flucht ergreift. Ja, Ghana ist definitiv ein religiöses Land.
Das merkt man unter anderem daran, dass man im Alltag immer mal wieder von anderen Leuten ein „God bless you!“ zu hören kriegt. Aber allem voran fällt es einem schon auf, wenn man einfach nur die Straßen entlang schlendert und mit offenen Sinnen seine Umgebung wahrnimmt. Da wäre ein Preacher an jeder dritten Straßenecke, der mit portablem Soundsystem und Mikrofon den verschieden motivierten Leuten ihre eigenen Sorgen erklärt und natürlich die Größe von Gott preist. Da wären christliche Freikirchen im Hinterhof, betende Tambourin-Gruppierungen auf Parkplätzen um 11 Uhr in der Nacht und muslimische Gläubige am Straßenrand kollektiv zum Gebet verneigt. Und dann wäre da noch so ziemlich jeder Laden und jedes öffentliche Transportmittel in Ghana. Denn Geschäfte und Taxis stehen natürlich auch unter dem Segen von Gott und um das noch ein wenig mehr zu sichern, tragen die meisten Geschäfte Namen, die mit biblischen, Koran- oder generellen Glaubenszitaten verknüpft sind. Das geht vom „Allahu Akbar“-Barbarshop, über die „Jesus is our Savior“-Bäckerei und das "Sexual Traps"-Taxi bis hin zu dem "Heaven is waiting"-TroTro und unserem Tüten-Trinkwasser, welches mit „Holy Touch“ benannt wurde, und nach meiner eigenen Selbsteinschätzung scheinbar auch so wirkt. Ok, Selbstbeweihräucherung bei Seite.
Der Glauben fällt einem tatsächlich überall ins Auge, wenn man sich nicht immer so blind anstellt wie ich. 4 Monate habe ich gebraucht, um zu verstehen, warum sich die Leute an dem Haus neben der TroTro-Station immer die Füße waschen und die Werbedurchsagen so seltsam klingen. An den örtlichen Muezzin: Salam aleikum, ich habs begriffen! Was interessanterweise auffällt, ist dass Christentum und Islam hier harmonisch nebeneinander leben. Natürlich gibt es Ausnahmen und abfällige Bemerkungen von den üblichen Verdächtigen, aber sowohl christliche, als auch muslimische Feiertage sind Staatsfeiertage. Das finden, glaube ich, beide Religionen fabelhaft an ihrem Gegenüber.
So sind viele Geschäfte sonntags oder freitags geschlossen, selbst in der Nachbarschaft variiert die Glaubensrichtung sehr. Noch war ich nicht im stärker muslimisch geprägten Norden des Landes, bin aber gespannt wie ein Flitzebogen (was für eine Redensart), das dortige Terrain und ihre Anwohner kennenzulernen. Es ist äußerst erfüllend zu sehen, wie Kirche und Moschee nebeneinander stehen können und man nicht nur nebeneinander, sondern auf Grund der gemischten Gesellschaft eben auch miteinander seinen ähnlichen Gauben lebt. Hauptsache man akzeptiert, dass die Welt einen allmächtigen Schöpfer hat. Sonst nicht.
Für den Islam und traditionelle Religionen schließt sich hier der Vorhang, da ich im Bezug auf Gottesdiensterfahrungen ja dann doch nur die christliche Seite beleuchten kann. Mein erster Gottesdienstbesuch endete nach 5h voller Bible-Studies und einer Predigt über Alkoholismus, wie das Themenblatt ausschrieb, verstehen konnte ich die Ga/Twi-sprachige, presbyterianische Messe jedenfalls nicht. Eindrucksvoll war aber auf jeden Fall, dass Start der Messe um 7 Uhr morgens angesetzt war, mein Kumpel und ich um 7:20 eintrudelten, die ersten weiteren Menschen aber gegen 8 Uhr erst den Saal betraten. Danach wurden zu meiner Überraschung zu ghanaischen Rhythmen tatsächlich durch die Stuhlreihen und die Kirche getanzt und Paul-Gerhardt- und Luther-Melodien mit Lobpreisen in der lokalen Sprache verknüpft. Gar nicht so bizarr wie sich das manch einer vorstellen mag.
