Geschichtsstunde auf der Leinwand
Der Kinofilm “Miasto 44” bricht in Polen alle Kassenerfolge. Die eigene Geschichte ist ein Publikumsmagnet wie auch andere erfolgreiche Filme der letzten Monate zeigen.
Auch in Deutschland wird gerne jeder Aspekt der eigenen Geschichte ausgeleuchtet und öffentlich-rechtlich dramatisiert und heroisiert. Wie stolz war man vor einigen Jahren, den Zweiten Weltkrieg zu schildern wie ihn „Unsere Mütter, unsere Väter“ erlebt hatten. Keine großen Widerstandskämpfer, keine Schreibtischtäter, sondern normale Menschen, die in schlechten Zeiten ihre schlechten Seiten offenbaren. Keine Helden an der Front waren diese jungen Männer und Frauen, aber desillusioniert und damit doch menschlich. Schade nur, dass bei dieser schauspielerischen Charakterstudie im Gefechtsschlamm einige historische Fakten verloren gingen. Dabei sollte es doch grade kein Schwarz-Weiß-Porträt sein, stattdessen menschliche Grautöne im grauen Schrecken des Krieges. Warum also ist die polnische Heimatarmee dann fast antisemitischer dargestellt als die Wehrmacht? Die Empörung bei unseren Nachbarn war groß, denn die Armia Krajowa wagte den Widerstand im besetzten Polen, leistete eben keine Kollaboration, sondern rettete Juden. Die Kämpfer im Untergrund sind Nationalhelden eines Volkes mit der größten Zahl an „Gerechten unter den Völkern“.
Der Zweite Weltkrieg, dieser traurige Höhepunkt an jahrhundertealter Verstrickung deutsch-polnischer Geschichte, ist auch ein wiederkehrendes Thema im polnischen Kino. Die Nazis sprechen dabei übrigens richtiges Deutsch, nicht wie die meisten Polen in „Unsere Mütter, unsere Väter“, die mit stark deutsch gefärbtem Akzent Polnisch daherredeten.
„Kamienie na Szaniec“ (in etwa „Steine auf der Schanze“) erzählt vom Widerstand der Pfadfinder in Warschau. Der diesjährige Kinofilm nimmt sich ein wichtiges Stück polnische Literatur als Vorlage. Das gleichnamige Buch wurde schon während des Krieges von der Untergrundpresse veröffentlich und erzählt die fiktionalisierten Heldentaten echter Jugendlicher aus den 40er Jahren. Jedes Schulkind in Polen kennt die atemraubenden Aktionen und ihr schmerzliches Ende. Robert Gliński verfilmte die wahren Abenteuer mit jungen Talenten der besten Schauspielschulen, eckte aber auch durch seinen sorglosen Umgang mit der Vorlage an.
Doch auch die Zeit der kommunistischen Diktatur wurde in den letzten Monaten filmisch aufgearbeitet. Die „Wałęsa“-Biografie über diesen Helden der Danziger Werft wurde sogar für einen Oscar vorgeschlagen. Ein erster Kassenschlager war dieses Jahr der Spionage-Thriller „Jack Strong“ in bester Kalter-Kriegs-Manier. Der Titel war Deckname eines ranghohen Militärs der Volksrepublik, welcher zum wichtigsten polnischen Spion des CIA wurde. Kukliński verriet wichtige Geheimnisse über den Warschauer Pakt und konnte mit seiner Familie dank der Amerikaner aus Polen fliehen kurz bevor der Kriegszustand 1981 in Kraft trat. Dafür wurde er in Abwesenheit zum Tode verurteilt, nach Ende des Kalten Krieges wurde das Strafmaß in eine Freiheitsstrafe umgewandelt und erst 1997 wurde „Jack Strong“ rehabilitiert. Er ist kein eindeutig gefeiert Nationalheld, das polnische Volk ist gespalten, ob er seinem Land so geholfen hat. Der Film lässt keinen Zweifel und zeichnet das Bild eines Patrioten, der sein Land von der Macht der Sowjets befreien will.
Und schließlich läuft diesen Monat der vom Regisseur jahrelang erarbeitete Erfolg „Miasto 44“. Der Film verfolgt das Schicksal junger Widerständler in der Stadt (poln. miasto) Warschau während des Aufstands 1944. Die Hauptstadt zeigte sich den Nazi-Besatzern immer wieder rebellisch. Als Deutscher tut man übrigens gut daran, diesen Aufstand im Gespräch mit Polen nicht mit dem Aufstand der jüdischen Ghettobewohner von 1943 zu verwechseln. Beide Male endete das Aufbegehren aber mit einem grausamen Machtbeweis der deutschen Okkupation. Wer heute durch Warschau läuft, mag es kaum glauben, dass die Deutschen damals nicht nur die Partisanen und Zivilbevölkerung massakrierte, sondern auch die Stadt an sich Stein für Stein in Asche legte. Die polnischen Restauratoren haben eine Glanzleistung beim Wiederaufbau der Altstadt vollbracht. Vor 70 Jahren wüteten dort Panzer und Granaten gegen den Aufstand des polnischen Volkes unter Organisation der Armia Krajowa. Ihr könnt einen Blick in den Trailer (mit englischen Untertiteln) von „Miasto 44“ werfen: http://www.youtube.com/watch?v=qr2xzv4k5v4 Er zeigt vor allem Blut, Verzweiflung und viele Explosionen sowie den unbändigen Stolz und Kampfgeist einer jungen polnischen Nation.
Es war ein gut dokumentierter Kampf. Der polnische Untergrund hatte eigene Kameraleute, um ihren Widerstand für die Nachwelt zu dokumentieren. Diese unter Lebensgefahr entstandenen Aufnahmen dienten auch als Grundlage für den diesjährigen Doku-Kinofilm „Powstanie Warszawski“ (Warschauer Aufstand). Nachkoloriert und nachvertont erzählt er das Schicksal echter Kämpfer und Kämpferinnen.
Und falls ihr nach dieser kleinen Geschichtsstunde auch noch die GANZE polnische Geschichte in EINEM Film sehen wollt, habe ich hier einen Link für euch. Versteht sich ganz ohne große Worte: http://www.youtube.com/watch?v=stEuQamTLXw
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