Die ersten Wochen
Seid 6 Wochen bin ich jetzt in Israel und hab hier mal meinen Blog angefangen, wie es mir hier in dieser Zeit so ergangen ist und wie ich mich so eingelebt habe
Die Reise beginnt mit meinem 9h Flug mit Stopp in Istanbul zusammen mit Margaritha (Magga), meiner Zimmermitbewohnerin die ich schon in Köln bei den Seminaren fürs FSJ kennengelernt habe, und den anderen Kölnern die auch nach Israel fliegen. Um 10 Uhr morgens angekommen hatten wir dann fast alle, dank der nicht gerade schnell arbeitenden Behörde in Tel Aviv nach 2h am Flughafen unser Visum. Ein Mädchen wurde aber wegen ihrer türkischen Herkunft über 3h befragt bevor sie einreisen durfte, so dass wir dann um 15:30 endlich den Flughafen verlassen konnten. Wir Superschlauen, gerade frisch aus der Schule entlassenen Abiturienten hielten uns natürlich nicht an die Wegbeschreibung, die uns unsere Koordinatorin gegeben hatte, wir fanden unseren eigenen Weg viel schlauer, sodass wir einfach mal ein Ticket kauften und in den Zug eingestiegen sind, der vermeintlich in die Nähe unseres Apartments fahren sollte. Nachdem der Zug dann aber nach 4 Stationen in Tel Aviv komplett in die Pampa fuhr und über eine Dreiviertelstunde nicht mehr anhielt, fragten wir dann mal die anderen Fahrgäste nach dem Weg. Denen fiel dann erstmal die Kinnlade runter als wir erzählten wir müssten nach Jaffa in die Nähe von Holon, also in den Süden von Tel Aviv. Wir waren aber auf dem Weg komplett in den Norden von Israel und schon über die Hälfte der Strecke nach Haifa gefahren. Dazu kam dann auch noch, dass es Freitag nachmittag war, Freitag ab Sonnenuntergang beginnt hier Schabbat, wo keine Geschäfte aufhaben und keine Busse und Bahnen fahren. So haben wir dann mit großem Glück und viel Hilfe von den Locals an der nächsten Station den letzten Zug zurück nach Tel Aviv bekommen. Da war das Abenteuer aber noch nicht vorbei, als wir dann an der richtigen Station ausstiegen, konnten wir auch nach stundenlangem Rumirren unsre Wohnung nicht finden, sodass uns irgendwann unser Mentor Drorr abgeholt hat und wir um 7 Uhr abends dann endlich in der WG ankamen.
In der Wohnung wohnen insgesamt 7 deutsche und 4 französische Mädchen. Die Wohnung liegt in Tel Aviv Jaffa, der Altstadt und ist sehr groß, mit einer großen Aufenthaltsraum und einer riesigen Dachterrasse mit Sofas und einem tollen Blick auf die Skyline. Unsere Zimmer sind sehr klein, vor allem unseres, aber die Atmosphäre ist sehr angenehm und alle Mädchen super nett. In den nächsten Tagen haben wir uns dann erstmal eingerichtet, die Stadt erkundet und waren natürlich auch am Strand. In unserem Viertel leben viele orthodoxe Juden, es gehört zu Jaffa und ist mit dem Fahrrad c.a. 10 min vom Strand und 20 min bis ins City Center Tel Avivs entfernt. Ein Fahrrad habe ich mir auch in den ersten Tagen gekauft, weil einfach fast alles hier viel besser damit zu erreichen ist, und zb. am Schabbat ja keine Busse fahren. Wir haben dann direkt eine kleine Fahrradtour am Strand von Süden nach Norden gemacht und die Stadt ist echt super schön.