Mittlerweile bin ich zur methodistischen Freeman-Chapel umgestiegen. Klare Pluspunkte: Lediglich 3 Stunden Messe und ein wenig mehr Heimatgefühl durch große Kirchhalle mit Empore, Kanzlei, Kirchbänken und großem weißen LED-Kreuz an der Stirnseite. Gleichgeblieben ist die Verwunderung, warum „sonntags in die Kirche gehen“ auch mit 2 Stunden Verspätung noch als selbiges anerkannt wird. Auch die Predigten bekomm ich nicht immer ganz mit, was aber vielleicht auch unter Anbetracht des Fakts, dass das Alte Testament hier eine viel wichtigere Rolle als bei uns spielt, ein nicht allzu großer Verlust ist. Uns Katholiken wird ja immer das Konservative nachgesagt, was bei den örtlichen Vertretern sicher auch der Fall ist, aber da stehen die Aussagen hier in den Freikirchen oft in nichts nach. Jedenfalls hab ich einen Raum zum gemeinschaftlichen Gebet gefunden, auch die Jugend ist präsent, so ganz in deren Kreis bin ich aber noch nicht vorgedrungen. Definitiv ist von Gospel-Chor bis Live-Band jeden Sonntag euphorische Stimmung, wenn dann alle da sind. Vom Aufbau ist der Gottesdienst ähnlich unserem, nur ist er halt purer Wortgottesdienst ohne Eucharistiefeier. Jeweils zum Gloria und zu den Kollekten (dem Offering) wird aktiv zu den Rhythmen durch die Kirche getanzt und bei letzterem sein Geld vorn in einen Kollekten-Korb geworfen.
Apropos Geld: Hier wären wir bei einem der fragwürdigeren Punkte meinerseits. Denn die Kirche hier ist was Kapitalismus & Eventmanagement angeht auf jeden Fall in der Moderne angekommen. So leuchten nicht nur die gestriegelten Gesichter von den verschiedensten Reverends von jedem zweiten Plakat, welches zum „Festival der Wunder“ oder der „Night of Worship – 24h prayer session“ einlädt, nein auch Geld kommt in jedem Gottesdienst vor. Jede Kirche, so scheint es, veranstaltet jedes Jahr eine Sammlung für verschiedene Zwecke, wobei jedes Mal vorher klar ein Ziel-Wert ausgesprochen und mit Plakat ausgehängt wird. Dann werden beschriebene Kollekte-Runden manchmal mehrfach ausgeführt und man kann sich noch entscheiden, ob man sein Geld einfach in die Kollekte wirft oder in eine Box der unterschiedlichen Wochen-Gruppen, um den Wettbewerb zwischen diesen anzuheizen. Wirkt für mich erstmal seltsam, zumal auch in der Diskussion um Charity und Arbeit am Miteinander es immer um Geld geht. Da muss man festhalten, dass aber Geld ja klar das Medium ist, mit welchem man in unserer Welt Schaffen und Walten kann. Haben die Kirchen hier einfach nur den Kapitalismus verstanden und in ihre Kirche eingepflanzt. Und wenn ja, ist das gesund? Noch weiß ich darauf keine Antwort, aber dass es öfter um Geld in den Messen geht ist Fakt und so ganz durchsichtig wofür gesammelt wird, scheint es mir auch nicht, kann aber auch an meinen schlechten Sprachkenntnissen liegen.
