Endlich ein Himmelbett!
Früher Morgen und ich? Alles gepackt, was man so brauchen könnte? Wirklich alles? Das Wichtigste im Handgepäck? Meine Gitarre?
Früher Morgen und ich? Alles gepackt, was man so brauchen könnte? Wirklich alles? Das Wichtigste im Handgepäck? Meine Gitarre?
Das letzte Mal - also für zehn Monate - an diesem Frühstückstisch zusammen mit Mutti und Vati Kaffee trinken und dann los mit dem gesamten Kram, der mir den Aufenthalt in Edinburgh über diese Zeit erleichtern soll. Gedanken fliegen in meinem aufgewühlten Kopf nur so umher. Ich denke an den Abschied von allen Freunden - die Tränen, die Tragik, den tollen Sommer, die Erwartungen bezüglich jener Zukunft, die heute nun endlich starten soll: zum ersten Mal allein und irgendwo, wo eben keiner ist, den man kennt; zusammen mit Menschen, die man nicht einmal verstehen wird; in einem Haus, dessen Zustand man sich nicht auszumalen getraut. Würde ich sagen, ich wäre nicht aufgeregt, ich würde glatt lügen.
Die Abschiedsszenen am Flughafen Frankfurt/Main werden mich noch die nächsten Wochen begleiten und in jenen Momenten wieder auftauchen, in denen man zu spüren bekommt, wie viel man hinter sich gelassen hat und wie wichtig es einem war. Dennoch keimen immer wieder diese Gedanken der Dankbarkeit in mir auf, dass ich hier sein darf und mich die Menschen DOCH verstehen (wenn auch nur mit Händen und Füßen), dass ich nützlich bin und kompetente Unterstützung habe, sobald ich sie irgendwie brauche.
Doch vorerst steht eine Konferenz mit anderen Freiwilligen in Birmingham an. Erste Hürde auf diesem freiwillig gewählten Weg, Kontaktspiele, Infos rund um den Einsatz und die Menschen, Reflexionszeiten, neue Bekanntschaften und Gebetszeiten, welche einen für mich ebenso neuen Aspekt in meinem Leben darstellen.
Ich begegne den Menschen, mit denen ich von nun an meine Zeit verbringen werde, analysiere unbewusst, beurteile ungewollt, bin erfreut, gespannt, erschrocken, unklar, was das denn wohl geben würde in dieser WG. Ich werde über die Zeit davon belehrt werden, dass man mit allen Menschen zusammen leben kann, seien sie noch so verschieden und es wird mich harte Diskussionen kosten, das heraus zu finden!
Und endlich nach ein paar Tagen Konferenz heißt es für alle anwesenden Freiwilligen: ab zu den Einsatzstellen! Mit pochendem Herzen geht es hinein in den Bus, der mich gemeinsam mit zwei meiner Mitbewohnerinnen und dem Gepäck einer gesamten Reisegruppe nach Edinburgh fährt. Wir erreichen die Stadt bei Nacht, dürfen den ersten Eindruck der beleuchteten City bewundern und das über der Stadt thronende Schloss als bezauberndes Omen dafür nehmen, dass diese wundervolle Stadt genau die richtige Wahl unserer Gast-Organisation „TimeforGod“ war und wir uns hier pudelwohl fühlen werden.
Und so ist es auch, wie ich wenig später Tag für Tag feststellen darf. Das bedeutet nicht, dass es von Anfang an einwandfrei und problemlos gelaufen wäre. Eher im Gegenteil. Dennoch wird mich dieses Gefühl, hier richtig, nützlich und glücklich zu sein, wohl den restlichen Teil meiner Reise begleiten.
Wir erreichen das Haus, in dem ich von nun an wohnen werde. Eine blaue Eingangstür begrüßt uns drei Freiwilligen. Ansonsten kann man durch die Dunkelheit noch nicht allzu viel sehen. Das ist vielleicht besser so, wie wir in späteren Gesprächen herausfinden. Zwei Mädchen begrüßen uns im Wohnzimmer wild, aufgewühlt und gut gelaunt. Wir drei, von der Fahrt ermüdeten und den ersten Eindrücken überfallenen „Aussteiger“, wissen nicht wirklich, wie wir auf dieses „Welcome“ reagieren sollen. Nebensache.
Zuerst einmal kommt der feierliche Inspektionsgang durch die Zimmer und Flure des alten Hauses, UNSERES Hauses, der „Manse“, wie sie seit jeher liebevoll genannt wird. Alles ist heute Abend einfach toll. Die Spinnweben wecken sogar den Eindruck von Nostalgie. So glücklich sind wir, einfach nur endlich da zu sein.
Mein Zimmer! Hier also werde ich wohnen, hier also werde ich schlafen und hier werde ich manchmal sitzen und nachdenken - über das Jahr, die Menschen, mich und sogar Gott. Es ist einfach das beste Gefühl, unbeschreiblich, wenn man in ein Zimmer tritt, das fast vertraut ist, ohne je darin gewesen zu sein. Man sagt, dass Wände die Vergangenheit tragen und so habe ich mich gefühlt: Ich sah den alten, dunkelbraunen Schrank, die Kommode, den Frisiertisch und ich wusste, ich gehöre hierher. Ich blickte mich um und entdeckte die alte Gardine, die wie ein Himmel von meiner Vorgängerin über mein Bett gespannt war und ich dachte: Cool! Das ist sogar fast besser als daheim! (Bei diesen Worten muss man wissen, dass ich ein Himmelbett wollte, seit ich von dessen Existenz überhaupt weiß!)
Nach dem versprochenen ersten Anruf daheim sowie dem Erfahrungsaustausch via Telefon mit meiner Freundin, welche ihr Europäisches Freiwilligen Jahr in England am selben Tag startete, fiel ich völlig erschöpft ins Bett: Augen schließen und von der Zeit träumen, welche mir noch bevorstehen sollte.