Einen Brief schreiben
Ein schön gestalteter Brief, der zum Beispiel mit der Hand geschrieben wird, kann ein großes Zeichen der Solidarität sein und älteren Menschen Freude schenken. Dies ist eine Gelegenheit, einen anderen Menschen ein wenig zu stärken in der Zeit der Einsamkeit.
Achtung! Lest bitte bis zum Ende!
„Post für mich?“, fragte er durch die Luke. Nur wer ihn besser kennt, sieht die Anspannung in seinem Gesicht, die zusammengekniffenen Augen, das leichte Zittern der Lippen. Sein weißes Haar ist noch ungekämmt. Er geht immer nach dem Aufstehen gleich fragen. Aus dem abgetragenen Bademantel mit den verblichenen blauen Streifen schauen dünne Beine heraus, die Haut wie Pergament.
„Warten Sie“, ruft Susanne. „Ich sehe gleich nach, Herr Ullrich!“ Sie geht zu den Postfächern und schaut. „Heute nicht, Herr Ullrich.“
Würdest du daneben stehen und dieses „Heute nicht“ hören, du dächtest sofort, Herr Ullrich bekommt sonst jeden Tag Post. Aber dem ist nicht so.
Herr Ulrich bekommt nie Post. Seit 14 Jahren wohnt er hier im Pflegeheim und seitdem hatte er noch keine Post. Aber jeden Tag geht er zur Luke und fragt.
Und dafür, wie Susanne das „Heute“ von „Heute nicht“ ausspricht, dafür hat er sie so gern.
Diese kleine, berührende Szene stammt aus der Feder der Autorin Doris Bewernitz, die ich neulich gelesen hatte. Ich dachte sofort an die Bewohner meines Altenzentrums, wo ich meinen Freiwilligendienst führe. Da Menschen, die in einem Pflegeheim leben, seit Jahren keine Briefe mehr kommen, in denen ihr Vor-und Nachname auf dem Umschlag stehen würde. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, weil ich den zweiten Teil des Arbeitstages als Postbote arbeite. Man merkt dabei, wer keine Angehörigen in der Nähe hat. Ab und zu erhalten sie Briefe aber entweder eine Werbung oder etwas von der Stadt Köln. Ich sehe, wie sie sich freuen, wenn ich mit dem Satz an ihre Tür klopfe: „Ich habe heute etwas für Sie mitgebracht!“
Was steckt dahinter? Es ist der Glaube, dass man sich an sie erinnert und dass man sie liebt und sich für sie interessiert.
Deswegen kam mir die Idee, an die Senioren des Hauses, die keine Angehörigen in der Nähe haben, selbst einen Brief zu schreiben. Ich weiß, dass mein geliebter verstorbener Großvater, der die wichtigste Person in meinem Leben bleibt, das sicherlich gefallen würde. Es ist eine einfache Möglichkeit, den Bewohnern die Möglichkeit zu geben, sich für jemanden notwendig und wichtig zu fühlen, und Freude damit denen zu bereiten, die allein sein müssen.
Die Leiterin meiner Abteilung hat mir erzählt, dass zwei Bewohnerinnen bei uns wohnen, die keine Verwandten haben. Sie hat meine Initiative unterstützt, indem sie die schöne Grußkarten mit den Umschlägen besorgt hat.
Einsamkeit im Alter ist ein großes und wichtiges Thema, das im Alltagsleben der Menschen meist keine große Aufmerksamkeit bekommt. Da die Tradition von Papierbriefen und Postkarten der Vergangenheit angehört, wird es für ältere Menschen heute umso wertvoller und wünschenswerter, ein solches Geschenk zu erhalten. Dank dem sie Verwandtschaft mit jemandem fühlen können, auch wenn nicht durch Blut. Eine schöne Überraschung bleibt so ein Brief dann aber trotzdem. Außerdem kennen viele von ihnen sich nicht mit dem Internet aus - digitale Kommunikation ist also nicht möglich.
Wie ich oben geschrieben habe, gibt es in meinem ESK-Projekt zwei Bewohnerinnen, die völlig ohne Familie sind, also bin ich bereit, ihre Kontakte mit denen mitzuteilen, die auch gerne diesen Seniorinnen Postkarten oder Briefe schreiben würden, die Hoffnung ausdrücken und Freude damit bereiten. Man kann auch Bilder dazu legen etc.
Es wäre auch schön, wenn man einfach seinen Großeltern eine Grußkarte schicken würde. Da die jüngeren Generationen meist ein Leben in so enormer Geschwindigkeit und so starkem Wandel leben, dass ein großer Teil unserer Gesellschaft oft vergessen wird: Die Senior/innen. Das sollte aber nicht passieren! Ich bin der Meinung, dass es für viele von ihnen wichtig ist zu wissen, dass sie nicht vergessen sind, jemand an sich denkt und für sich da ist.
p.s.: Die wunderbare Postkarte wird schon morgen zu meiner Oma mit einem großen Gruß aus Köln abgeschickt.
Quellen:
- Das Huhn beim Papst: 99 Hosentaschenromane, Doris Bewernitz
- https://starikam.org/volontyoram/perepiska/