Halbzeit!
Das neue Jahr begann genauso stürmisch wie das alte aufhörte und auch nach der Hälfte meines EFD ist noch nichts alltäglich!
Wo ist die Zeit geblieben? Jetzt lebe ich schon seit sechs Monaten in Chisinau und damit ist schon mehr als die Hälfte meines Freiwilligendienstes vorüber. Ruhiger oder normaler ist es trotzdem nicht geworden.
Das neue Jahr begann zunächst mit einem riesigen Feuerwerk im Zentrum der Stadt und damit, dass alle Freiwilligen aus ihren Heimatländern wiederkamen. Bis auf zwei, denn es kam, wie es kommen musste und so bekamen Alicia und Caron keine Aufenthaltsgenehmigung. Weil sie aber immernoch ein paar Sachen in Chisinau hatten und es auch keinen richtigen Abschied gegeben hatte, machten Julia und ich uns Anfang Januar nach Bukarest auf, um die beiden dort zu treffen und ihre Sachen mitzubringen. Acht Stunden in einem Minibus, in dem non-stop vier Folgen einer sehr schlechten, russischen Krankenhausserie rauf und runter laufen und der immer wieder ohne ersichtlichen Grund irgendwo im Nirgendwo anhält, ist eine Tortur. Noch dazu hielten wir an der Grenze den ganzen Bus auf, weil Julia ihre Resident Card, also den Beweis dafür, dass sie legal mehr als 90 Tage in Moldawien ist, nicht mithatte. Zum Glück war der Grenzpolizist nett und so konnten wir Jackie anrufen, die uns dann die Nummer von Julias Karte durchgab und wir durften ausreisen.
Nach diesem Abenteuer und den restlichen fünf Stunden Fahrt war das Einzige, was wir wollten war ein richtiges Bett. Aber natürlich wurde auch da nichts draus und so war die Klingel am Tor zu dem Hostel, bei dem wir angefragt hatten, ob man auch nachts einchecken kann, kaputt und ans Telefon nahm niemand ab. Also suchten wir nach einer geöffneten Bar, kauften dort eine Cola und einen Cappuccino und verbrachten die nächsten vier Stunden halb schlafend und halb Teleshopping auf Dauerschleife guckend mit unserem Gepäck auf einem Sofa. Nicht wirklich ausgeruht versuchten wir es noch einmal bei dem Hostel, abermals ohne Erfolg. So beschlossen wir, erst einmal Geld umzutauschen, was sich bald als nächste Hürde herausstellte. Denn der moldawische Lei ist so wenig wert, dass niemand ihn haben will. Ergo: Umtauschen is' nicht! Aber wie so oft bei uns wechselten sich Pech und Glück sehr schnell ab. Und so trafen wir auf Roxana, eine sehr bemerkenswerte Dame von 80 Jahren, die uns ansprach, weil wir so verloren aussahen. Roxanas Großeltern kamen aus Deutschland und haben damals die erste Bierbrauerei in Bukarest eröffnet und so hat sie Deutsch gelernt. Sie arbeitete früher in der rumänischen Nationalbank und ist in ihrem Leben viel herumgekommen. Unter anderem war sie in Frankreich, Deutschland, den USA und Indien und spricht Englisch, Französisch und natürlich Rumänisch, Russisch und halt Deutsch. An dem Tag, an dem wir sie trafen, war sie gerade selber auf dem Weg zur Bank um die erste Rate für ihre kommende Brasilienreise zu bezahlen. Herzlich nahm sie uns mit, führte uns eineinhalb Stunden durch die Stadt, fragte bei Banken und Wechselstuben nach und erzählte uns nebenbei noch unglaublich viele interessante Fakten und Anekdoten zu zahlreichen Sehenswürdigkeiten und Gebäuden der Stadt. Letztendlich fanden wir tatsächlich jemanden, der moldawischen Lei wechselte. Leider musste Roxana danach schon sofort weiter, dabei hätten wir sie wirklich gerne zum Kaffee eingeladen. Völlig übermüdet und extrem beeindruckt von der Herzlichkeit dieser unglaublichen Frau standen Julia und ich in einer fremden Stadt und wussten: Wenn wir 80 sind, wollen wir so sein wie Roxana.