Ein anderer Störfaktor: viele Prediger im Radio schreien zu später Stunde noch zu sehr herum, als dass sie die Liebe & den Frieden Gottes überzeugend weitergeben könnten. So meine Einschätzung, der Lage in der Nation. Dennoch war auch der Prediger in der amerikanisch-ghanaischen Special-Gospel-Messe durch und durch von seiner Idee überzeugt, seine Begeisterung war zu spüren. Hier weiß man nicht nur, dass die Leute in die Kirche gehen, man fühlt es auch. Zwar ist der Sonntag Routine, trotzdem sind die Menschen voll Gottvertrauen dabei. Manchmal sogar mit so viel Freude und Begeisterung, dass ich mir doch den verschluckenden Hall unserer riesigen Kathedralen wünsche. Denn auch wenn sich viele bei uns neue Reformen wünschen und Freikirchen wachsen, es bleibt die Form von Glauben mit der Ich aufgewachsen bin, in der man mehr die Stille und Besinnung sucht. Wie immer zeigt mir Ghana, dass es aber nicht einen Weg gibt. Es zeigt mir gleich mehrere andere Wege seinen Glauben zu leben und wie er in der Gesellschaft verankert ist. Das fühlt sich im ersten Moment fremd an, sehr sogar. Und man vergleicht und fragt sich was besser ist. Dabei gibt es gar keinen Wettstreit. Dahinter stehen Menschen mit ähnlichen Sorgen & Freuden und mit einem Gottvertrauen, dass in der Gemeinschaft zelebriert wird. Beiden einen so, den anderen so.
Trotzdem bleibt der Unterschied, dass die Anzahl der Gläubigen und der Anteil von Religiösität im Alltag viel höher ist. Hier muss ich mich zumindest nicht mit meinem Glauben und oder meiner Lebensphilosophie verstecken, denn alle sehen es ähnlich. Doch auch neben der ganzen Harmonie untereinander gibt es dennoch Minderheiten, wie zB Homosexuelle die geächtet werden. „Es war ja damals auch nicht alles gut…“ Kurz mal eine Verallgemeinerungen aufbrechen mit einem klassischen Zitat.
Ich bleibe auf jeden Fall dabei, die lokalen und meine eigenen Glaubenswelten weiter zu erforschen und bin interessiert, was meine Wegbegleiter noch alles dazu zu erzählen haben. Jede unserer Veranstaltungen im Center beginnt und endet jedenfalls mit einem Gebet, das ist Muss. Nachhaltig geprägt, beschäftigen mich auf jeden Fall die Fragen: Kann man sich in seiner Glaubensform umgewöhnen oder hat Glauben viel mit eigener Routine & Komfortzone zu tun? Ist ein Staat, in dem Religion in allen Lebensbereichen in moderner Form vorherrschend ist eine bessere Gemeinschaft, als ein agnostischer? Und auch: Was wurde alles versäumt oder wie stark bremst Religion die Realität, wenn selbst hier Jesus weiß und Gott ein alter, weißer Mann ist?
Alle Antworten im Tele-Text oder vielleicht irgendwann mal in meinem Kopf, geäußert werden meine Lösungsvorschläge aber erst auf Nachfrage, wenn ich wieder in Deutschland bin. Bis dahin frohes Grübeln und Selbsterfahren, eine stabile Fastenzeit und…
GOD BLESS YOU!!!
KojoThomas
Ja ich habe lange warten lassen. Und mir dabei Gedanken, Pläne, Ziele und Vorstellungen umgeordnet. Also keine Angst, jetzt nicht irgendetwas fundamentales, sondern den Erfahrungsabgleich, den ich hier eh täglich tätige. Vom Hirn zum Herz zur Hand oder anders. Vor allem blieb da die Erkenntnis, dass in meiner Verwandtschaft sich ja einige Onkel und Tanten und Familienfreunde befinden, vor allem aber alle mit ordentlich Nachwuchs und ich dementsprechend mit einer bunten Cousin/Cousinen-Gäng und anderen Trommel-Mitstreitern (Grüße raus nach Halle) beschenkt bin! Und da das Durchschnittsalter eher noch so bei Playmobil liegt, werde ich nun meine geschwollene Zunge hüten, den Sinus seinem Kosinus (Cousinus) überlassen und mir Wörter wie Disparitäten direkt schenken. Ich gebe zu, dass es mir schwer gefallen ist, doch hier einmal eine andere Perspektive, mal sehen wie gut mir die Geschichte gelingt:
Liebe Cousins und Cousinen und liebe Detektive,
mir, eurem Cousin und Spielekumpel geht es hier in Ghana sehr gut. James Town, wo ich wohne, ist voller Kinder und oftmals ist Party am Wochenende, wie wenn im Kindergarten Fasching ist. Neulich haben wir einfach mal so eine dicke Musik-Anlage rausgestellt und ordentlich laute Musik aufgelegt. Da haben sich schon ein paar Leute gewundert. Aber die Jungs und Mädchen, die ich hier kennengelernt habe, haben sich alle gefreut, und wir haben zusammen lustig abgetanzt, während die Erwachsenen seltsam geguckt haben. Hah, die haben sich nur nicht getraut mitzutanzen. Fast hab ich mich gefühlt wie auf einem Kindergeburtstag, wart ihr auch schon einmal auf einem eingeladen? Ich sag euch, auch wenn es hier ganz anders ist, als bei euch im Kinderzimmer, auch ohne Topfschlagen ging hier richtig die Post ab!
