Ein Punkt auf der Karte
Weihnachtslieder, Weihnachtsessen und Weihnachtstraditionen: Wenn Weihnachtsstimmung aufkommt und man zwischen Vermissen und Genießen über das große Ganze nachdenkt.
Wenn man auf Google Maps einmal ganz weit wegzoomt von dem blauen Punkt, der einen selbst darstellt, immer weiter nach draußen, dann wird einem schnell klar, wie klein man eigentlich ist in dieser großen Welt. Andersherum scheint die Erde selbst so winzig klein, wenn man dank Satellitenbildern die Wolken beobachten kann, Millionen von Sterne um den blauen Planeten sieht und die Grenze zwischen Tag und Nacht betrachtet. Auf der einen Hälfte strahlen unzählige Lichter um die Wette (zugleich wunderschön und erschreckend), auf der Anderen erleuchtet die Sonne ein geschäftiges Treiben. Und man selbst mittendrin.
Genauso ging es mir am Sonnatg vor zwei Wochen. Zwar hatte ich gerade kein Google Maps zur Hand, aber vor meinem inneren Auge konnte ich erst mich selbst sehen, in der Kirche von Åmål, mit Chormappe in der Hand, beim Versuch etwas von dem auf schwedisch vorgelesenen Evangelium zu verstehen, dann die schwedische Kleinstadt, in der ich jetzt lebe, die skandinavische Halbinsel, Europa, die Weltkugel. Trotz Verständnisschwierigkeiten hatte ich beim Adventskonzert unseres Chors das Gefühl dazuzugehören, dank der mir zum Teil bekannten Weihnachtslieder (eben nur auf Schwedisch) fühlte ich mich wie Zuhause. Zwar bin ich tausend Kilometer von meiner Heimatstadt entfernt, aber die deutschen und schwedischen Weihnachtstraditionen unterscheiden sich dann doch nicht allzu sehr. Wobei ich beim Anblick des „Weihnachtsmarktes“ in Göteborg vor zwei Wochen schon ein bisschen hämisch grinsen musste. Im Vergleich zu Deutschland hätte ich das Ganze eher weniger als Weihnachtsmarkt bezeichnet, viel mehr als Ansammlung etwas weihnachtlich geschmückter kleiner Hütten. Wenn du dich jetzt fragst, ob ein Weihnachtsmarkt nicht genau das ist, eine Ansammlung weihnachtlich geschmückter Hütten, dann warst du anscheinend noch nie zur Weihnachtszeit auf einem deutschen Weihnachtsmarkt. Da gehört noch viel mehr dazu. Glaub mir!
Aber nicht nur einen richtigen Weihnachtsmarkt habe ich ein bisschen vermisst, sondern auch Lebkuchen. Und zwar aller Art. Wer mich kennt, weiß, dass Schokolade mich immer glücklich machen kann und Schokolebkuchen machen da definitiv keine Ausnahme. Die schwedischen Pepparkakor, am liebsten mit Blauschimmelkäse aus der Tube oben drauf, sind ja wirklich interessant, aber mit Lebkuchen in Herz- und Sternenform können sie einfach nicht mithalten. Auf diese Leckerei musste ich dieses Jahr aber bis auf weiteres verzichten, dafür konnte ich jedoch mit meinen Freunden im Göteborger Freizeitpark Liseberg Eislaufen gehen. Oder Eissitzen, je nachdem wen von uns man fragen würde. Einen riesigen Spaß hat es aber trotzdem allen gemacht und das anschließende Versteck spielen im Kinderparadies konnten wir uns trotz eines Durchschnittsalters von 19 Jahren nicht entgehen lassen.
Bei Weihnachtsliedern während der Arbeit und einem sogenannten Julbord („Weihnachtstisch“), also einem (Vor-)Weihnachtsessen mit Anna, Kristin und Viktor konnte ich nur in Weihnachtsstimmung kommen, wozu auch die festlich geschmückte Altstadt Åmåls einen beträchtlichen Anteil beigetragen hat. Auf Nikolaus als Vorweihnachtsbote konnte ich mich dafür dieses Jahr eher weniger verlassen. Die Mehrheit der Schweden hat noch nie vom heiligen Sankt Nikolaus gehört und wieso sollte man auch Süßigkeiten in Schuhen verstecken? Dementsprechend verdutzt war auch Viktors Gesicht, als ich ihm die bei uns bekannte Tradition erklärte und dabei selbst das erste Mal darüber nachdachte, wie komisch sich das eigentlich anhört. Immerhin ist es ein guter Grund, sich mal die Schuhe zu putzen!
Last but not least hat auch der Weihnachtsbaumschmuck aus den verschiedensten Ländern Europas, der das Europa Direkt Büro in den letzten Wochen erreicht hat, zu meiner Hochstimmung beigetragen, vom Schnee gestern und vorgestern ganz zu schweigen. Ich konnte es einfach nicht lassen, Jonas die ganze Zeit mit Schneebällen abzuwerfen und mit ihm einen Schneemann zu bauen. (Aber das ist jetzt eigentlich nicht, das, worum es gehen sollte.) Im November hatten wir gemeinsam mit Kristin Herzen gebastelt, die man an den Weihnachtsbaum hängen kann. Diese hat Jonas dann an unterschiedliche andere Organisationen in ganz Europa verschickt, deren Schmuck im Gegenzug jetzt unseren Weihnachtsbaum im Büro ziert. Sich einmal vorzustellen, dass jetzt irgendwo in Kroatien oder Großbritannien ein von mir gebasteltes Herz am Weihnachtsbaum hängt, ist schon echt schön. Wenn ich mich nun als kleinen Punkt mitten in Schweden auf dieser großen Welt sehen, dann macht mich das umso mehr glücklich, weil ich weiß, dass dort draußen so viele andere kleine Punkte sind, die sich jetzt ebenso über meinen Weihnachtsbaumschmuck freuen. Ganz einfach selbst gebastelt, aber sind das nicht die schönsten Geschenke? Die, die von Herzen kommen?
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