Die orthodoxe Kirche in Georgien
Das georgische Osterfest rückt näher! Das habe ich mir als Anlass genommen, mehr über die georgische orthodoxe Kirche zu erfahren.
In unseren westeuropäischen Ländern bekommt man vergleichsweise relativ wenig, bzw. gar keine Informationen über die orthodoxe Kirche vermittelt. Das ist insofern verwunderlich, da dieser ein großer Teil der Christen angehören. Die orthodoxen Kirchen bilden sogar die zweitgrößte christliche Gemeinschaft der Welt. Ganze 300 Millionen Menschen gehören dieser Konfession an. In diesem Artikel sollen die Grundlagen über die orthodoxe Kirche mit speziellem Fokus auf die georgische Kirche dargelegt werden. Die georgische orthodoxe Kirche ist eine autokephale Kirche, das bedeutet, dass sie rechtlich und geistlich selbstständig ist. Auch das Oberhaupt wird selbst gewählt.
In Georgien wurden bereits zwischen dem ersten und dritten Jahrhundert die ersten christlichen Gemeinschaften gegründet. Dabei gelten hier insbesondere die Apostel Andreas, Matthias und Simon Zelotes als die ersten Missionierer. Das orthodoxe Christentum konnte sich hier durch die Heilung der Königin dank der Heiligen Nino verbreiten. Diese war gläubige Christin und überzeugte die Herrscherin mit ihren Fähigkeiten. Daraufhin wurde das Christentum zur offiziellen Staatsreligion ausgerufen. Im elften Jahrhundert, der Blütezeit Georgiens, kam es dann zur Autokephalie der Kirche, die daraufhin gleichbedeutend für die nationale Identität der Georgier wurde. Das ist insofern wichtig, weil es häufig wechselnde Besatzungsmächte gab, die es schwer machten, den nationalen Zusammenhalt zu bewahren. Im 19. Jahrhundert wird die georgische von der russischen Kirche abgeschafft. Diese ist zwar auch orthodox, weist aber einige Unterschiede auf. Hier in Tbilisi findet man einige der russischen Kirchen, die sich in der Architektur definitiv unterscheiden. Mit der Unabhängigkeit Georgiens im Jahr 1917 kommt wieder die ursprüngliche Religion an die Macht. Jedoch sinkt die Bedeutung der Kirche während den Jahren der Sowjetunion wieder. In nur 50 Jahren sinkt die Zahl der Priester von beinahe 1600 auf gerade einmal 50. Als es zur erneuten Unabhängigkeit mit dem Zerfall der Sowjetunion kam, konnten viele Kirchen renoviert und neu gebaut werden. Auch die große Sameba-Kathedrale, die über Tbilisi thront, wurde während dieser Jahre gebaut. Ich selbst hatte schon die Möglichkeit, die Kirche zu besuchen und es war ein wirklich eindrucksvolles Erlebnis, dort zu sein. Heutzutage genießt die Kirche in Georgien Steuerfreiheit, hat einen sehr starken politischen Einfluss und eine stetig wachsende Anzahl an Mitgliedern. Beinahe 80% aller Georgier sind Mitglieder in der georgischen orthodoxen Kirche. Die sehr konservative und manchmal auch nationalistische Einstellung dieser führt teilweise zu Gegensätzen mit der sehr westlich orientierten Politik.