Aber neulich ist was Komisches passiert:
„Gehst du von Onkel Teiko die Bananen für Opa abholen?“, schrillt Mama Ruths Stimme durch den Hof. Nana, 7 Jahre alt und noch klein, schreckt auf. Gerade hat er von einer wilden Verfolgungsjagd mit einer Schnecke auf einem Fahrrad geträumt. Habt ihr schonmal eine Schnecke auf dem Fahrrad gesehen? Verwundert reibt sich Nana die Augen. „Gehst du von Onkel Teiko die Bananen für Opa abholen?“, ruft Mama Ruth ein zweites Mal durch den Hof. Nana steht auf, klopft sich seine Schuhe ab und denkt nach. Er mag Onkel Teiko, der erzählt immer lustige Geschichten von goldenen Stühlen auf denen keiner sitzen darf und einem Schwert, welches im Boden steckt und nicht mal der starke Boxer Ali rausziehen konnte. „Ja Mama, ich mache mich los!“ – „Nimmst du bitte Akwele mit?“ Akwele ist Nanas Schwester , genau genommen seine 2 Minuten jüngere Zwillingsschwester und solange sie nicht beim Sandalen-Zielwerfen mit grimmigen Blicken gegeneinander antreten, sind sie ein Herz und eine Seele. Das heißt Nana weiß nicht so genau warum, denn er hat nicht so viele richtige Freunde, aber mit Akwele versteht er sich auch nur mit Handzeichen und Kopfnicken. Und mit der Geheimsprache, die sie sich ausgedacht haben. „Klar Mama, sie hat ja hier bei mir….“ Verwundert schaut Nana sich um. Bei mir geschlafen, wollte er sagen, doch so oft er sich auch im Kreis dreht wie ein Kreisel und 3mal hinter die Wassertonne guckt, er kann keine Akwele finden. Wollte sie nicht zum Spielen zu Naa Koshi rüber gehen? Mama Ruth ist wieder in eine Unterhaltung mit dem Nachbarn versunken. Was die immer alle zu bereden haben, fragt sich Nana. Höchst seltsam, denkt er, erst eine Schnecke auf einem Fahrrad und jetzt fehlt Akwele.
Durch und durch verwirrt verstaut er seine Lieblings-Spielkarten und stapft in die heiße Nachmittagssonne. Die Straßen sind voller Leute. Ob die auch alle Bananen abholen von Onkel Teiko fragt sich Nana und muss grinsen bei der Vorstellung er würde mit 200 anderen Kindern Teiko´s Geschichten lauschen. Andererseits weiß er, dass morgen Sonntag ist und alle Verkäufer ihre Läden und die Familien das Sonntagsessen schon einmal vorbereiten, damit nach dem Kirch-Besuch direkt losgegessen werden kann. “HUUUUUUP! HUP! HUP! HUUUUP!“ Nana dreht sich zur Seite und in schnellem Tempo schießt ein weißes Moped an ihm vorbei. Dann noch 2 blaue und zum Abschluss ein rotes. Die Biker-Truppe von Lankei hinterlässt wütende Menschen und aufgescheucht gackernde Hühner. Der Staub wirbelt durch die Luft und Nana schüttelt den Kopf. Immer scheinen sie es eilig zu haben. Letztes Mal hatte er es eilig, als er zu spät zum Kindergaten kam, aber er kann sich nicht vorstellen, dass der große Lankei noch jeden Tag mit seinem Motorrad in den Kindergarten fährt. Er erinnert sich an die Schnecke auf dem Fahrrad.
