Einige Novemberimpressionen aus Arad
Caro_24 rekapituliert bei den Klängen von Enescu die letzten Wochen in Arad. Und es ist so Einiges passiert: St. Martin in einer dunklen Schule und der wohl verworrenste Tag ihres Lebens.
Lang ist's her, aber jetzt sitze ich endlich wieder hier und berichte in schriftlicher Form von meinen rumänischen Abenteuern. Dabei höre ich übrigens Enescu. Enescu ist ein rumänischer Komponist. Klassik, in jedem Fall für Orchester und Klavier.
Viel ist passiert seit meinem letzten Bericht. Beispielweise war St. Martin, dieses Fest musste ich trotz Aufenthalt in Rumänien nicht missen, Dank der deutschen Gruppe. Die ganzen deutschen Kindergartengruppen und Schulen kommen nämlich Jahr für Jahr zusammen und machen einen Umzug durch die Nachbarschaft mit Laternen, hier Felinare, und St. Martins- Liedern. Da ich ja Connections in diese Szene habe, konnte ich natürlich auch an diesem großartigen Event teilnehmen. Leider hat der anhaltende Dauerregen der Veranstaltung etwas im Wege gestanden. Aber in Rumänien ist man ja spontan und flexibel und so wurde der Umzug einfach durch die Schule geführt! Und ehrlich gesagt, find ich das dann doch noch etwas cooler, ich mein, wer hat schon mal einen Martinsumzug durch eine vollkommen dunkle Schule gemacht?! Ich! Anschließend waren wir dann noch in der Kirche. Beim Vater Unser auf Deutsch hat der Pfarrer eine Passage vergessen, ich vermute jedoch, dass dies niemandem außer mir aufgefallen ist und ich habe die Sache beim anschließenden Kuchenessen und Safttrinken dann auch auf sich beruhen lassen.
Dann war ich wieder mal auf bei einem Romanian BBQ, ja im November, warum nicht. Es gab jede Menge Fleisch, zum Teil sehr fettig, so mag man das in Rumänien, man muss sich ja auf den Winter vorbereiten! Hauptsache viel zu essen, darüber freuen wir uns immer, denn irgendwie kriegen wir es immer noch nicht gemanaged den Kühlschrank ausreichend gefüllt zu halten. Kommt bestimmt noch.
Und Oh Mein Gott, ich glaub ich hab den verworrensten Tag meines Lebens erlebt! Wirklich. Erst einmal haben die Franzosen einen Partymarathon veranstaltet. Sie sind so gegen sechst Uhr morgens nach Hause gekommen und haben ein paar Freunde mitgebracht und haben dann bis ungefähr zwölf Uhr mittags im Wohnzimmer weitergefeiert, was zu einer kleinen Auseinandersetzung mit meiner Mitbewohnerin Szilvi geführt hat.
Naja, am frühen Nachmittag ging es dann weiter. Szilvi kam mit ihren Eltern, Giovanna ebenfalls. Vlad kam vorbei, worüber ich mich sehr gefreut habe. Cristi und Teo kamen auch um das Doppelbett in damals Ambres und meinem Zimmer auseinander zu nehmen und zwei einzelne hineinzustellen und haben dafür noch einen Bekannten oder so etwas mitgebracht. Dann war ja auch noch Nelson da, der Typ mit dem Bertille am Abend vorher was am laufen hatte. Ziemlich viele Menschen in einem Wohnzimmer. Und als wir dann endlich nach langer Zeit dabei waren die Wohnung zu verlassen, klingelt es an der Tür. Dort steht dann unsere Nachbarin und beschwert sich erstmal über uns. Wir wären laut und überhaupt blablabla. Dabei hättet ihr mal ihr unglaubliches Sprachtalent erleben müssen, wirklich beeindrucken! Französisch, Englisch, ach, eigentlich, alles, was gerade gebraucht wird. Sie hat uns dann alle zehn, oder wie viele wir auch immer waren zugetextet mit dem Ergebnis, dass Ambre bitte kein Saxophon mehr auf dem Balkon spiele und wir Partys doch bitte in Zukunft nur noch von 17 bis 19 Uhr veranstalten. Natürlich, was denn sonst?! Irgendwann sind wir sie dann doch noch losgeworden, zum Glück.
Ich hatte dann noch ein nettes Wochenende mit Vlad. Am Samstag sind wir über den frisch eröffneten Weihnachtsmarkt spaziert, ja, hier in Arad haben wir damit schon Mitte November begonnen! Dann weiter in voll das tolle Szene-Café, Leute beobachten und Four-coloured Coffee trinken. Dann haben Vlad und ich beschlossen einen romantischen Spaziergang durch den Park zu machen, leider kam keine romantische Stimmung auf, obwohl wir alles versucht haben. Es war einfach zu kalt, Vlad hat mir seine Jacke nicht angeboten und außerdem fehlte die Musik. Wieder zu Haus kam ich in den Genuss von italienischem St. Martinsgebäck und einem, seit längerer Zeit ersehntem, guten Gespräch. Am Sonntag hatte ich dann volles Programm. Um zehn hat Vlad mich abgeholt, wir haben uns den sonntäglichen Tiermarkt angeguckt, sehr beeindruckend. Dann waren wir bei seiner Schwester, dessen Lebensabschnittsgefährten und dessen dichterische Werke ich kennen lernen durfte.
