Halbzeitpause
Ein Nachtzug voller Überraschungen: Zuerst wird Alessa_auf_Fyn von der Polizei geweckt, dann erzählt ihr ein Mitreisender norwegische Übersetzungen afghanischer Witze!
Neulich bekam ich eine Email mit dem Betreff 'midterm-meeting', also sozusagen 'Halbzeittreffen'. Die erste Halbzeit ist vorbei - da hatte ich vorher noch nicht bewusst drüber nachgedacht.
September, Oktober, November, Dezember, Januar: Ganze fünf Monate lebe und arbeite ich schon in Dänemark. Gleichzeitig warten noch fünf neue EVS-Monate auf mich. Ein guter Zeitpunkt, euch darüber zu informieren, wie sich mein Alltagsleben entwickelt hat.
Im Januar wartete ein besonders spannendes Experiment auf mich: drei Wochen ohne Gasteltern. Hanne und Ole sind nämlich nach Thailand geflogen und haben Nanna und mir die Verantwortung für Haus und Katze überlassen.
Am ersten Abend habe ich diesen Umstand mit meinen dänischen Freunden und jeder Menge Muffins noch gebührend gefeiert, am nächsten Tag aber tauchten schon die ersten Herausforderungen auf: Wer macht wann was zu essen? Wer füttert die Katze? Wer kauft ein? Wer wäscht die Wäsche?
Alles keine unlösbaren Aufgaben stellten Nanna, Kristoffer und ich fest und erarbeiteten einen Essensplan. Außerdem ist jeder für seine eigene Wäsche zuständig und die Katze wird von dem gefüttert, der gerade zu hause ist.
Ich muss sagen, dass diese drei Wochen eine nette Abwechslung zur sonstigen Familienroutine waren, auch wenn einige neue Aufgaben in den Alltag integriert werden mussten. Und der Selbstständigkeit hat es bestimmt nicht geschadet.
Rikke und Kim kamen uns ein paar Mal besuchen und luden uns einmal zu Bowling und anschließendem X-Factor (das dänische DSDS) gucken ein.
Das war ein unglaublich netter Abend, bei dem ich mir aber irgendwie eine Mandelentzündung eingefangen habe. Da sich nach drei Tagen keine Besserung einstellte, fuhr ich zum Arzt, dort wurde aber festgestellt, dass es sich um einen Virus handelte, den man eben nicht mit Penicillin behandeln kann.
Also probierte ich mich so gut es ging selbst mit Kamillentee und Bettruhe zu kurieren und war am Donnerstagabend dann auch im Stande, in den Nachtzug nach Deutschland zu steigen. An diesem Wochenende wollte ich nämlich Tobias' Weihnachtsgeschenk einlösen und ihn im Harz besuchen.
Und dieser Besuch war auch lange fällig: Endlich konnte ich Tobis' Arbeitsplatz, seine WG und seine Freunde kennen lernen und gleichzeitig sogar noch die ersten Erfahrungen im Skilanglauf sammeln. Montags machte ich noch eine kleine Stippvisite bei meinen Eltern, die mir ebenfalls gut getan hat, um dann um 00:43 Uhr in Bielefeld wieder den Zug Richtung Odense zu nehmen.
An dieser Stelle eine kleine Einführung in das Reisen mit dem Nachtzug, das ist nämlich eine klasse Angelegenheit. Obwohl ich nur einen Sitzplatz gebucht hatte, bekam ich auf der Hinfahrt ein ganzes Schlafabteil für mich allein. Das nutzte ich und legte mich schon um 10:00 Uhr schlafen.
Nach zwei Stunden wurde ich durch ein lautes Klopfen geweckt. Müde schob ich die Gardine beiseite und bekam einen Schreck: Draußen standen zwei Männer in dunklen Anzügen mit Pistolen. "Guten Morgen, Bundespolizei! Reisen sie alleine?" Ja, dachte ich, und geschlafen hab ich bis jetzt auch ganz gut...
Als die Bundespolizei wieder abgezogen war und ich gerade eindöste, klopfte es schon wieder, diesmal ein dunkelhäutiger Mann, der ebenfalls einen Platz in meinem Abteil hatte. Ich probierte mit ihm auf Englisch, Französisch und Deutsch zu kommunizieren, hatte aber keinen Erfolg. Der Mann war Afghane, so viel hatte ich zumindest verstanden.
