Die Magie des Lächelns
„Humor ist das Salz der Erde, und wer gut durchgesalzen ist, bleibt lange frisch.“
~ Karel Capek
Wenn ich gemeinsam mit meinen „Isolationsgefährten“ in unserer provisorischen Küche sitze, so hört man die meiste Zeit vor Allem ein Geräusch: wir lachen viel. Egal ob es um unsere Missverständnisse oder Unsicherheiten mit der englischen Sprache, komische Begegnungen oder die Begriffsstutzigkeit oder Kreativität der Anderen beim Scharade-Spiel geht - mir fällt immer wieder auf, wie sehr dieses gemeinsame Lachen uns näher bringt, Differenzen überwinden lässt und ein angenehmes Gemeinschaftsgefühl schafft. Wir sind froh über jede Hebung der Mundwinkel, sei es als schüchternes Lächeln oder breites Grinsen, mit dem man uns hier begegnet und willkommen heißt und hoffen, wenn wir ehrlich sind doch wohl alle, bei Anderen einen sympathischen, humorvollen Eindruck zu hinterlassen. Trotzdem fallen mir aber auch eindeutige Unterschiede auf,wenn es darum geht, was wir wirklich lustig finden und welche Witze bei uns lediglich ein müdes Lächeln hervor rufen. Inwiefern gibt es so überhaupt so etwas wie einen universellen Humor? Und was kann das gemeinsame Lachen vielleicht sogar zu einem (europäischen) Gemeinschaftsgefühl beitragen?
Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, fangen wir doch mal ganz allgemein beim Phänomen des Lachens selber an. Wenn ihr dachtet, diese Form der Kommunikation wäre allein der „hohen“ Spezies Mensch vorbehalten, dann unterschätzt ihr Mutter Natur aber gewaltig. Gerade in Bezug auf verschiedenste Affenarten (enger oder weniger eng mit dem Homo sapiens verwandt) gibt es mittlerweile genug Studien, die ähnliches Verhalten in verschiedensten Situationen bei diesen Tieren belegen. Dabei fällt auf, dass es sich beim Lachen um eine weitaus „körperlichere“ Angelegenheit handelt, als uns vielleicht bewusst ist und viele Forscher sehen beispielsweise in der Reaktion auf Kitzeln (welche bei Menschen und Affen ganz ähnlich ausfällt) sogar eine der Urformen des Lachens. Dass Lachen positive Auswirkungen auf Körper und Geist haben soll, haben die meisten wohl schon mal gehört und tatsächlich hat die Forschung in dieser Hinsicht einige erstaunliche Tatsachen ans Licht gebracht. Wenn wir lachen, so werden in unserem Gehirn jene Areale stimuliert, welche zum körpereigenen Belohnungssystem gehören und Botenstoffe wie Endorphin ausgeschüttet, die zur Stressreduktion und dem allgemeinen Wohlbefinden beitragen. Gleichzeitig wird, beispielsweise durch die Bewegung des Zwerchfells, die Verdauung angeregt, die Sauerstoffzufuhr verbessert und der Kreislauf in Schwung gebracht - kein Wunder also, dass man sich nach ein paar ausgiebigen Lachflashs gleich viel ausgeglichener und wacher fühlt. Auf diesen Erkenntnissen beruht übrigens auch die Idee, Krankenhausclowns beispielsweise in Kinderstationen einzusetzen und dabei auf eine durch das regelmäßige Lachen verbesserte Selbstheilungs- und Immunfähigkeit zu setzten. Interessant ist auch, dass Lachen (ähnlich wie beispielsweise Gähnen) enorm ansteckend wirkt, ein Grund, warum es so viele Sitcoms und Comedy-Sendungen mit (künstlich) hinterlegten „laughtracks“ gibt (eine Erfindung, die mich persönlich allerdings in der Regel mehr nervt als erheitert, aber vielleicht seht ihr das ja anders?).
