Gemeinsam fremd zu sein verbindet!
Es vergeht kaum ein Nachmittag, an dem wir uns nicht auf einen Kaffee und eine Zimtschnecke treffen und uns wundern, dass wir uns erst eine Woche kennen!
Ich habe Romara, eine niederländische Freiwillige, bei einer zweistündigen Stadtführung getroffen und seitdem ziemlich gut kennengelernt. Von der Führung ist uns nicht viel geblieben, da wir vor allem damit beschäftigt waren uns vor dem eisigen Wind zu schützen, aber dafür umso mehr von unserer Bekanntschaft. Gemeinsam haben wir die Stadt noch einmal neu kennengelernt.
Beim Joggen am, von Anglern gesäumten, Flussufer verlässt man schon bald die Stadt und kommt in einen kleinen Wald. Dabei kommt man allerdings stark in Versuchung bei diverse Schaukeln halt zu machen. Die Esten sind Weltmeister im Sportschaukeln (Kiiking) und Schaukeln hat hier eine jahrhundertalte Tradition. Anstatt von üblichen Parkbänken, hängen die Bänke hier an Schaukelseilen und in jedem Ort gibt es in eine große Holzschaukel, auf denen man im Sommer zusammenkommt, schaukelt und feiert. Einen der seltenen Sonnentagen haben wir gleich ausgenutzt, eine Bootstour gemacht und uns ausnahmsweise mal wie Touristen gefühlt. Tatsächlich fühle ich mich in Tartu aber schon fast zuhause. Mittlerweile habe ich den billigsten Supermarkt gefunden und einen Büchereiausweiß erstellt. Gemeinsam mit Romara teste ich ein Café nach dem anderen in der Stadtmitte aus und kenne nach einer Woche bereits sechs verschiedene.
Neben den Entdeckungen, die ich in Tartu mache, lerne ich auch im Museum jeden Tag etwas Neues. Bei den „Monday Meetings“ wird der sehr komplexe und undurchsichtige Terminkalender für die nächste Woche besprochen und die unbeliebten „Babysittigen“ Zeiten zugeteilt, wie wir die Besucher Betreuung nennen. Bisher höre ich mir die Touren an, die jeder auf seine ganz persönliche Art und Weise gibt, aber vor allem lerne ich die verschiedenen Arbeitsschritte bei der Herstellung von Produkten kennen. Einen ganzen Tag bin ich damit beschäftigt, Schriftzüge mit einer 150 Jahre alten „Gutenbergpresse“ auf Cover zu drucken und ein weiteren damit großen Bögen Papier mit der „Guillotine“ millimetergenau in ein bestimmtes Format zu schneiden. Die Arbeit erfordert häufig sehr viel Konzentration und die meisten meiner Produkte bestehen noch nicht die prüfenden Blicke Agnieszkas. Täglich kommen neue Kistenmit Büchern an und mittlerweile denke ich schon gar nicht mehr an den Inhalt, wenn ich ein Buch in der Hand halte. Vielmehr überlege ich mir, dass das Format gut für ein „College-Notebook“ passen würde oder dass es schade ist, dass das schöne Cover, wegen seinem Papierrücken, nicht verwendbar ist. Während man gerade einen nicht besonders Aufmerksamkeit fordernde Tätigkeit ausübt kommt man jedoch sehr gut miteinander ins Gespräch. Die anderen Mitarbeiter haben alle ihr Spezialgebiet von dem sie mir viel erzählen und beibringen können. So studiert Mana noch Grafikdesign, während sie bereits seit Jahren die künstlerische Leitung über das Museum hat und Linolschnitte anfertigt oder Poster gestaltet. Maarja ist für die Öffentlichkeitsarbeit und Entwicklung von neuen Workshops oder Events verantwortlich und kommt bei jedem Monday-Meeting mit einer neuen Idee heraus, die auf die ständig wachsende To-Do Liste gesetzt wird. Agnieszka ist für Herstellung der Notizbücher verantwortlich und widmet sich ihrer Aufgabe mit viel Herzblut und sehr klaren Vorstellungen, wie das fertige Produkt auszusehen hat. Natürlich fehlt noch Lemmit, der Problemlöser, mein Ansprechpartner und vor allem Kopf und Gründer des Museums. Damit sind die Hauptcharaktere vorgestellt, die ihr in den weiteren Blogeinträgen bestimmt noch besser kennenlernen werdet.
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