Schließlich fing ich einfach an auf Dänisch zu reden, es hatte ja eh alles keinen Zweck, und - oh Wunder - mein Abteilgenosse antwortete! Zwar nicht auf Dänisch, aber auf Norwegisch... Der Gute wohnte nämlich in Kristiansand. So hatten wir also unseren Kommunikationsweg gefunden und ich durfte mir den Rest der Nacht norwegische Übersetzungen afghanischer Witze anhören...
Direkt nach meiner Rückkehr nach Dänemark stand ein wichtiger Termin im Kalender: Modultest in der Sprachschule. Unsere Lehrerin Lis hielt Fabian und mich für fähig genug, in ein höheres Modul zu wechseln, nur mussten wir dafür besagten Test bestehen.
Der Test dauerte fast 3,5 Stunden. 3 Höraufgaben, 4 Leseaufgaben, 2 selbstgeschriebene Texte und die mündliche Prüfung, für die wir 3 Bücher lesen und 2 Themen vorbereiten mussten. Das alles hört sich schlimmer an, als es ist und lässt sich mit den DELF-Prüfungen für Französisch vergleichen.
Nachdem ich diesen Modultest erfolgreich bestanden habe, sind meine Dänisch- und meine Französischkenntnisse nach dem europäischen Referenzrahmen auf dem gleichen Niveau. Auch wenn das meine französische Freundin Meline etwas anders sieht...
Am Abend nach der Prüfung gönnten Fabian und ich uns ein grandioses Konzert im Husmandssted. Claes Cem Trio - ich kann euch diese Band nur empfehlen, so eine Stimmung habe ich noch bei keinem anderen Konzert erlebt, wirklich erstklassig wie diese jungen Leute aus Kopenhagen Musik machen.
Und der Gitarrist mit dem wir uns hinterher unterhalten haben, dachte, wir veräppeln ihn damit, dass wir aus Deutschland kommen. Mittlerweile gibt es recht viele Leute, die nicht merken, dass ich keine Dänin bin, wenn ich es nicht sage.
Am nächsten Tag kamen Hanne und Ole schon aus dem Urlaub wieder. Die Zeit alleine zu hause ist viel schneller rumgegangen, als zunächst angenommen.
Wiedervereint hielten wir dann auch gleich einen Familiensonntag mit leckerem Essen in Tinas und Rasmus' neuem Haus ab. Die kleine Josefine wollte natürlich wieder Schmetterlinge mit mir malen und hat mir 100 Kronen Spielgeld geschenkt, damit ich ihr ein Geburtstagsgeschenk kaufen kann.
Und dann ging es zum besagten midterm-meeting nach Kopenhagen. Unser Zug hatte geschlagene 1,5 Stunden Verspätung, als er am Hauptbahnhof ankam, aber zum Glück haben wir den Weg zum Hostel schnell gefunden.
Dort gab es dann die große Wiedersehensfreude, schließlich kannten wir uns bis auf drei neue Freiwillige schon vom on-arrival-training. Wir machten die obligatorische Gebäude-die-man-als-Tourist-gesehen-haben-muss-Tour und endeten in einem Restaurant, bei dem es leckeres Buffet gab.
Am nächsten Tag hätte neben Austausch- und Reflexionsrunden eigentlich auch ein Besuch in Christiania auf dem Programm gestanden, der aber wegen eines riesigen Schneesturms abgesagt wurde.
Dafür bekamen wir am Mittwoch eine Führung zum Thema 'neuere dänische Geschichte' im Nationalmuseum. Mir hat das Seminar insgesamt unglaublich gut gefallen, und ich habe es als sehr sinnvoll empfunden, nach fünf Monaten nochmal neu über seine Ziele, Erlebnisse und Fähigkeiten nachzudenken.
Abgesehen davon ist in Kopenhagen viel mehr los als in Odense, die Stadt hat einfach Charme und es war toll, mit so vielen Gleichgesinnten die Cafes und Clubs der Hauptstadt zu entdecken. vier Tage waren eindeutig zu kurz, aber es gibt schon Pläne für die Winterferien Ende Februar...
Das war ein kleiner Einblick, was hier in Dänemark im Moment so vor sich geht. Vieles ist für mich einfach schon alltäglich geworden, das ist wohl einer der Gründe, warum ich nicht mehr so regelmäßig Beiträge schreibe. Trotzdem möchte ich Euch weiter auf dem Laufenden halten und freue mich, dass Ihr Interesse daran habt, was in meinem Leben los ist.
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