Neben den positiven Auswirkungen auf den Erzeuger selber, hat Lachen in Tier und Mensch aber vorrangig eine soziale Funktion. Hier kommen wir auch zu einem der größten Unterschiede zwischen uns Menschen und „niedrigeren“ Spezies: Während ein Hochziehen der Mundwinkel und gegebenenfalls die dazugehörige Lautbildung bei Affen beispielsweise der Beschwichtigung des Gegenübers und somit der Konfliktentschärfung und Festigung überlebenswichtiger Rangordnungen oder dem Aufbau eines Gemeinschaftsgefühls (wie in der Einleitung beschrieben) dient, sieht es im Moment so auf, aus wären die Menschen diejenigen, die als einzige auch das unechte, künstliche Lachen beherrschen und teilweise sehr bewusst und manipulativen einsetzten können. Festzuhalten bleibt jedenfalls schon mal, dass das Lachen an sich ein Konzept ist, welches grundsätzlich bei allen Menschen - mit Unterschieden in der Häufigkeit des Einsatzes - von Geburt her angelegt ist. Aber was muss dazukommen, damit ein Mensch als „humorvoll“ bezeichnet werden kann?
Diese Frage ist schon deutlich schwieriger zu beantworten, schlichtweg deshalb, weil es viele unterschiedliche Auffassungen, Beobachtungen und Definitionen zum Begriff des Humors gibt.
Aus eigenen Erfahrungen können wir feststellen, dass eine humorvolle Art (zumindest im europäischen Raum) grundsätzlich als eine durchaus erwünschte und bewunderte Eigenschaft gilt, auch wenn das nicht immer so war und im Gegenteil Humor oder sogar Lachen an sich in den verschiedensten Kulturen und in unterschiedlichen Epochen immer wieder als ungebührlich verpönt war. Kaum jemand würde schließlich heutzutage von sich selber behaupten keinen Sinn für Humor zu besitzen und gerade in Führungsrängen von Unternehmen wird immer wieder die Chance auf ein besseres Arbeitsklima und stimmigere Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnisse bei Zuschautragen einer (menschennäheren ?) humorvollen Seite propagiert. Und hat nicht der deutsche Schriftsteller Hermann Hesse mit seinem Erfolgsroman „Der Steppenwolf“ sogar ein ganzen Buch geschaffen, welches auf dem Humor als einzigem Weg zu einem erfüllten Leben basiert?
Für andere Verhaltensformen, welche uns unter Umständen ein Schmunzeln oder Lächeln entlocken könnten, gilt dies allerdings nicht: Spott, Ironie oder Zynismus sind in der Regel und im Gegensatz zum Humor gegen das Gegenüber oder Dritte gerichtet und tragen damit grundsätzlich eher zur Distanzierung von Mitmenschen und im schlimmsten Fall sogar zu deren Zerwürfnis bei. Damit hätten wir schon mal eine wichtige Eigenschaft von Humor erkannt: er wertet in seiner reinen Form niemanden ab und hat gerade dadurch das Potential, innere Verbundenheit zu schaffen. Ähnlich ist dies übrigens auch mit der Selbstironie, welche insofern klar vom allgemeinen Ironiebegriff abgegrenzt werden muss. Wer sich selbstironisch zeigt, beweist die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion und wird dafür häufig geachtet oder auch als humorvoll bezeichnet. Und natürlich ist die Präsentation von Humor keineswegs auf das gesprochene Wort oder Lachverhalten reduziert, sondern kann sich ebenso gut in anderen (Kunst)Formen wie Zeichnungen oder Texten zeigen.
