Grün, Grüner, St. Patrick's Day
Mitte März gab es das Großereignis im Irischen Kalender - St. Patrick's Day.
Doch wie wird dieser Feiertag in einem kleinen Dorf begangen?
St. Patrick's Day. Der große Tag ist da, der 17. März. Ganz Irland ist aus dem Häuschen – und noch grüner als sonst. Hellgrüne Hüte, glitzergrüne Haarreifen, dunkelgrüne Kleeblätter, alles ist vertreten. Dieses Jahr fiel der irische Nationalfeiertag auf einen Montag – das heißt, dass das große Feiern sicherheitshalber schon auf den Sonntag vorverlegt wurde, damit man am nächsten Tag ja genügend Zeit hat, den Kater auszuschlafen.
Die Pubs werden an diesem einen Abend wahrscheinlich den Umsatz des Jahres gemacht haben, so überlaufen wie sie waren. Jedes alleinerziehende Elternteil, und das sind hier zwischen 50 und 75 Prozent, hat sich im Vorfeld verzweifelt die Finger wund telefoniert, um die Kinder betreut zu wissen und allein ausgehen zu können. Einen Abend mal die Freiheit in vollen Zügen einatmen und alle Energie ins Tanzen verwenden können! Ein Traum! Demzufolge war die Stimmung in den Pubs großartig und selbst ein eingefleischter Partymuffel, wie ich einer bin, konnte sich prächtig über plumpe Anmachversuche der leicht angetrunkenen älteren Generation amüsieren – zumindest bis um 1 Uhr Nachts. Dann müssen Pubs in Irland nämlich schließen.
Somit ziehen alle eben in den nächsten Nachtclub um – der darf immerhin bis um 2 Uhr geöffnet haben. Das ist eine gesetzliche Vorschrift, wo selbst am St. Patricks Tag keine Ausnahme gemacht werden darf. Durch solche Maßnahmen versucht die irische Regierung den Alkoholkonsum bzw. das massive Alkoholproblem in den Griff zu bekommen, was in der Praxis aber nicht viel nützt. Die feierwütigen Menschen gehen dann anschließend eben auf Hauspartys, wo sie bis in die Morgenstunden hinein ihr geselliges Zusammensein mit den verschiedensten mehr oder weniger schmackhaften Tropfen begießen.
Entsprechend kontrastreich ruhig war der nächste Morgen – der eigentliche St. Patricks Tag. Nur vereinzelte Wagemutige huschen schlafwandelnd durch die vom gestrigen Trubel noch völlig erschlafft wirkenden Straßen. Keine lieblich knallenden Autotüren vor meinem Fenster wecken mich. Es ist eine schon unwirkliche Stille. Nur langsam wird es belebter und die Iren bereiten sich auf den großen Traditionsprogrammpunkt des Tages vor: St. Patricks Tag bedeutet neben grün und feiern nämlich vor allem eines – Paraden. Jedes noch so kleine Dörfchen aktiviert all seine Bewohner, sämtliche Schulen, jegliche Art von Vereinen oder Firmen, kurz gesagt einfach jeden, an der Parade teilzunehmen und eventuell den heiß umkämpften Preis für den besten Beitrag zu bekommen.