Zwei Tage nach unserer Ankunft war dann mein erster Arbeitstag im Wolfson Medical Center, ein sehr großes Krankenhaus in Holon, ungefähr 5 min mit dem Fahrrad von unserer WG. Um dort mit der Arbeit anfangen zu können, musste eine Krankenschwester unsere Impfpässe kontrollieren, ob alle Impfungen vorhanden sind. Magga und ich wurden dann mal eben ganz spontan noch gegen Polio und später noch gegen Grippe geimpft, einfach mal so. Ich hatte aber leider die Ergebnisse meines Tuberkulosetests aus Deutschland nicht mit nach Israel genommen und habe deshalb erstmal keine Arbeitserlaubnis bekommen. Das war dann schonmal der erste Tiefpunkt, der sich aber, nachdem ich mit dem deutschen Krankenhaus und meiner Mama alles geregelt hatte, schnell wieder überwinden, sodass ich dann am nächsten Tag wirklich mit der Arbeit anfangen konnte.
Ich arbeite zusammen mit Magga im Emergency Room und mache dort hauptsächlich EKGs, messe also die elektrische Aktivität des Herzens, gefühlt bei jedem Patienten. Es gibt im Krankenhaus dort keine Ambulanz und der ER ist oft überfüllt mit Leuten, den es einfach nicht so gut geht oder die andere nicht-akute Sachen haben, bei denen aber trotzdem bei jeder Kleinigkeit ein EKG gemacht wird. Du hast Schmerzen in der Brust, kriegst einen EKG (ist ja sinnvoll), du hast ein bisschen Kopfschmerzen, kriegst auch erstmal nen EKG, manchmal auch zwei, weil die Krankenschwestern auch gerne mal EKGs verschlampen. Wir wurden auch direkt ins kalte Wasser geschmissen, zweimal wurde mir ein EKG bei einem Patienten gezeigt, dann musste ich direkt alleine los. In den ersten beiden Tagen war es sehr stressig, die Aussage, dass hier fast alle Englisch sprechen ist eine Lüge, zumindest bei den Patienten, weshalb es sehr schwierig ist, sich mit ihnen zu verständigen. Man kommt dann zu einem Patienten, der versteht dich dann überhaupt nicht und du musst ihm dann erstmal das T-shirt ausziehen und Nopfen an die nackte Brust machen.
Es sprechen so viele Leute hier Russisch und auch ein paar Deutsch, aber ich habe aufgehört zu fragen, woher sie deutsch können. Nachdem ich das einmal einen Patienten gefragt habe, und er mir ganz nüchtern erzählt hat, das er in Deutschland im Konzentrationslager war, und das öfters mit unterschiedlichen Patienten vorkam, wollte ich so eine Situation eher vermeiden. Ansonsten sind die Menschen hier sehr frei von Vorurteilen, immer wenn ich erzähle, dass ich Deutsche bin, kriege ich super positive und interessierte Antworten, anstatt das die Leute mich verurteilen oder negativ reagieren.
Ich fand es auch krass was ich schon in den ersten paar Tagen erlebt und gesehen habe. Magga und ich wurden zb. schon direkt am ersten Tag zu einem Patienten mit Tuberkuloserisiko in einen abgetrennten Isolationsraum geschickt, bei dem wir dann, mit Masken ausgestattet ein EKG machen sollten. Ich hatte auch schon mehrere Patienten, denen zb. ein Bein fehlte, da musste ich dann erstmal ganz doof eine Krankenschwester fragen wo ich denn jetzt die Elektrode, die eigentlich ans Fußgelenk muss, befestigen muss. Das Krasseste für mich war, als ich dann zweimal innerhalb von einer Woche dabei war als ein Patient gestorben ist. Ich stand dann da neben, während die Ärzte und Krankenschwestern den total abgemagerten, aber noch relativ jungen Mann versucht haben wiederzubeleben, was auch erst funktioniert hat, 2 min später aber auf dem Monitor dann doch nur noch eine Grade Linie zu sehen und nur noch ein langes Piepen zu hören war. Da hat mir dann eine andere Assistentin, die auch EKGs macht, gezeigt, wie man bei der toten Person dann noch einen EKG macht, der dann als Beweis für den Tod in die Akte kommt. Später als ich zuhause war, hat mich das schon beschäftigt, aber während man im Krankenhaus arbeitet, schalte ich zumindest total ab und denke nicht wirklich nach über das was ich dort tue, sondern mache es einfach.
Mittlerweile ist die Arbeit auch viel entspannter geworden, man kennt die Ärzte und Krankenschwestern und die sind auch alle super nett.