Obwohl es natürlich großteils Gemeinsamkeiten zwischen der katholischen, evangelischen und orthodoxen Konfession gibt, fallen auch einige Unterschiede auf. Zum einen sehen die Gebäude deutlich anders aus -sowohl von innen als auch von außen. Als ich das erste Mal eine orthodoxe Kirche besucht habe, war ich sehr überrascht, kaum Bänke oder Stühle vorzufinden. Außerdem haben sie sehr auffällige Bilder von ihren Heiligen an den Wänden hängen. Ausschließlich zum Gottesdienst wird dann auch der Altarraum geöffnet und die „Ikonen“ werden ausgestellt. Viele der Gläubigen küssen die Bilder während des Gottesdienstes. Als Frau gilt nach wie vor die Pflicht zum Tragen einer Kopfbedeckung und eines langen Rocks. Letzteres wird allerdings immer weniger wichtig. Während des Gebets ist es typisch hier, zu knien, sich zu verbeugen und zu stehen. Das heilige Wasser, mit dem sich katholische und evangelische Christen beim Gottesdienst bekreuzigen, wird hier als Gabe mit nach Hause gegeben. Das Kreuzzeichen wird anstatt von links nach rechts in die entgegengesetzte Richtung gemacht. Der Gottesdienst findet wie bei uns am Sonntag statt und dauert in der Regel drei Stunden. Bei dem großen Einzug mit den heiligen Gaben versuchen die gläubigen Christen Blickkontakt zu halten, um Christus, der durch die Gaben dargestellt werden, anzusehen. Nimmt man als Katholik oder Protestant teil, erhält man keine Kommunion. Eine wichtige Rolle in der Kirche spielen die Kerzen, die auch eine große Einnahmequelle sind. Häufig zünden sich die Teilnehmer bereits beim Eintreten in den Raum eine Kerze an. Diese werden hier überall an den Straßenständen neben Äpfeln und Brot verkauft. Ein weiterer Unterschied ist das Aussehen der Mönche und Priester, denn diese tragen in der orthodoxen Kirche im Normalfall einen langen Bart.
Da das georgische Kirchenjahr nach dem julianischen Kalender läuft, steht hier gerade Ostern vor der Tür. Am Sonntag ist Ostersonntag und auf den Straßen werden Eier, Palmbüschel und natürliche Farben in großer Menge verkauft. Das Fest ist auch hier ein Fest der Freude, da die Fastenzeit vorüber ist. Auch Weihnachten wird hier traditionell am 7. Januar statt am 25. Dezember gefeiert. Neben Georgien laufen auch die Kalender z.B. in Russland, Serbien und der Ukraine nach diesem Rhythmus.
Die Fastenzeit wir hier deutlich intensiver gelebt als in den anderen beiden christlichen Konfessionen. Es gibt vier längere Fastenperioden im Jahr; die wichtigste davon mit Sicherheit die 40 Tage vor Ostern. Dabei wird auf alle tierischen Produkte sowie Öl, Fisch und Zucker verzichtet. Zugleich nimmt man großteils Nudeln, Reis und Gemüse zu sich. Neben den langen Fastenzeiten gibt es auch wöchentliche Fastentage. Alles in allem fastet der gläubige orthodoxe Christ mehr Tage als er nicht fastet. Das Ziel dabei ist es primär, einen freien Kopf zu bekommen, um sich auf das Gebet konzentrieren zu können.
Genauso wie Katholiken und Protestanten glauben orthodoxe Christen an einen dreifältigen Gott, der die Welt aus Liebe erschaffen hat. Das Ziel der Gläubigen ist es, möglichst nah an das Ideal Christi zu kommen. Was hier noch deutlich ausgeprägter ist, ist das Kreuzzeichen. Viele Georgier bekreuzigen sich jedes Mal, wenn sie an einer Kirche vorbeikommen. Es ist interessant im Bus zu sitzen und auf einmal bekreuzigt sich die Hälfte der Mitfahrer. Auch dem Gebet wird hier sehr intensiv nachgegangen. Viele Menschen haben eine Gebetsecke mit Bildern der Ikonen, Kreuz, Kerzen und Weihrauch. Ein wichtiger Fakt ist zudem, dass das Verbrennen der Toten nicht gerne gesehen wird. Der Körper soll bis zum Ende respektvoll behandelt werden und demnach als Ganzes in die Erde gesetzt werden.
Als Fazit kann man feststellen, dass es deutlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gibt. Trotzdem ist es beinahe wie eine andere Kirche, wenn man hier einen Gottesdienst besucht. Es ist schade, dass wir so wenig über diese Konfession mit ihren spannenden Traditionen lernen. Denn im Kern glauben wir alle an dasselbe: an einen die Menschen bedingungslos liebenden Gott.
- https://www.youtube.com/watch?v=7HNr43ObrFk
- https://www.youtube.com/watch?v=S2wdhX7GUnM
- https://de.wikipedia.org/wiki/Orthodoxe_Kirchen#Autokephale_und_autonome_Kirchen
- https://de.wikipedia.org/wiki/Georgische_Orthodoxe_Kirche
- Die Georgische Orthodoxe Kirche zwischen zwei Weltkriegen, Dr. Nugzar Papuashvili
- https://www.georgienseite.de/georgien-kultur/georgisch-orthodoxe-kirche-religion/geschichte-orthodoxe-kirche-georgien