Da wir nun Geld hatten, checkten wir in ein anderes Hostel in der Nähe unseres eigentlichem ein und waren dankbar, endlich eine Matraze und ein paar Stunden Zeit zu haben. Gegen Abend kamen auch Alicia und Caron bei uns an. Es gab ein großes Hallo, wir gingen essen und am nächsten Tag machten wir eine Tour durch die Stadt. Julia und ich fanden tatsächlich den Weg in die Innenstadt, den wir den Tag zuvor mit Roxana gegangen waren und sogar den Weg zum Fluss, den sie uns beschrieben hatte. Am nächsten Tag mussten Julia und ich allerdings schon wieder nach Chisinau zurück, aber wenigstens gab es dieses Mal einen richtigen Abschied.
Zuhause wartete schon die nächste Überraschung auf uns. Jackie konnte die Kakerlaken in unserem Haus nicht mehr ertragen und so schickte unsere ADVIT jemanden, um unsere Küche zu vergiften. Außerdem hatten wir eine Maus, Pixie und es wurden Fallen aufgestellt. Wir dachten, es handele sich um Lebendfallen. Später stellte sich aber heraus, dass dort Gift drin ist. Da wir Pixie ja aber gar nicht vergiften wollten, blieb uns nichts anderes übrig, als die Fallen wegzuwerfen, nachdem wir sie zusammen geöffnet hatten, um zu wissen, ob wir Pixie getötet hatten oder nicht. Nachdem wir jeden Mal vorm Öffnen einer Falle einen mittelschweren Nervenzusammenbruch erlitten, stellte sich heraus, dass Pixie lebt! Nur nach der Verpestungsaktion in unserer Küche ist sie scheinbar durch irgendein Loch in der Wand zu unseren Nachbarn geflohen.
Obwohl oder vielleicht gerade weil danach etwa 200 Kakerlaken elendig auf unserem Küchenboden verreckten, zog Jackie in eine andere Wohnung und ein Zimmer stand mal wieder leer. Diese ganze Aktion war also, wie man sieht, sehr sinnvoll und gar nicht stressig. Aber immerhin haben wir keine Kakerlaken mehr.
In der gleichen Woche, in der Jackie bei uns auszog, wurde ich 20 und Jackie und Julia hatten zu diesem Anlass nicht nur eine Überraschung für mich. Der Tag begann damit, dass ein großes Plakat mit der Aufschrift „Happy birthday Pia! Love from Julia & Jackie“ in bunten Buchstaben unsere Küche schmückte. Weiter ging es damit, dass ich bei der Arbeit früher nach Hause geschickt wurde. Zuhause warteten die anderen beiden schon mit selbstgebackenem Kuchen, Geschenken und einem MinnieMouse-Luftballon auf mich. Abends ging es dann, da es mitten in der Woche war, mit ein paar Freiwilligen zu LaPlacinte, unserer Lieblings-Restaurantkette mit traditionellen Gerichten, und ich bekam ganz viele Ständchen auf verschiedenen Sprachen gesungen. Mein absoluter Favorit ist immer noch Schwedisch, das klingt einfach total witzig! Für das Wochenende hatten sich Julia und Jackie auch etwas überlegt und so wurde ich unter dem Vorwand, wir müssten für die Überraschung irgendwo hingehen und ich würde den Weg erkennen, mit verbundenen Augen etwa 50 Minuten lang durch den Schnee durch Chisinau geführt, um mich später in unserer Wohnung wiederzufinden, wo viele andere Freiwillige für eine Überraschungsparty gekommen waren. Juhu! :)
Bald darauf folgte das nächste Highlight des Jahresanfangs. Helene, eine Freiwillige aus Belgien gab einen Bollywood-Tanzworkshop, an dem viele Freiwillige, aber auch einige Moldawier teilnahmen. Das Ganze sorgte für zwei Stunden voller Lacher und wir können nun alle wie in den Filmen tanzen. Zumindest theoretisch, es hapert noch ein wenig an der Eleganz.
Mitte Februar kamen dann auch mal die Weihnachtspakete und ein Geburtstagspaket meiner Eltern in Moldawien an. Nach einer mehr als zweimonatigen Reise mit einem riesigen Umweg über die Malediven (an die deutsche Post: MOLDOVA = MALDIVES? Ich glaube nicht!) schafften sie es doch noch bis nach Chisinau. Ich hatte ja den Glauben daran, dass sie ankommen schon fast verloren.
In der nächsten Woche ging es dann los zum Mid-term Meeting, dem Zwischenseminar, was in einem moldawischen Dorf stattfand. Dazu aber mehr im nächsten Bericht.
P.S.: Ich lasse mir dieses Mal auch nicht ganz so viel Zeit ;)