„Hast du Akwele gesehen?“ Naa Koshi sitzt neben ihrer Mutter und wäscht mit ihr zusammen in einer großen Schüssel ihre T-Shirts. „Nein ich muss waschen“ antwortet Naa Koshi und wirft ihrer Mama einen wütenden Blick zu. „Ja wer mit hübschen T-Shirts die andern Mädchen beeindrucken will, der muss auch wissen wie er sie sauber kriegt.“ Naa Koshi grummelt vor sich hin und widmet sich wieder dem fast überschäumenden Wasser unter ihr in der Schüssel. Lustlos fischt sie eine Handvoll Schaum aus der Schüssel und schmiert sie Nana ins Gesicht. „Hey!!“ Beide fangen an laut zu lachen, sieht Nana mit dem Schaum am Kinn doch jetzt aus wie sein Großvater mit weißem Bart. Eine Sekunde überlegt Nana ob er Naa Koshi auch so einen Bart zaubert, doch unter dem genervten Blick ihrer Mutter entscheidet er sich anders. „Ich muss weiter! Viel Spaß dir!“ ruft Nana beim Gehen. „Spaß?? Paaaah“ bringt Naa Koshi gequält vor. „Pass bloß auf, dass du vor lauter Ärger nicht in die Wäsche-Schüssel fällst, gebadet wurde gestern!“ tadelt sie ihre Mutter. Nana muss lachen und ist schon wieder draußen vor dem Tor.
„MÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄH!“ Nana kneift die Augen zusammen und erkennt die beiden Ziegen, Kwesi und Lai, die beide gerade ihre Hörner gegeneinander schlagen. Ob sie sich auch wegen der Wäsche streiten? Nana geht dazwischen und hält die beiden von weiteren Kopfnuss-Versuchen ab. Sein Viertel ist voller Ziegen, aber warum sind gerade seine Kumpels die verrücktesten unter ihnen. „Ey ihr beiden Streit-Böcke, habt ihr Akwele gesehen“ fragt Nana ganz cool. Statt einer genauen Beschreibung folgt eine lange Pause und schließlich ein kurzes „MAÄÄH!“ verbunden mit gleichzeitigem Kopfschütteln der beiden Ziegen. „Das dachte ich mir! Ihr wart ja auch viel zu beschäftigt mit eurem Rumgekämpfe. Kommt mit!“ Wieder folgt ein „Määääh“ und die Truppe setzt sich in Bewegung. Vorbei an tobenden Kids und Erwachsenen die nochmal schnell Chilli-Schoten für das scharfe Essen einkaufen wollen. Sie schauen an jeder Ecke und in jeden Hinterhof, aber sie können Akwele einfach nicht entdecken. Selbst die anderen Ziegen, die von Kwesi und Lai befragt werden wissen keine Antwort.
„Das gibt’s doch gar nicht!!“, Nana ist verzweifelt: „Sie kann doch nicht einfach vom Erdboden verschluckt worden sein. Während sie weiter durch die Straßen stapfen geht Nana im Kopf nochmal alles durch. Zuletzt hatte sie doch mit ihm auf dem Hinterhof gesessen und sie hatten überlegt ob Actionfilme oder Fußball cooler waren. „Hey Nana , hast du Lust ne Runde mitzukicken, wir machen Hochschüsse!“ Die Kinder aus der Nachbarschaft toben über den Fußballplatz, aber Nana ist viel zu sehr am grübeln, als dass er sie hören würde. Tiefe Falten ziehen sich über sein Gesicht, während er intensiv nachdenkt. Lediglich Kwesi der Ziegenbock lässt sich kurz auf das Spiel ein und jagt den Ball mit seinem Kopf in die Höhe. Der Ball fliegt und fliegt und….fliegt. Ja das ist doch ein neuer Rekord? Die Kinder starren begeistert hinterher. Doch der Ball hört einfach nicht auf mit dem Fliegen. Längst hat der den Fußballplatz in der Höhe hinter sich gelassen und rast nun auf das geschäftige Treiben der Erwachsenen zu. „oooh-ohhh“, sagt einer der Jungs. „Määäääääh!“, sagt Kwesi. Mit einem lauten Rumms landet der Ball direkt neben der Stoffverkäuferin Odakor, die gerade eine Lieferung austrägt. Mit entsetztem Gesicht springt sie zur Seite und lässt dabei die Schüssel mit Stoffen fallen, die sie wie alle Frauen hier auf dem Kopf getragen hatte. Mächtig verärgert sammelt sie die Stoffe wieder in der Schüssel, setzt sie sich auf den Kopf und schaut suchend nach dem Schuldigen Richtung Fußballplatz. Die Jungs zeigen nur etwas schüchtern auf Kwesi den Ziegenbock oder zumindest auf die Stelle wo er eben noch stand. Aber Kwesi hat sich inmitten des Chaos aus dem Staub gemacht und ist längst mit Lai und dem grübelnden Nana weitergezogen.
