Ein deutsches Weihnachtsstück in Madrid
Wie die Deutsche Schule Madrid Weihnachten feiert und warum sie so bekannt ist.
Das siebenjährige Mädchen, mit dem ich mich inzwischen jede Woche zu einem etwas anderem Sprachtandem treffe, ist in ihrer Klasse an einer Schule in Madrid eine Seltenheit: Weder ihr Vater noch ihre Mutter kommen nämlich aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz, beide sprechen kein Deutsch. Sie spricht es dafür fließend oder jedenfalls so gut wie wohl auch jede Siebenjährige in Deutschland und ihre Schule ist nicht irgendeine Grundschule in Madrid sondern das Colegio Alemán - die Deutsche Schule Madrid. Seit Wochen habe ich mit ihr bereits ihren Text für ein Weihnachtsstück auswendig gelernt, als ihre Eltern mich spontan zu diesem Theaterstück einladen. Da wollte ich nicht Nein sagen - zu neugierig war ich auch darauf, einmal zu sehen, wie es aussieht, wenn Kinder von deutschen Eltern in Madrid zur Schule gehen. Der Staat schreibt ihnen vor, dass nicht der gesamte Unterricht auf Deutsch sein kann, sie haben ebenso Unterricht in Castellano, ein Großteil der Unterrichtsstunden findet aber tatsächlich in Deutsch statt.
Bereits seit 1896 besitzt Madrid eine deutsche Schule. Zwar steht hinter ihr ein privater Verein, der die Schule finanziert, finanzielle Unterstützung erhält sie aber ebenso aus Deutschland. Der Neubau, der erst in diesem Jahr in Montecarmelo und damit etwas außerhalb im Norden eröffnet wurde, wurde beispielsweise zu 90% von der Bundesrepublik finanziert. Diese Kosten dürften auch nicht gerade gering sein: Die Gebäude sind riesig und extrem modern, von Kindergarten über Grundschule bis zum Abitur lernen hier ca. 1500 Schüler aus 22 verschiedenen Ländern, über 100 Schüler machn dabei jedes Jahr das Abitur, wovon wiederum knapp 80% entweder gar keinen oder nur einen spanischen Elternteil haben. Wer hier angenommen werden möchte, der muss zuerst einmal beweisen können, dass er Deutschkenntnisse mitbringt - selbst die Kleisten. In der 5. Klasse besteht jedoch die Möglichkeit, ohne Deutschkenntnisse ein Jahr lang nur Deutsch zu lernen, danach vier Jahre lang gemeinsam mit Schülern, die ebenso vorher kein Deutsch sprachen, zu lernen und schließlich in eine Klasse mit den Muttersprachlern zu gehen.
Als das Theaterstück beginnt, bin ich gespannt, wie gut das Deutsch der Kinder tatsächlich ist. Bei dem ein oder anderen kann ich den Akzent heraushören, ein Großteil der Kinder würde jedoch mit seiner Art zu sprechen in Deutschland nicht auffallen. Untereinander sprechen die Kinder hier zwar Spanisch, wie ich später beim Spielen bemerke. Die Eltern unterhalten sich miteinander abwechselnd in Spanisch und Deutsch: Wenn jemand bei der Lautstärke von knapp zwanzig Kindern mit Eltern in einem Klassenraum etwas nicht versteht, wird es sicherheitshalber nochmal in der jeweils anderen Sprache nachgeschoben. Hier und da höre ich ein Kind, das Deutsch mit seinem Vater spricht und dann spontan ins Spanische wechselt, als auch die Mutter hinzukommt.
Am Ende des Theaterstücks wird ebenso erst ein deutsches und dann ein spanisches Weihnachtslied gesungen. Das kleine Mädchen, mit dem ich regelmäßig Hausaufgaben mache und Deutsch übe, spricht fehlerfrei, ihre Eltern sitzen neben mir und verstehen nichts von dem Theaterstück. Sie war in einem deutschen Kindergarten und hat dort die gesamte Sprache gelernt, ihre Eltern sprechen sie schließlich nicht. Damit ist sie die Einzige in ihrer Klasse, die keinen deutschsprachigen Elternteil hat - dafür haben andere Schüler keinen spanischsprachigen Elternteil und benötigen zusätzliche Spanischstunden.
So oft hat man mir hier gesagt, dass ich als Deutsche wohl typisch blond bin, obwohl meine Haarfarbe wohl nur in Spanien als blond durchgeht und in Deutschland eher als straßenköterblond bezeichnet wird. Nach diesem Tag habe ich jedoch das sichere Gefühl, mehr Blondinen innerhalb von zwei Stunden gesehen zu haben als in den gesamten zwei Monaten in Madrid zuvor. Die Eltern, die gebeten wurden, selbstgebackene Weihnachtsplätzchen mitzubringen, haben es sich außerdem nicht nehmen lassen, außerdem Chips auf den Tischen ihrer Kinder auszubreiten - so weiß ich immerhin, dass es bei all dem Deutsch doch Spanien ist, wo ich mich gerade befinde. In den letzten beiden Monaten habe ich immer seltener Deutsch gehört, mal hier oder da in der Metro das ein oder andere Wort aufgeschnappt, mit deutschen Freunden natürlich auch in unserer Muttersprache gesprochen. Als hier plötzlich so selbstverständlich zwischen meiner Muttersprache und der Sprache, die ich lernen möchte, gewechselt wird, muss ich jedoch schmunzeln - und wenn ich ehrlich bin, finde ich es schon bewundernswert, wenn es einem Kind schon in dem Alter gelingt, zwei Sprachen und zwei Kulturen Tag für Tag unter einen Hut zu bringen.