Dezember 2005
Der letzte Monat des alten Jahres war alles andere als langweilig für Becci. Nicht nur der kurzfristige Heimaturlaub löste ein wenig emotionale Aufruhr aus.
Der Dezember war recht ereignisreich, was wohl vor allem an den Weihnachtsvorbereitungen und meinem Heimaturlaub lag. Am 10. Dezember war ich nun schon fünf Monate in Norwegen, die so schnell vorbei gingen, dass es kaum zu glauben ist.
Zunächst einmal kam der richtige Winter mit jeder Menge Schnee. Mehr Schnee als ich jemals zuvor in meinem ganzen Leben gesehen habe! Alles war weiß, nachdem es etwa drei Tage nur geschneit hatte. Das Schneeräumen mit dem Traktor nahm kein Ende und ich war zutiefst beeindruckt von der Schönheit der eingeschneiten Landschaft.
Anfang Dezember ereignete sich dann ein kleines Drama, das ich so schnell wohl nicht mehr vergessen werde. Arne, der älteste der Behinderten im Dorf, ist an einem Montagabend einfach zusammen gebrochen. Wir mussten einen Krankenwagen rufen, der geschlagene 25 Minuten brauchte. Jemand musste die anderen Hausbewohner beruhigen. Wir brauchten ein Auto, um ins Krankenhaus zu fahren. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich einen Krankenwagen gerufen habe und danach ewig an der Straße auf ihn wartete, weil wir ja leicht abgelegen liegen. Für einen Moment dachten wir alle, dass Arne sterben würde. Die ganze Situation war völlig chaotisch und im nachhinein hätte man natürlich vieles anders und besser gemacht. Zum Glück ist alles gut gegangen und ich bin mit Hans zusammen ins Krankenhaus gefahren, wo wir aber auch nicht viel tun konnten, also waren wir schnell wieder zurück in Solborg. Arne blieb im Krankenhaus. In dieser Nacht konnte ich lange nicht schlafen, aber ich denke, ich habe viel gelernt an diesem Tag, vor allem: Keine Panik!
Am 13. Dezember war Santa Lucia, das fest einer Heiligen, die irgendetwas Besonderes (was, dass weiß ich auch eigentlich nicht so genau) gemacht hat. Auf jeden Fall ist es hier Brauch, sich als Mädchen weiße Gewänder anzuziehen und mit Kerzen nach 24 Uhr singend durch alle Häuser zu ziehen (wenn die Türen denn offen sind) und den (hoffentlich) schlafenden heiße Schokolade und Kekse zu bringen. Wir waren zwar nur zu viert, aber trotzdem hatten wir jede menge Spaß und es war irrsinnig lustig, die verschiedenen Reaktionen der Menschen zu sehen. Auch denke ich, dass dieser Brauch wirklich nett ist, man sollte so was häufiger tun.
Am nächsten Tag hatten wir ein Grillfest im Wald, als Abschiedsfest für Egil, unseren Farmer, der zum Beginn des Jahres aufgehört hat, weil er wieder studieren wird. Es war schon sehr lustig, im Schnee zu sitzen und zu grillen. Auch habe ich bei diesem Anlass festgestellt, dass die Schultüte eine deutsche Erfindung ist, denn niemand wusste, was das ist!
Abends veranstalteten wir eine Julebor, was so eine Art Weihnachtsfeier ist, zusammen mit der Farm und der Waldgruppe. Es gab tolles Essen, gekocht vom ehemaligen und zukünftigen Farmer. Passend zum Anlass sind Hans und ich mit dem Traktor dorthin gefahren, weil kein Auto zur Verfügung stand. Leider konnte ich nicht bis zum Ende bleiben, da Arne einige Tage zuvor aus dem Krankenhaus zurückgekommen war und nun zunächst einmal eine Nachtwache brauchte. So verbrachte ich eine Nacht damit, Weihnachtsgeschenke zu basteln und Arnes Schlaf zu überwachen.
Am nächsten Tag ging es dann in den Urlaub. Nach Hause. Tja, und dann war ich eine Woche zu Hause und habe viele viele Freunde und Verwandte wieder getroffen und festgestellt, dass sich gar nichts geändert hat oder zumindest weniger, als man es erwartet. Das mag aber vielleicht daran liegen, dass man selbst so viel erlebt hat und nun denkt, dass dies bei allen anderen auch der Fall ist. Die Woche zu Hause war schön, aber sehr kurz.
Am 22. Dezember war ich zurück in Solborg. Und da war ich dann doch etwas verwirrt, weil einem plötzlich die Unterschiede zu seinem Leben vorher sehr viel mehr bewusst werden. Nach meinem Urlaub in Deutschland begann ich viel mehr, Freunde und Familie zu vermissen als es vorher der Fall war. Trotzdem heißt das nicht dass es mir hier nicht mehr gefällt. Als ich wieder in Solborg war, war Odilia schon da, die Solborg über Weihnachten einen Besuch abstattete. Ich habe mich sehr gefreut, sie wiederzusehen und wir haben eine sehr schöne Zeit verbracht, waren in Oslo und haben vor allem viel geredet.
Dann kam Weihnachten, das Familienfest - weit weg von zu Hause und mit ganz anderen Menschen. Das anthroposophische Weihnachten, das ich dann hier erlebt habe, ist schon ein wenig anders, aber gar nicht so sehr, wie man es vermuten würde. Aber es war seltsam, diesen Tag mit einem eigentlich fremden Menschen zu teilen. Jedoch war das Wetter wunderschön mit sehr viel Schnee und Sonne. Es war schön, aber dennoch habe ich beschlossen, mein nächstes Weihnachten mit meiner Familie zu verbringen.
Über die Feiertage war es dann recht ruhig in Solborg. Jedoch war eigentlich immer genug zu tun, besonders in dem Haus in dem ich arbeite, da dort alle Behinderten anwesend waren, während andere Häuser ganz leer waren.
An Silvester war wie jedes Jahr die große Frage: Was machen wir denn? Die Auswahl war dieses Mal nicht so groß und eigentlich war mein ganzer Abend geprägt von dem Gedanken an den nächsten Morgen und das Snowclearing dass ich übernommen hatte. Die ganze Nacht hörte es nicht auf zu schneien. Nach einer netten kleinen Party in Jevnaker bin ich also am nächsten Morgen nach zwei Stunden Schlaf aufgestanden, um Schnee zu räumen! Leider war aber die Maschine eingefroren, was leicht frustrierend war. Also: Ein seltsamer Start ins neue Jahr - eben mal ganz anders!