Beeindruckend. Er war es auch, der mir offenbart hat, dass ich „a wonderful woman“ bin. Woher er das weiß? Meine Augen sagen ihm das. Ich hab ihm dann auch vorgeschlagen ein Gedicht über meine Augen zu schreiben. Wer weiß, vielleicht gibt es eines Tages ja eins. Im Moment hat er aber ein kleines Alkoholproblem, das ich auch miterleben durfte. That’s life, I guess. Anschließend waren wir dann zu dritt, Vlad, seine Schwester und ich in einem Café und dann bei Vlads Familie beim Sonntagsessen. Das war mal cool, original rumänisch und so. Und aller Anwesende haben sich die größte Mühe gegeben auf Deutsch oder Englisch mit mir zu kommunizieren und ich bin wie ein Familienmitglied behandelt worden. Ale waren offen, warm und herzlich und ich hatte nicht das Gefühl eine Fremde und zum ersten Mal in dieser Wohnung zu sein.
Nach dem wirklich guten Essen, war ich mit Vlad im Geschichtsmuseum von Arad. Es war eine gute Idee mit ihm dorthin zu gehen, denn alle Texte sind auf Rumänisch und Vlad studiert Archäologie, also konnte er mir auch ein bisschen was erzählen. Danach haben wir dann noch, wie richtig coole Gangsta im Park gesessen und uns dann erstmal für längere Zeit wieder verabschiedet. In der Wohnung hab ich dann noch ein paar andere Freiwillige getroffen, die zum Lunch da gewesen sind, auch nett, wieder andere Gesichter, die man alle aus dem Flex kennt.
Zwischendurch hab ich dann auch endlich meine Papiere für Vladimirescu gekriegt, juhu. Mein Start war gut und erst Tage später ist mir die traurige Bedeutung des Satzes „Desena mi o familie“, also „Mal mir eine Familie“ klar geworden. Das ist schon hart, wenn ein siebenjähriges Kind ohne Eltern das haben möchte. „Cu mama si tata si patru copii si o casa“. Ja, das Leben ist voller Grausamkeiten.
Ist es schlimm, wenn ich an dieser Stelle einen thematischen Sprung mache und erwähne, dass ich beim Friseur war? Das ist das Leben. Außerdem haben zwei Freiwillige aus Oradea bei uns kampiert für ein Wochenende. Unser Wohnzimmer steht jedem offen, der will. Naja, fast, es muss ja Grenzen geben. Wir waren auf dem Weihnachtsmarkt, alles war wunderbar weihnachtlich, nur eines fehlte, die Kälte. Aber den Glühwein konnte man trotzdem ganz gut trinken. Besonders schön war es, als ich plötzlich Frederieke, die ich aus Predeal kenne, getroffen habe. Wir haben nett gequatscht und es hat sich herausgestellt, dass viel der anderen aus Pecica und Sebis auch hier sind. Wir waren dann gemeinsam auf dem Weihnachtsmarkt, haben bisschen was bei ihnen in Office getrunken, dann die ca. zwölf Leute in unser Apartment eingeladen. Dabei sind wir der French Connection und Szilvi begegnet „Girls, explain“. „What? We invited people.“
Wir haben ihnen dann, gastfreundlich wie wir sind, das eine Drittel Kuchen, das noch da war und die zwei Liter eigenes Bier angeboten. War nett. Wir mussten dann noch kurz zu einer Überraschungsparty bei Teo, für ein Stündchen und sind dann wieder zu den anderen ins Flex gestoßen. Und all das an einem Tag, an dem wir überlegt haben, ob wir überhaupt noch rausgehen sollen! Es folgten noch ein paar nette Konversationen. Besonders glücklich hab ich Tomek gemacht, als ich ihm mitteilte, dass ich polnisch spreche. Dem Armen fehlten die Worte, ihm wahrsten Sinne des Wortes.
Am nächsten Morgen ging es dann zu Arads Flohmarkt, genial! Dort kriegt man alles. Meine Ausbeute: zwei Schals, drei Paar Wollsocken, ein Hut, vier Anstecker und noch irgendwas, das man nicht braucht. Außerdem ein Foto mit Rahmen für unser Zimmer. Giovanna hat zwei Polaroidkameras erstanden. Erfolgreich. Nicht zu vergessen sind die Clatite cu Finetti si banane si nuca, also Crêpes. Sehr gut und günstig. Nach dem Shopping waren wir nachmittags noch im Joyce beim Book Exchange. Hatten sogar etwas im Angebot, wollte aber keiner haben. „Doi ochi albastre“ und noch ein anderes mit einem ähnlich kitschigen Titel. Ich hab „Slaughterhouse 5“ mitgenommen, bin ich gerade dabei. Wie es war kann ich ja irgendwann demnächst berichten, fürs erste komme ich zum Ende, wie immer will ich ja niemanden überfordern. Außerdem will ich zeigen, dass ich Kritik ernst nehme. Jedoch möchte ich auch anmerken, dass meine Intention beim Verfassen dieser Texte in erster Linie nicht ist, dass man eben schnell drüber lesen kann. Ich hoffe das ist kein Problem.
Einen lieben Gruß aus Arad!
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