Nana beginnt sich langsam Sorgen zu machen. „Nicht, dass ihr etwas zugestoßen ist! Vielleicht ist sie in einen Kampf mit dem gemeinen Nii Arma geraten?“. Lai und Kwesi wissen nicht so Recht und einigen sich auf ein leises „Määh!“ Dann hören sie es schon von weitem: „Rumms….Rumms…Rumms!!“ immer wieder hören sie das knallen von Stöcken auf Stein. Was geht da ab? Hastig stolpern sie los. Sie rennen vorbei an Handwagen voller Kokosnüsse und über zum Trockenen ausgelegte Fische. Links und rechts geht es durch die Straßen und je näher sie kommen, desto lauter wird es. „RUMMS… RUMMS…!“ Da prügelt jemand ganz klar mit einem dicken Stock auf den Stein ein. Aber, warum sollte jemand das tun? Und nicht, dass da Akwele mittendrin ist. Nana sprintet was das Zeug hält. Die dickbäuchigen Ziegen können kaum mithalten. Also einerseits wegen Nanas Tempo und ihren dicken Bäuchen und andererseits, weil sie einen Obststand nach dem anderen passieren und die frischen Ananas sehen doch einfach zu verlockend aus. Man könnte ja vielleicht eine kleine Pause einlegen und zumindest mal kosten….. das wäre doch nicht verboten, oder? Doch Nana rennt einfach weiter und so lassen auch die Ziegen die frischen Ananas protestierend hinter sich und folgen ihm. Das RUMMS-Geräusch ist jetzt ganz nah. Nana rennt um die letzte Ecke, rutscht auf einer Kochbananen-Schale aus und schlittert auf einen größeren Hof. RUUMMS. Überall um ihn herum stampfen Frauen und Männer mit großen Baumstämmen in Steintröge. Nachdem Nana sich aufgerappelt hat erkennt er, was hier gespielt wird. „Sie stampfen Fufu“ ruft er den Ziegen zu, die das aber schon lange erkannt haben und versuchen sich an einem Stapel Kochbananen zu sättigen, bevor ihnen einer der Stöcke und dessen Besitzer gefährlich nahe kommt. Die Frauen stampfen Kochbananen und Kassawa-Knollen zu einem Brei zusammen. Immer wieder saust das stumpfe Stamm-Ende in den Trog auf den hell-braunen Brei nieder. Andere Frauen und Männer wenden in den Stampfpausen schnell den Brei und fügen Wasser hinzu. Es sieht fast so aus, als würden ihre Hände mit eingestampft werden, doch immer ziehen sie sie rechtzeitig vor dem nierdersausenden Holzstamm zurück. Der fertige Brei wird in Klöße aufgeteilt und in Schüsseln zusammen mit Erdnuss-Soße und Fisch gegessen, weiß Nana. Gegessen wird dabei ausschließlich mit der rechten Hand, weil die linke Hand als unsauber gilt. Jetzt erst merkt er, dass er hungrig wird. Plötzlich spürt er einen stechenden Schmerz im Knie. „AUA!!“ Er hat sich bei seiner Rutsch-Partie das Knie aufgeschürft und blutet jetzt. Die beiden Ziegenböcke sind ratlos. Weil die Männer und Frauen völlig vertieft in ihre schweißtreibende, anstrengende Arbeit sind, zieht die Such-Truppe weiter.