Weil unsere Wohnung so groß ist, quartieren sich hier eigentlich jedes Wochenende andere Freiwillige aus Tel Aviv oder Israel ein. Jeder aus unserer WG kennt irgendjemanden, zb. von den Vorbereitungsseminaren oder anderem, sodass man so schnell so viele Leute kennenlernt und sich ein richtiges Freiwilligennetzwerk bildet. Alle Klischees, die man über Freiwillige hat werden hier komplett erfüllt aber auch von den Freiwilligen, selbstgenannt "die VolunTIERS", die hier sind, selber aufs Korn genommen.
Die VolunTIERE kleiden sich gerne mit bunten sehr weiten Hosen, genannt Freiwilligenhose. In ihrem Lebensraum findet man nicht viel zu essen, eigentlich nur Brot und Humus, mehr kann sich das VolunTIER nicht leisten und die Gesprächsthemen drehen sich sehr oft um Politik, Philosophie, Sinn des Lebens, Bildungssystem etc., gefeiert wird aber trotzdem viel.
Wir hatten auch eine kleine Einweihungsparty in unserer WG, nach der wir dann weiter auf den Rothschild Boulevard, Partymeile von Tel Aviv, in eine Bar/Techno Club gezogen sind. Das war auch toll aber auch sehr touristisch und teuer, wie aber fast alles hier. Ein kleines Bier für 7 Euro sprengt dann doch das Freiwilligengehalt. Direkt am nächsten Tag standen dann abends plötzlich 2 Israelische Typen, unsere Nachbarn, mit einer Flasche Wodka vor unserer Tür, spontan haben wir dann einfach ne kleine Runde auf unserer Terrasse gequatscht und israelischen Wodka getrunken.
Die besagten Typen stehen gefühlt alle paar Tage entweder mit Alkohol vor unserer Tür, oder fragen an Schabbat, ob wir ihnen die Klimaanlage anmachen können, eine Zigarette anzünden können usw. Weil sie als Juden am Schabbat keine elektronisches Geräte oder Feuer benutzen dürfen, haben sie sich ganz schlau um ihre Religion rumgeschummelt und einfach immer uns gefragt.
Vor ein paar Wochen hatte ich dann einen eintägigen Hebräisch Kurs, der sehr Spaß gemacht hat. Die Basics wie Guten Morgen (Boker tov) und wie heißt du (eyh korim leha) sind schon durch die Arbeit im Krankenhaus da, aber die Schrift ist schon sehr schwierig. Magga und ich bekommen dann auch bald einen Ulpan, einen dreimonatigen Sprachkurs, nachdem das mit dem Sprechen hoffentlich besser klappt.
In den ersten Wochen waren sehr viele jüdische Feiertage,als erstes Rosh Hashana, das jüdische Neujahr und sehr hohe Feiertage, weshalb wir nicht arbeiten mussten. Wir waren in den Tagen am Strand oder haben weiter Jaffa erkundet aber auch viel bei uns auf der Dachterasse gechillt.
Mit 2 jungen Arbeitskollegen, Yonatan und Sharon, waren Magga und Ich an einem Abend in Florentin, dem Friedrichshain und sehr internationalem Studentenviertel von Tel Aviv, in einer sehr coolen Bar etwas trinken und danach Pizza essen. Danach kam noch Yom Kipur, der höchste jüdische Feiertag, an dem im ganzen Land keine Autos fahren und wir mit unseren Fahrrädern auf der Autobahn eine Tour gemacht haben. Letzte Woche war dann noch Sukkot, an dem uns unsere Arbeitskollegin zu einer Sukkah (Also einem Sukkot Essen in einer traditionellen Laubhütte) eingeladen hat.
Eine super Nachricht aus Deutschland kam dann auch noch, als ich meine Studienplatzzusage für Medizin in Bonn für nächstes Jahr bekommen habe, jetzt ist das auch erstmal geregelt.
Das waren erstmal so die ersten Wochen, jetzt kommen aber regelmäßig Beiträge über meine Reisen und Erlebnisse hier :)
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