Es weihnachtet im Lande
Salut und ein spätes frohes neues Jahr!
Nach einer langen Pause, in der ich ja viele meiner Freunde und Verwandte über Weihnachten persönlich getroffen habe, komme ich jetzt endlich mal wieder dazu einen Bericht zu veröffentlichen, bei dem es sich allerdings vorerst wieder nur um einen Nachtrag der Geschehnisse im Dezember handelt.
Bevor ich nach Rumänien kam, war ich aus irgendeinem Grund überzeugt, die zahlreichen Weihnachtsmärkte in der Adventszeit seien eine typisch deutsche (vielleicht auch noch österreichische) Tradition. Durch meine vielen Reisen in den letzten Wochen vor den Weihnachtsferien wurde ich aber eines besseren belehrt, denn der Monat Dezember bringt auch hier in Rumänien die Stadtzentren gründlich in Weihnachtsstimmung. Um die Vorweihnachtszeit hier mit der in Deutschland zu vergleichen, würde ich sagen, dass die Rumänen in jedem Fall eine große Vorliebe zu auffälliger Beleuchtung in den Straßen und auf den Weihnachtsmärkten, sowie für (mir manchmal zu kitschige) Weihnachtsdekoration - wie überlebensgroße Weihnachtsmänner, Pinguine oder Schneemänner aus Lichterketten - haben. Die Weihnachtsmärkte eröffnen Ende November oder Anfang Dezember mit dem „Einschalten der Lichter“ im Stadtzentrum, wobei mir als Besonderheit das obligatorische „Zelt“ aus Lichterketten, welches sowohl in Sibiu als auch in Timişoara, Arad und Oradea den geschmückten Platz mit seinen kleinen Buden überspannte, auffiel. Am besten hat mir der Weihnachtsmarkt in Sibiu gefallen, der abgesehen von den riesigen an die Wände der umstehenden Häuser gebeamten Schneeflocken (definitiv zu viel des Guten), sehr viel Charme in die Altstadt gebracht hat. Im Vergleich dazu war ich vom Stadtzentrum in Târgu Mureş leider eher enttäuscht: Nicht nur, dass statt dem „Zelt“ nur einen riesigen, rot, blau und silbern blinkenden Weihnachtsbaum gab, auch das Essens- (und Glühwein-) Angebot war deutlich beschränkter und der „Rosenplatz“ im Stadtzentrum war von obengenannten leuchtenden Weihnachtsgestalten bevölkert.
Zum Glück war in der Foundation ein meiner Meinung nach stilvolleres Feiertagsflair zu spüren. Die Adventszeit war, wie ich es gewöhnt bin, gut gefüllt und wir Freiwilligen dekorierten nicht nur das Gebäude, sondern nahmen auch an verschiedenen Weihnachtsfeiern teil. So kommen jedes Jahr über einhundert Kinder mit ihren Eltern zu dem vom Projekt START organisierten Nachmittag, an dem verschiedene „Workshops“ angeboten werden und Santa Claus persönlich an alle Geschenke verteilt. Auch Pepe organisierte eine kleine spanische (Weihnachts-)Party für die Kinder aus seinem Projekt, an der ich mich unglücklicherweise dazu überreden ließ, einen traditionellen sevillianischen Tanz vorzustellen, ohne vorher zu ahnen dass ein lokaler Fernsehsender das ganze aufzeichnen würde. Auf der Weihnachtsfeier mit unseren Kollegen hingegen kamen wir in ausgelassenem Rahmen in den Genuss, wieder einmal ungarische Volkstänze auszuprobieren, da nach dem Essen in einem Restaurant fast alle der über achtzig Mitarbeiter auf die Tanzfläche strebten.
Unsere Youngsters und wir bereiteten uns mit einem selbstgebastelten Adventskalender, der jeden Tag aufs Neue große Spannung und Freude hervorrief, einer Menge anderer Weihnachtsbasteleien, passenden Spielen, sowie Weihnachtsliedern in Deutsch, Englisch, Rumänisch und Ungarisch auf das bevorstehende Fest vor. Mit dem Jahr, neigte sich auch Ellens und meine Zeit im Projekt ATRIUM zu Ende, da im Januar der erste Wechsel vorgesehen war und wir fortan in PERSEVERENȚA mit Kindern mit Behinderungen arbeiten würden. Auch wenn wir wussten, dass dies sicherlich auch eine interessante neue Erfahrung darstellen würde, machte mich der Gedanke traurig, dann nicht mehr jeden Tag in meiner vertrauten Gruppe zu sein und ich hatte das Gefühl, viele Ideen teils aus zeitlichen, teils aus Gründen der Sprachbarriere bislang noch nicht umgesetzt zu haben. Auch die Youngsters und die Kollegen aus ATRIUM schienen ein bisschen traurig zu sein, jedenfalls bekamen wir in diesen letzten Wochen neben einem Gruppenfoto vom Reiten und Überlebenspaketen, bestehend aus Waschmittel, Shampoo, Zahnpasta etc. und sehr vielen Süßigkeiten auch selbstgebastelte Weihnachtskarten mit lieben Worten über die letzten Monaten geschenkt.
Ein wenig wehmütig verabschiedeten wir uns („Crăciun fericit!“ – „Frohe Weihnachten!“) nach deren Weihnachtsfeier, die mich mit ihren musikalischen Beiträgen, Gedichtvorträgen, Theaterszenen und einer erneuten Präsentation des Flashmobs für die Eltern der Youngster, stimmungsmäßig an unsere Schulkonzerte erinnerte. Doch zum Glück war es ja auch noch kein endgültiger Abschied und da ich nach wie vor im selben Gebäude sein werde, findet sich sicher ab und zu die Zeit, für einen kleinen Plausch im ATRIUM vorbeizuschauen.
Natürlich veranstelten wir auch in der internationalen WG-family noch ein eigenes kleines Weihnachtsessen mit italienischen Gnocchi, österreichischem Grießschmarrn, einem weiteren Nachtisch aus Portugal und meinem Lieblingsweihnachtsfilm im Anschluss. Die folgenden Tage machte sich jeder auf in sein Heimatland und für mich ging es ersteinmal für eine Woche nach zurück nach Deutschland, wo ich mich nach so langer Zeit, die mir allerdings überhaupt nicht lange vorkam, unglaublich freute, endlich meine alten Freunde und meine Familie persönlich wiederzusehen. Es war seltsam: Meinem Gefühl nach, war seit der Abreise im Oktober fast keine Zeit vergangen und obwohl natürlich extrem viel passiert war, kam es mir so vor, als habe sich in der Zeit nichts verändert und ich sei überhaupt nicht fortgewesen. Nach einer sehr schönen und entspannten Woche in meinem „alten Leben“ fühlte es sich allerdings auch bei der Rückkehr schon nach wenigen Stunden in Rumänien wieder so an, als habe ich das Land nie verlassen. Beruhigt, dass auch dieser kurzfristige Ortswechsel nicht den berüchtigten „Kulturschock“ bei mir ausgelöst hatte, trafen Ellen, Elisa, Julia und ich in Cluj-Napoca wieder zusammen und feierten gemeinsam mit unseren Freunden von hier und aus Arad ins neue Jahr 2017 hinein.