Gesundheitssystem im Vergleich: Ein erster Besuch im russischen Krankenhaus
Das russische Gesundheitssystem. Es gibt viele Vorurteile darüber, aber kaum Wissen und Erfahrung. Für januschka ändert sich das, als sie für Ihren Freiwilligendienst in Russland zur Voruntersuchung muss.
Freiwillige, die, wie ich, im Kinderheim in Pawlowsk arbeiten, müssen, weil deutsche Untersuchungen in Russland noch immer nicht anerkannt werden, in der ersten Woche ihres EFDs eine russische Klinik besuchen, um Unterlagen, die ihre körperliche Gesundheit bestätigen, zu erhalten. Diese Prozedur beinhaltet eine frauenärztliche Untersuchung, mehrere Blutabnahmen für einen HIV- und Syphillis-Test, Röntgen des Brustkorbs, Abtasten des Körpers, mehrere Spritzen (deren Zweck ich nicht verstanden habe) und mehrere Impfungen.
Ich war, hatte ich alle diese Untersuchungen sinnloserweise auch in Deutschland schon über mich ergehen lassen müssen, vergleichsweise ruhig und gelassen, als ich mit meiner Koordinatorin Dascha zur Polyklinika fuhr.
In Russland finden fast alle medizinischen Unternehmungen in multidisziplinär besetzten oder auf ein bestimmtes Fachgebiet spezialisierten Polykliniken statt. Es gibt kaum Ärzte mit eigenen Praxen.
In der Klinik gibt es mehr Warteräume als Untersuchungszimmer, so ist der Kranke immer wieder gezwungen, sich an ein neues Fenster zu stellen, um einen neuen Zettel zu erhalten, mit dem er das nächste Wartezimmer betreten darf.
Das russische Gesundheitswesen ist, wie ich seit heute bestätigen darf, in Deutschland zu Recht mit negativen Vorurteilen behaftet. Nach meinen Recherchen sind 70% der russischen Bürger mit ihrem Gesundheitswesen unzufrieden. Zu meinem Erstaunen existiert in Russland tatsächlich eine Pflichtversicherung für alle Bürger, die eine kostenlose medizinisch-pflegerische Versorgung gewährt. Einige Arbeitgeber bezahlen eine zusätzliche freiwillige Versicherung, die die Versorgung allerdings nur wenig verbessert. Es gibt private Kliniken, wie in St. Petersburg die amerikanische Klinik, die aber sehr teuer ist. Viele Untersuchungen, wie alle Impfungen, müssen auch in regulären Krankenhäusern von privater Hand getragen werden.
Mit dem, was ich heute gesehen habe, kann ich bestätigen, dass tatsächliche Mängel in der Versorgung bestehen. So kommen zu den ewig langen Wartezeiten fehlendes Personal, relativ ungeschultes Personal (aufgrund der politischen Isolation während der Sowjetunion, in der kein Austausch mit westlichen Forschern bestand) und Mangel an Medikamenten und technischen Geräten.
Sogar der ehemalige Präsident Putin gesteht ein: "Man muss konstatieren, dass das munizipale Netz der Gesundheitsversorgung in einem bedauernswerten Zustand ist." (Flemming, von 2006, S.2). Dennoch werden Subventionen für das Gesundheitswesen ständig gekürzt.
Die Klinik, in die Dascha mich brachte, befand sich jedenfalls in einem ganz normalen Hochhaus in den ersten beiden Stockwerken. Darüber befinden sich Mietwohnungen.
Mein Klinik-Marathon begann mit der frauenärztlichen Untersuchung, die ich hier nicht genauer erläutern möchte. Weil mir, nachdem ich aus dem Untersuchungszimmer trat, schwindelig war, setzte ich mich noch einmal im Wartezimmer hin.
Etwa eine halbe Stunde später wachte ich auf, ich lag auf dem Boden, etwa zehn Krankenschwestern, alle spindeldürr und auf zehn-Zentimeter-Absätzen, und zwanzig Patienten drängten sich um mich, schüttelten mich und tropften mir Wasser auf die Stirn.
Die Ärzten, zu der ich aufgrund des Ohnmachtsanfalls gebracht wurde, sagte, das ihr so etwas noch nie passiert sei, nahm mir ungefähr fünf mal Blut ab, spritzte mich in den Hintern und gab mir sehr stark gesüßten Kaffee zu trinken. Diese Prozedur verbesserte mein Unwohlsein nicht gerade, aber ich riss mich zusammen und zählte bei jeder Spritze im Kopf auf zehn, um mich abzulenken.
Als mir wieder besser war, erledigten Dascha und ich die restlichen Untersuchungen.
Der offensichtliche Unterschied bestand für mich im Mangel der Privatsphäre in russischen Krankenhäusern. Als ich im Zimmer nach meiner Ohnmacht behandelt wurde, kamen ständig Patienten herein, und fragten wie es mir geht. Auch hat nie ein Arzt (außer die Frauenärztin zum Glück!) ein eigenes Behandlungszimmer; es gibt in jedem Zimmer mehrere Ärzte, es werden also mehrere Patienten gleichzeitig behandelt. So muss man nicht nur vor fremden Patienten seine Krankheiten erklären, sondern sich auch ausziehen und so weiter.
Eine persönliche Beziehung, wie viele Deutsche sie zu ihrem Hausarzt pflegen, gibt es hier nicht, da man sich seinen Arzt nie aussuchen darf.
Mein Krankenhausaufenthalt heute war also eine Erfahrung, ein weiteres Puzzleteil in meinem Russlandbild, und auch wenn die russischen Methoden und die Versorgung nicht die beste ist, so habe ich doch die Ärzte und Schwestern (und auch die anderen Patienten) als sehr viel besorgter und herzlicher erlebt als viele deutsche Ärzte.
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