Gața
"Ohana semnifică familia, familia semnifică ca nimeni să fie lăsat în urmă, sau uitat."
Das Ende meines EVS.
Freunde der Wolken.
Ich schreibe euch aus NRW. Dieser Artikel markiert das Ende meines Jahres in Cluj-Napoca. Ich sitze in meinem 1,40 Bett mit Fotografie von meiner Schulzeit, wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich nicht den Canalul Morii und das NTT Gebäude, sondern zwei Bäume und die graubraunen GEWO-Wohnungen meiner Nachbarschaft.
Apathie
Es ist nicht gerade super, wie viele Google-Ergebnisse über richtige Post-Erasmus-Depressionen man bei der Suche nach sowas wie “Auslandsjahr Rückkehr” bekommt. Ich fühle mich im Moment nicht einmal traurig, oder frustriert. Ich fühle mich, als wäre mein Zeit in Cluj bereits Monate her, und bin so leer, wie ich es noch nie in meinem Leben war. Gestern Abend habe ich im Bett das Abschlussvideo aus der Kita angesehen, bei dem Juliana und ich uns letzte Woche weinend in den Armen lagen. Ich hatte keinerlei emotionale Reaktion.
Ich vermisse die stehende, glühende Luft zwischen dem Asphalt, Alkies laute Musik in unserer Wohnung und Julianas Akzent, ich vermisse Streits um ungespültes Geschirr und spontanes Ausgehen mit meinen Freunden dort, ich vermisse den wunderschönen Klang der rumänischen Sprache und das Gefühl, wenn man langsam beginnt sie zu verstehen, ich vermisse den Geschmack von Kaffee und Currypulver dort und die Kinder, ich vermisse meine “wall of craziness” und den Geruch von Gogosi und Covrigi an jeder Ecke, ich vermisse es selbstverständlich “gata” und “bine” und “hai aica” in meine Sätze einzubauen, ich vermisse jedes einzelne Detail. Aber diese Sehnsucht ist im Moment mit keiner Emotion verknüpft.
Letzte Tage
Und dabei habe ich die letzten Tage und Wochen praktisch nonstop heulend verbracht. Montag fuhren Lehel und Emoke in den Urlaub… naja, da hab ich noch nicht geheult. Und tschüss. Ich begann, meinen Koffer ernsthaft zu packen, und sagte mit Juliana auf Wiedersehen zu Bogdi und Tuddi. Wie immer gab Bogdi mir einen Kuss, und als er meine Tränen sah, schaute er ganz pikiert und meinte nur “Nu mai plânge, Lena!”. Die einzige, die noch mehr weinte als ich, war Juliana. Bogdi und Tuddi sind für sie, was Petru und Floris für mich sind.
Das war der letzte Arbeitstag der Kita, also verabschiedeten wir uns auch von Csilla. Sie hat mich in den ersten paar Wochen so eingeschüchtert, mit ihrem wütenden Blick, dem dicken Eyeliner und ihren pechschwarzen Haaren. Und nun kenne ich kaum eine großherzigere und verletzlichere Person als sie.
Abends bestellte Jojo Sushi, als verspätetes Geburtstagsessen. Kombiniert mit 8-Lei-Rotwein führt das natürlich zu tiefschwelgenden Gesprächen - was ziehen wir vier aus diesem Jahr? Bereuen wir irgendetwas? Wie haben wir uns verändert? Wie geht es jetzt weiter für uns? Ich kann mit den dreien endlich so offen sein wie mit kaum jemanden auf der Welt. Meine zweite Familie.
Prieteni
Später verabschiedeten wir uns alle von Bogdan (er hatte eigentlich nur mich nach einem Bier gefragt, das wurde dann zu einer halben Party, sowas passiert - nur Dora fehlte, die man partout nicht erreichen konnte). Ich war den ganzen Abend komplett antisozial vor Unglück, dass es das letzte Mal ist. Vor meiner Wohnung umarmten wir uns etwa fünfzehn Mal, es hörte gar nicht mehr auf, auch wenn er nunmal so ist wie er ist und keine fünf Sekunden die Klappe halten oder ernst bleiben kann (“Guck, auf den Nummernschild vom Taxi steht “HOT”, was da wohl abgeht” “Wenn du meine Tochter wärst und Tattoos hättest… ich würde dich nicht umbringen, aber zumindest enterben” “Entweder hab ich deine Haare im Gesicht oder du heulst bis hier oben”). Irgendwann muss aber jeder nach Hause, ich ging rein und die Tränen schüttelten mich am ganzen Körper.
Dienstagmorgen brachten wir Jojo zum Flughafen. Der erste Einriss in den Csemete Squad. Und schon wieder war ich am Heulen. Die Realität kam mit jeder Minute, mit jedem Abschied näher. Sogar Jojo, die eigentlich feste Wurzeln daheim hat, kamen ein paar Tränen.
