Ein Jahr in Salamanca
Salamanca ist eine kleine Studentenstadt, so dass es einfach ist, sich zurecht zu finden. Sie besteht zu circa 50 Prozent aus Universitätsgebäuden. Besonders die Altstadt mit der alten Universität, auf deren Frontseite der „berühmte“ Frosch, das Wahrzeichen der Studenten, zu finden ist, der Plaza Major, wahrscheinlich mit der schönste Spaniens.
Zusammen mit Mario, einem 22jährigen Italiener, waren wir zwei Europäische Freiwillige an der Universität von Salamanca. Unsere Projektstelle war der " Servicio de Asuntos Sociales" (Sozialdienst), der aus verschiedenen "Einheiten" besteht. Eine dieser Einheiten ist die „Plataforma de Voluntariado Universitario“ ( Plattform für ehrenamtliche studentische Tätigkeit). Sie wird von einem Sozialarbeiter geleitet und ist der Bereich, in dem Mario und ich mitgearbeitet haben.
Die Plataforma besteht aus acht Kommissionen, die jeweils von zwei Studenten geleitet werden und in denen in ihrer Freizeit über 100 Studenten der Universität mitarbeiten. Ich hätte nie gedacht, dass sich so viele Studenten während des Studiums freiwillig engagieren würden, statt wie in Deutschland neben ihrem Studium zu jobben, um das Taschengeld etwas aufzubessern.
Ich arbeitete drei Mal wöchentlich in dem Tageszentrum von ASDEM, dem Multiples Sklerose Zentrum mit. Meine Tätigkeit bestand darin, die an Multiple–Sklerose erkrankten Patienten, wenn sie mit ihrer Therapie fertig waren, zu „beschäftigen“, bis das Rote Kreuz- Fahrzeug sie abholte und nach Hause begleitete.
Wir machten Fingerübungen, bastelten Weihnachtskarten, sangen Lieder oder spielten Gesellschafts- und Konzentrationsspiele. Wir fingen auch an eine Zeitschrift für das Zentrum zu entwickeln, die monatlich erscheinen soll. Die erste Ausgabe gibt es bereits. Die Artikel wie Witze, Gedichte, Reflexionen, Kochrezepte, Buch- und Kinokritiken stammen von den Patienten und Mitarbeitern des Zentrums. Auch machten wir zusammen Tagesausflüge wie in den Tierpark „Valvo“ in der Nähe von Valladolid.
Es war eine tolle Erfahrung zu sehen, wie viel Lebensfreude die Kranken an den Tag legten. Und ich dachte oft, dass ich mich eigentlich nie über mein Leben beschweren dürfte, weil meine Probleme neben derartigen Problemen eigentlich gar keine wirklichen Probleme mehr sind...
Aber ich war sehr verwundert, wie viele Kranke es in einer so kleinen Stadt wie Salamanca gibt. Und ich fragte mich, wie viele es denn da eigentlich in Freiburg geben müsste, und wo sie sich den ganzen Tag über aufhalten, weil man sie eigentlich kaum zu Gesicht bekommt. Überhaupt kam es mir vor, als ob die Behinderten in Spanien viel stärker in den Alltag eingebunden werden als in Deutschland. Zum Beispiel ist auf Medikamenten der Name zusätzlich in Blindenschrift eingestanzt. Auf öffentlichen Veranstaltungen, die ich besuchte, wurden die Reden in Gebärdensprache übersetzt. Und in der Universität wird den Studenten ein kostenloser Sprachkurs zum Erlernen der Gebärdensprache angeboten.
Zusätzlich gibt es Sozialarbeiter, die den behinderten Studenten den Alltag in der Uni erleichtern oder möglich machen, indem sie sie in die Vorlesungen begleiten oder jemanden organisieren der den Taubstummen die Vorlesungen übersetzt, Studenten mit starker Sehschwäche die Bücher vorliest oder auf Band spricht.
Unser Tagesablauf sah ungefähr so aus, dass wir morgens erst zwei Stunden Spanischunterricht hatten und hinterher in der Uni im Sozialdienst mithalfen. Wir arbeiteten in der Beratung der Studenten, die sich über die verschieden Kommissionen informieren wollten, und bei allen anderen Dingen, die anfielen wie etwa Briefe falten. Nachmittags haben wir dann in den Organisationen gearbeitet. Zudem hatten wir die Möglichkeit, an Vorlesungen in “psicologia diferential” teilzunehmen, in denen über verschiedenen Behinderungen berichtet wurde wie. das Down-Syndrom oder Multiple Sklerose.
Gewohnt habe ich zusammen mit drei spanischen Studentinnen. So hatte ich auch die Möglichkeit, privat viel Kontakt und Einblicke in das spanische Leben zu bekommen. Besonders beeindruckend fand ich den “Carnaval de torros” im Februar, für den ich nach Ciudad Rodrigo gefahren bin. Die Stadt war überfüllt mit Menschen und alles drängte sich um den Stadtkern, wo eine Arena für die Stiere aufgebaut worden war. Die ganzen Fastnachtstage gibt es ein durchgehendes Programm, wobei sich im wesentlichen nur “Capeas” und “Corridas” ( Stierkämpfe) abwechseln.
Trotz anfänglicher Schwierigkeiten, die sicherlich auf meine nichtvorhandenen Sprachkenntnisse zurückzuführen waren, weiß ich, dass diese neun Monate auf gar keinen Fall vermissen möchte. Ich denke, dass ich in diesem Zeitraum in Salamanca nicht nur viel über die Spanier und ihre Kultur gelernt habe und nicht nur mein Adressbuch um einiges dicker geworden ist, sondern dass mich der Aufenthalt in Salamanca auf jeden Fall auch persönlich weiterentwickelt hat und ich nun gewisse Dinge mit anderen Augen betrachte.