Hinter allem stecken die Gummistiefelverkäufer
Juliane stellt Betrachtungen über den rumänischen Straßenverkehr an und macht sich (n)ostalgische und andere Gedanken.
Meine Mutter war zu Besuch bei mir. Sie war zu meiner Freude ebenso begeistert von all den schönen Häusern hier in Bukarest wie ich. Ich bat sie auch, mir immer zu sagen, wenn sie etwas an die DDR erinnert. Ich war zwar auch elf Jahre lang Bürgerin dieses Staates gewesen und habe ein paar Erinnerungen, aber mit elf fängt man normalerweise erst an, richtig zu denken und auch Dinge außerhalb des eigenen kindlichen Universums wahrzunehmen.
Und es gibt hier tatsächlich noch Vieles, was einen an jene Zeiten erinnern kann. Meine Mutter jauchzte z. B. auf, als sie einen Trabant sah. Oder die Ikarus-Busse. Selbst die Fahrweise der Busfahrer erinnerte meine Mutter an DDR–Zeiten: man greife möglichst beherzt eine Haltestange oder den Arm des Nachbarn, da mit Sicherheit während der Fahrt mehrere scharfe Bremsungen erfolgen werden. Und alle Fahrgäste, die nicht aufmerksam genug das Verkehrsaufkommen vor dem Bus beobachten und ein eventuelles Hupen überhören, werden bei einer solchen Vollbremsung mit Schwung nach vorne geschleudert.
Oder einfach die Massen, die mit den Öffentlichen fahren. Ich kam mir manchmal vor wie bei „Wetten dass“ – man glaubt es nicht, wie viele Leute in so einen Bus passen! An der ersten Station steigen so viele ein, dass ich denke, „mensch, knackig!“ An der zweiten Station stehen abermals so viele Menschen, die sich auch noch reinquetschen, und ich bin überzeugt, nun geht aber gar nix mehr, wenn nicht jemand aussteigt! Dritte Station: es steigt auch wirklich keiner aus und doch drängen Wartende in den Bus, frohen Mutes, „wetten dass“ – wir auch noch reinpassen! Und das Wunder geschieht! An der vierten Station steigen ganze zwei Menschlein aus und fünf ein – aber wo war nur diese Lücke, in die sie schlüpfen konnten? An jeder Haltestelle denke ich, so, jetzt ist aber wirklich Schluss und doch - immer wieder finden die Leute einen Weg, sich in den Bus zu packen. Dafür ist dann der nächstfolgende Bus, der natürlich keine zwei Sekunden hinter dem anderen kommt (der allerdings ein halbe Stunde auf sich hatte warten lassen) wunderbar leer. So ist das.
Man muss auch einmal mit einer der vielen Pferdekaruzzen gefahren sein. Das sind diese aus Holz und Autoreifen und - ich will lieber nicht wissen aus was für welchen - Radachsen zusammengebauten Wagen. Die fahren normalerweise vor allem auf dem Land. Da wird man hoch und hin und her geschleudert, dass es eine Art hat. Wenn man aber gerade nicht auf dem Land wohnt und nicht so oft die Gelegenheit zu diesem Spaß, kann man auch einfach kurz vor Dienstschluss in Bukarest mit einer Straßenbahn fahren, möglichst eine Strecke, auf der es lange geradeaus geht und die Möglichkeit zu hoher Beschleunigung gegeben ist. Das geht ab! Warum die Straßenbahnen nicht aus ihren Schienenbetten springen, habe ich mich so oft gefragt! Was von außen schon sehr gefährlich aussieht, fühlt sich von innen noch viel besser an – was braucht man Achterbahnen für einen Adrenalin-Kick, wenn man doch Straßenbahn in Bukarest fahren kann?!
Von einem anderen Phänomen will ich noch schnell erzählen, von einem Mysterium, welches sich immer gegen Dienstschluss der Trolleybusse bemerkbar macht. Wie von einer ansteckenden Krankheit befallen, rauschen mehr und mehr Busse ohne anzuhalten an der Halstestelle vorbei, alle mit einem fetten „D – Defekt“ an ihrer Anzeigetafel – wer kann mir das erklären? Eine Antwort hätte ich anzubieten. Dienstschluss für die Öffentlichen ist hier nämlich schon gegen 22.00 Uhr – und ich denke ja, das liegt daran, dass hier manche Berufszweige eine innige Symbiose zum gegenseitigen Wohl eingehen. Ich glaube nämlich inzwischen fest daran, dass der öffentliche Nahverkehr so früh in der Nacht beendet wird, damit die Taxifahrer ein gutes Auskommen haben. Ebenso wie die die Straßenbauer mit Absicht schlechte Strassen bauen, damit bei Regen große Seen entstehen und die Leute sich Gummistiefel kaufen müssen, um trockenen Fußes wohin auch immer zu gelangen. Und wessen täglich Brot wird damit gesichert? Das der Gummistiefelverkäufer natürlich!