Noch ein Tag
Den Tag musste ich mit den unangenehmen Aufgaben verbringen. Putzen, Koffer schließen, Lei in Euro tauschen, Zimmer leerräumen, Essen wegkochen - wobei dieser Teil sogar Spaß machte und ich die Einzige von uns dreien war, die etwas Essbares hinbekam.
Abends verabschiedete ich mich von Zsófi. Da mein Geldbeutel überquillt mit handgemachten Ringen, die sie mir im Laufe des Jahres geschenkt hatte, gab ich ihr zum Abschied einen selbstgebastelten Ring aus einer Gitarrensaite. Ich durfte ihr Büro sehen (die Aussicht!), bevor wir noch etwas trinken gingen und - wie bei jedem unserer Treffen - über Politik redeten. Der Abschied von ihr war schnell und abrupt, da fuhr sie auch schon weg mit ihrem Rad.
Es folgte noch Annas Geburtstag, zu dem abgesehen von uns dreien niemand auftauchte. Die Abwesenheit von all den Ex-EVSlern war so deutlich spürbar. Aber Olivia und Ruth waren da, und ich konnte noch ein letztes Mal zwei so verschiedene meiner Vorbilder sehen. Als ich mit Alkie nach Hause lief, sprach ich keine drei Worte, komplett überfordert.
Vorbei
Mittwoch war der Tag. Ich wachte mit tonnenschwerem Kopf auf, erledigte alle letzten Aufgaben wie auf Autopilot. Bogdan bot an, mich zum Flughafen zu fahren (an einem Mittwochmorgen, solche Freunde habe ich tatsächlich), er übergab mir ungefähr eine Millionen Abschiedsgeschenke, unter Anderem die Muffinform, mit der wir damals für Doras Geburtstag gebacken hatten. Und Antonio war natürlich mit Juliana dabei, es waren also nicht zu wenig Leute. Wie erwartet konnte ich meine Gitarre nicht mitnehmen und gab sie Antonio.
Und dann brauchte ich all meine Kraft. Um mich nach der sechsten oder siebten Umarmung zu lösen, um durch die Gepäckkontrolle zu gehen, um besorgten Leuten und Angestellten zu erklären dass ich nicht mein Gepäck verloren habe und wieso ich wie verrückt am Schluchzen bin, um hinter der Passkontrolle meinen allerletzten Blick auf die vier winkenden, mittlerweile ganz kleinen Figuren, auf mein Leben, abzuwenden.
Noch im Flieger schluchzte ich, dann haute mich eine überwältigende Müdigkeit um. Ungefähr da ist die Trauer dieser lähmenden Apathie gewichen, die bis jetzt anhält. Meine Mutter holte mich am Flughafen mit demselben Ballon ab, mit dem ich schon nach New York empfangen wurde, in meinem Zimmer lagen wie immer Süßigkeiten und in der Küche das bestellte Bäckersbrot. Und in mir nichts als Leere.
Es muss weitergehen
Was folgt in Zukunft? Vor dem Studium in Berlin, in der gefürchteten Zwischenzeit? An diesem Wochenende bekomme ich Besuch von einem meiner besten Freunde*. Meine Gefühle sind gespalten. Ich bin im Moment ganz sicher keine angenehme Gesellschaft für irgendjemanden. Aber das ist genau die Person, mit der ich im Moment reden möchte - und die auch im selben Land lebt. Hoffentlich nimmt mir das etwas von meiner Lethargie.
Dann habe ich noch eine kilometerlange To-Do-Liste, für die ich heute aber keine Energie finde. Zehntausend Abschlussberichte (eigentlich genau zwei, plus dieser Artikel, auf den auch meine Lokalzeitung wartet), Stipendienbewerbungen, Baföganträge, Wohnungssuche - und das Wiedererlernen meiner alten Hobbys, die in all dem Trubel sehr in den Hintergrund geraten ist. Ich möchte mich wieder konzentrieren, auf meine Gitarre, auf Musik, auf Singen, auf Lesen, auf Schreiben… ich möchte eine Verbindung herstellen zu der Person, die ich vor September 2016 war. Um sie wieder kennenzulernen und sie zum ersten Mal als Freundin zu betrachten, als gute Freundin, der man vergeben kann.
Ich könnte euch jetzt eine sentimentale Rede halten, von wegen, wie sehr ich gewachsen bin, wie toll ich die EU jetzt finde, was für eine wunderbare Erfahrung das Jahr war. Alles wahr. Aber für ein vernünftiges Fazit ist es viel zu früh, mein Kopf viel zu vernebelt. Ihr hört noch einmal von mir, in ein oder zwei Monaten, wenn ich den Verarbeitungsprozess zumindest beginnen konnte.
Bis dahin… macht EVS, Leute. Macht es. Wow.
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