In welchen Situationen und ausgelöst durch welche Ereignisse Humor nun eine Rolle spielt, dafür gibt es eine ganze Reihe an Theorien, welche teilweise bereit auf die Antike zurückzuführen sind. Besonders bekannt sind darunter Aristoteles „Überlegenheitsgefühl-Theorie“, Ciceros „Inkongruenz-Theorie“ und Freuds „Entladungs-Theorie“, auf welche ich aber jetzt nicht im Genaueren eingehen möchte. Nach Stand der heutigen Forschung geht man davon aus, dass wahrer Humor nur in solchen Situationen entsteht, in denen eine Sache zu scheitern droht, dies bereits ist oder eine sonstige Gefahr absehbar wird. Der humorvollen Person gelingt es in solchen Situationen mit einer optimistischen Grundhaltung und dem Hinweis auf „was noch hätte sein können“, häufig unter Verweis auf einen scheinbar unwichtigen anderen Aspekt („Immerhin...“, „Wenigstens...“), die Situation zu entschärfen und bei anderen eventuell sogar ein befreiendes Lachen hervorzurufen. Dem deutschen Schriftsteller Otto Julius Bierbauch wird dazu ein sehr bekanntes Sprichwort zugeschrieben, welches den vorangegangen Absatz meiner Meinung nach ziemlich gut zusammenfasst:
„Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“
In Bezug auf die zuvor angezweifelte Universalität ist es natürlich von Nöten, die Sache differenziert zu betrachten. Grundsätzlich ist die Fähigkeit zum Ausdruck und Verständnis von Humor in allen Menschen angelegt, wird aber sehr wohl maßgeblich durch den kulturellen Kontext, sowie das persönliche Umfeld beeinflusst. Zum Beispiel wird man einen Witz nur dann lustig finden, wenn man sich davon nicht angegriffen oder beleidigt fühlt, was natürlich enorm von der eigenen kulturellen Identität abhängig ist. Ich kann mir beispielsweise schwer vorstellen, dass Ostfriesen über Ostfriesenwitze oder Polen über Polenwitze so richtig herzlich lachen können. Ebenso ist entscheidend, welch große Rolle Witzeleien etwa in der eigenen Familie oder im Freundeskreis spielen. Unser Bild von länderabhängig ausgeprägtem Humor wird zudem auch stark durch Klischees und Vorurteile geprägt. Wer hat nicht schonmal gehört, dass die Engländer einen besonders schwarzen und trockenen Humor haben sollen, Italiener am Liebsten die Obrigkeit auf die Schippe nehmen und es Deutschen oft gänzlich an der nötigen Leichtigkeit zur Witzelei mangelt? Diese Vorstellungen werden maßgeblich auch durch die jeweiligen nationalen Verkörperungen des Humors beeinflusst: die Vorstellung vom britischen Humor bilden wir auf der Grundlage des Humors von Mr. Bean oder den Witzen der beliebten Sitcom „Black Books“, alle Franzosen lieben klischeegemäß Louis de Funès und so weiter.... Wie in allen Fällen müssen solche Verallgemeinerungen auf jeden Fall mit Vorsicht genossen werden, aber ein kleines Körnchen Wahrheit steckt manchmal auch dahinter.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Lachen eine unglaublich gute Erfindung der Natur ist, die das Potential hat Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen einander näher zu bringen. Im richtigen Kontext hat Humor die erstaunliche Eigenschaft Ängste und Grenzen zu überwinden, kann aber unter Umständen bedingt durch unterschiedliche (kulturelle) Prägungen auch mal schnell in ein Fettnäpfchen führen. Nehmen wir dieses dann doch einfach mal mit Humor...
Verwendete Literatur (letzter Zugriff auf alle Seiten am 20.11.20)
- https://psychologie-news.stangl.eu/279/witz-humor-lachen-und-ihre-psychologische-bedeutung
- https://www.tagesspiegel.de/kultur/humor-in-europa-lachen-verbindet/19190748.html
- https://de.wikipedia.org/wiki/Humor
- http://www.fix-interkulturell.de/interkulturelle-kommunikation/umgang-mit-humor/
- https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2019.00123/full