Was bei uns Fasching ist, ist hier St. Patricks Tag – nur etwas niveauvoller. Da quasi das ganze Dorf dann demzufolge an der Parade teilnimmt, ist zumindest in den kleinen Ortschaften die Zuschauerzahl dementsprechend unwesentlich kleiner, als von naiven Touristen angenommen. Die ganze versammelte, aufgeregte Masse schafft es sogar, das unglaubliche Kunststück fertig zu bringen, auf dem winzigen zentralen Platz des Dorfes die Parade freudvoll zu erwarten, ohne sich gegenseitig auf die Schuhe zu treten oder den großzügigen Platz zum Stehnachbarn maßgeblich zu verringern! Alle Achtung! Jedenfalls ist die Parade das Großereignis und darum hat natürlich auch die Grundschule teilgenommen. Lediglich eine Woche vor der Parade hatte sie sogar schon ein Thema für ihren Beitrag gefunden und wo wir Deutschen verzweifelt die Hände ringend vor uns hinstammelnd fragen: „Ihr wollt in einer Woche Kostüme für alle Schüler finden, ein Wikingerschiff bauen und einen Rundturm kreieren? Und das alles während der Schulzeit?“, antwortet der Ire nur: „It's going to be grand!“, was so viel heißt wie: „Es wird schon werden.“
Ok, wenn die meinen …. Am Ende hatten sie es tatsächlich geschafft. Aber nur Dank der tatkräftigen Unterstützung der vielen Eltern, die ihrer Fantasie einmal freien Lauf gelassen haben und mit Hingabe, liebevoller Geduld und verspielter Detailarbeit die prächtigen Hauptkulissen zusammen zimmerten. Doch warum brauchten sie die ganzen Kulissen, Mönche, einen Rundturm und Wikinger? Ganz einfach – das Thema hieß Brian Boru. Brian wer? Noch nie gehört? Das ist nicht so schlimm, selbst Iren geben zu, nicht sonderlich viel über ihn zu wissen, außer, dass er der einzige irische Hochkönig war. Würde man die Deutschen nach Karl dem Großen fragen, würde denen aber vermutlich auch nur Deutscher Kaiser einfallen … Doch von Brian Boru werde ich ein anderes Mal mehr berichten, nämlich dann, wenn ich mich etwas mehr belesen habe, wer denn dieser ominöse König war, der die Wikinger angeblich verjagt hat. Ja und so kam es, dass 120 Schüler, Eltern und Lehrer zusammen mit den tatsächlich noch rechtzeitig fertig gewordenen Kulissen an der Parade teilnahmen.
Also betrat umgeben von seinen treuen irischen Gefolgsleuten und angekündigt vom Getöse der Zamba-Band der Schule der hochwürdige Brian Boru höchtspersönlich die kurvige Hauptstraße von Ennistimon, die sich vor lauter Ehre gleich Richtung Ortsmitte hin verneigte. Hinter seiner Hoheit kamen die ganzen Mönche. Diese hatten ihren armen zitternden Rundturm noch schnell auf ihrer Flucht vor den Wikingern mitgenommen, die gerade die Kirchenschätze zu rauben pflegten. Rundtürme sind in Irland meist neben Kirchen oder Klöstern zu finden und dienten vermutlich als Zufluchtsort oder Schatzkammer bei Angriffen. Augenscheinlich ist diesem Exemplar in der Parade hier ebenfalls ein gehöriger Schrecken vor den Wikingern in seine steifen Glieder gefahren, sodass er die Mönche gebeten hatte, ihn mitzunehmen. Hinter den ganzen Geistlichen liefen die in der Sonne strahlenden geraubten Schätze und abschließend – die Wikinger. In ihrem gefährlich schwankenden, von Schülern überfüllten Boot kontrollierten sie majestätisch das Ende des Schülerzuges. Was für ein Anblick! Unbeschreiblich!
Die Schule hat für diese Präsentation übrigens den ersten Preis bei der Parade gewonnen - auch wenn es durchaus noch andere potentielle Preisträger gegeben hätte: Die Firma beispielsweise, die Sturmschäden beseitigt, hatte einen der wenigen noch in Clare herumstehenden Bäume öffentlich auf ihrem Wagen zersägt, während der Kabelexperte auf seinem luftigen Ausguck am Masten erst einmal ein Teepause einlegte. Dann gab es noch den Supermarkt, der ein Familienrennen auf offener Straße veranstaltete: Erst mussten die Kinder mit 5-Liter-Wasserkanistern in den Händen, dann die Mütter mit Holzbalken unter den Armen und abschließend die starken Väter mit Heuballen auf den Rücken die Feststrecke entlang sprinten. Natürlich wurden sie dabei lauthals von der umstehenden Masse begeistert angefeuert!
Ja, ich muss sagen, ich habe es nicht bereut, mich nicht den ganzen Erquetschungen und Atemnotattacken in den überfüllten Straßen der größeren Städten ausgesetzt zu haben. Wozu brauche ich beeindruckende Militäraufmärsche oder schillernde teure Kostüme in der Parade, wenn auf dem Dorf doch ein ganz anderer, liebevollerer Charakter vorherrscht? Hier kenne ich wenigstens die Menschen, habe Platz zum fotografieren und kann das Spektakel einfach nur genießen … Ja, das war ein herrlicher St. Patricks Tag.