Aber wo sind sie? In ihrem ganzen Gerenne hat Nana die Orientierung verloren. Auch die Ziegen sind keine große Hilfe. Sie wissen zwar, wo der nächste Essenstand ist, aber eine Reise-Karte haben sie auch nicht dabei. Nana setzt sich an den Straßenrand und fängt an zu weinen. Er weiß nicht wo er ist, hat ein blutendes Knie und Hunger und von Akwele keine Spur. Auch die großen Jungs, die auf der andern Straßenseite sitzen, lachen nur laut über ihre eigenen Späße, schubsen sich gegenseitig umher und beachten ihn gar nicht weiter. Nana fühlt sich völlig verloren. Die Tränen kullern an seinen Wangen herunter und tropfen vor ihm auf den Boden. Er konnte keine Bananen für seinen Großvater abholen, hat Akwele nicht gefunden, ist völlig verloren und zusätzlich wird es dunkel.
Kwesi und Lai gucken nur traurig und mitfühlend. „Määääh“. Der Obststand regt ihr Interesse an. Nana ist völlig in sich versunken, er wünscht sich er könnte hier auf der Stelle einschlafen und morgen bei sich zu Hause aufwachen, neben Akwele und ohne Schnecken auf Fahrrädern.
Die beiden Ziegenböcke versuchen immer angeregter der unaufmerksamen Obstverkäuferin Ekwia ihre Papaya abzujagen. „Macht euch endlich weg ihr dummen Ziegen, wo kommt ihr überhaupt her?“ schreit Ekwia schließlich, da fällt ihr Blick auf das kleine Paket Elend, in das Nana zusammengefallen ist. „Aber junge was ist denn mit dir? Wo sind denn deine Eltern? Und wo ist dein Zuhause?“ Nana ist zu traurig um zu antworten, obwohl ihm jede Hilfe jetzt nur recht wäre. Aber wer kann ihm schon den Weg nach Hause zeigen. „Kennst du diese paar Stänker-Ziegen?“, versucht Ekwia die Obstverkäuferin es jetzt anders. Doch auch darauf gibt Nana keine Antwort. Ekwia zuckt mit den Schultern und kehrt zu ihrem Obststand zurück. Allerdings nur um mit einer geschnittenen Mango vor Nana wieder aufzutauchen und sie ihm mit einem kurzen „O feine, ba yeni! (Bitte iss!)“ in die Hand zu drücken. Nanas tränenfeuchte Augen leuchten ein wenig auf „Oyowaladooo (Danke)“ antwortet er und macht sich gierig an die saftige gelbe Frucht…. Das tut gut! Auch die beiden Ziegenböcke kriegen 1,2 Stücke ab. „Määh!“. – „Ja, ich habs verstanden, kein Problem eyy“ nuschelt Nana, den Blick auf den Boden gerichtet. „Dada Mäh-Mäh…“ – „Es reicht jetzt ihr beiden!!“, fast wird Nana wütend. PATSCH!
Eine triefend nasse kleine Hand landet auf Nana´s Knien. Nana folgt mit den Augen dem dazugehörigen Arm und guckt schließlich in das Gesicht von Junior. „Dada Mäh-Mäh!“ brabbelt dieser und zeigt mit der anderen Hand auf die beiden Ziegen. „Aber Junior, was machst du denn hier?!“ Nana springt auf und betrachtet fassungslos seinen 2-jährigen Cousin. Dieser schaut ihn ebenfalls an, fängt an zu grinsen und klatscht in die Hände: „Dada!“
In Nanas Verstand rattert es. Sein Onkel Teiko würde doch niemals seinen kleinen Cousin außerhalb seiner Nachbarschaft umherwandern lassen, im Vertrauen, dass immer jemand in der Gemeinschaft ein Auge auf ihn hat. Hmmm, das bedeutet: wo sich sein winziger, sabbernder Cousin rumtreibt, kann eigentlich Onkel Teikos Haus nicht weit sein, außer Junior hat sich ebenfalls zu einer Weltreise entschlossen aus dem Staub gemacht. „Wo ist Onkel Teiko, wo ist dein Kinderzimmer?“, fragt Nana nun hoffnungsvoll Junior aus. Dieser zeigt auf die Ziegen „Dada Mäh-mäh!“ „Das weiß ich Junior, aber wir müssen deinen Papa finden. Wo ist Onkel Teiko?“ Junior scheint verstanden zu haben. Nachdem er sich ein paar Mal taumelnd im Kreis gedreht hat, zeigt er auf das andere Ende der Straße. Nana folgt seinem winzigen Zeigefinger und sein Blick fällt auf die kleine Postzentrale, mit den vielen hunderten roten Postfächern, in der sein Onkel arbeitet. Aber klar!!! Warum ist ihm das in seiner Traurigkeit nicht schon vorher aufgefallen? So nah am Ziel!!!
Er schnappt sich den brabbelnden und grinsenden Zwerg Junior, nimmt ihn an die Hand und zerrt ihn im strammen Schritt Richtung Post-Office. Die treuen Ziegen bleiben zurück, voll Interesse an der restliche Mango. Schöne Freundschaft. Egal, Nana hat nur Augen, für den Weg vor sich. Da erblickt er das Haus seines Onkels und er beschleunigt noch einmal seinen Schritt. Junior fällt fast der Arm ab und seine Laune ist wegen des Gezerre von Nana ins Quengelige umgestiegen. Da ist schon die so bekannte grüne Tür, mit dem weißen Schriftzug „Gott segne dich!“ darüber. Nana rennt jetzt schon fast. Als würde er sich beim Verstecken freischlagen wirft er sich mit voller Kraft an die Tür, die aber natürlich gar nicht abgeschlossen ist. Mit einem erstaunten „Aaaaaaaaah“ fällt Nana ins Haus, schlägt einen Purzelbaum und bleibt verrenkt liegen. Bevor er sich aufrappeln kann sieht er ein Paar allzu bekannte Füße vor sich stehen. „Hahaha kannst du das nochmal machen, Nana?“, prustet Akwele. „W..W…Wie…. Wie kommst du denn hierher?“ stammelt Nana. „Dasselbe wollte ich dich auch fragen, aber dann war deine kleine Zirkusvorführung einfach zu lustig!“ Nana ist überwältigt, er weiß nicht ob er lachen oder weinen soll.
Da betritt Onkel Teiko das Wohnzimmer, in der Hand eine große Schale gebratenen Reis: „Ach Nana, du bist auch schon da. Kommt Kinder, wir wollen doch nicht verhungern vor lauter akrobatischen Einlagen. Akwele, machst du bitte die Tür zu, Nana und Junior, kommt mit, erst werden Hände gewaschen.“ „Dadaaaa!“, quiekt Junior und wackelt auf seinen Vater zu. Immer noch verwundert folgt Nana ihm.
„Und jetzt wird gegessen!“, gibt Onkel Teiko das Kommando vor, „deine Schwester ist auch hier um die Bananen abzuholen. Deine Mutter hat wohl vergessen, dass sie deine Zwillingsschwester schon losgeschickt hatte.“ „Hat sie dir nix gesagt, du alte Schlafmütze?“, fragt Akwele verwundert.
„Wie dem auch sei…“, unterbricht Teiko mit seiner lauten Stimme, „ich werde nicht davon satt, wenn ich mir diese große Schüssel nur angucke. Dankt Gott und haut rein! Außerdem war ich gerade dabei Akwele von einer großen Schnecke zu erzählen, welche ich neulich auf einem Fahrrad gesehen habe...“
„Das gibt´s doch gar nicht!!!“
Ende gut, alles gut. Ich hoffe ihr konntet ein bisschen verstehen, dass hier immer Äction ist. Genau so viel Spaß mit euren Freunden, im Kindergarten und in der Schule wünsche ich euch. Mir geht´s gut und ich geh jetzt erstmal einen kleinen Mittagsschlaf machen (wenn man älter wird, dann muss man das wieder machen). Wir sehen uns bald, dann erzähl ich euch mehr!
Es grüßt euch Cousin und Kumpel
Thomas
(Kojo Thomas Nii Lante Okunka Lamptey -> mit vollem ghanaischen Namen)