Deutschland ist allgegenwärtig
Als ich dachte, dass ich Deutschland für ein Jahr verlassen würde, dachte ich nicht, dass es mir ständig über den Weg laufen würde. Im finnischen Alltag ist Deutschland nämlich durch die verbreitete Sprache und durch die importierten Waren sehr präsent.
So sagen mir viele von meinen neue Bekanntschaften „Ich kann auch ein bisschen Deutsch“, wenn ich erzähle, dass ich Deutsche bin. Besonders die Generation Ü50 kann häufig erstaunlich gutes Deutsch sprechen. In der Schule ist es obligatorisch schwedisch als 1. Fremdsprache, Englisch als 2. Fremdsprache zu lernen und freiwillig kann man Deutsch als 3. Fremdsprache wählen. Ältere Finnen treffen sich auch gerne zu Gesprächskreisen, um das eingerostete Deutsch wieder in Gang zu bringen.
Ich habe also versucht den geschichtlichen Hintergrund herauszufinden, weshalb die Sprache hier so verbreitet ist. Schon im 15. Jahrhundert gab es gute Handelsbeziehungen zwischen den zwei Ländern, da viele deutsche Städte, wie zum Beispiel Lübeck, mit den nordischen Gebieten durch die Hanse in Verbindung standen. Und in 1918 wurde Finnland für drei Monate, vor dem Ende des Weltkriegs, ein Königreich und dieses wurde von König Friedrich Karl von Hessen regiert. Im zweiten Weltkrieg machte dann der gemeinsame Feind Russland, Finnland und Deutschland zu Verbündeten, wobei Finnland noch vor dem Ende des Krieges unabhängig von Deutschland wurde und um eine neutrale Haltung gegenüber der Sowjetunion bemüht war. Erst seit 1973 gibt es wieder enge diplomatische Beziehungen zwischen Finnland und Deutschland.
Scheinbar haben also Deutschland und Finnland schon eine lange gemeinsame Geschichte hinter sich, was der Grund für die Verbreitung von Deutsch in Finnland sein könnte. Aber wieso genau viele Schulkinder damals und heute die Sprache lernen bleibt etwas unerklärlich.
Auch in der Kultur, zum Beispiel in der Musik, wäre Deutschland nicht weg zu denken. So stehen auf dem Programm für das Osterkonzert in Turku Werke von Bach und Beethoven und in einem Theaterstück, das ich mir neulich angeschaut habe, wurden Stücke von Wagner und Beethoven für die Hintergrundmusik benutzt. Und in den Großstädten wie Turku oder Helsinki gibt es sogar deutsche Kirchengemeinden.
Am offensichtlichsten ist der deutsche Einfluss auf Finnland aber wahrscheinlich in der Lebensmittelbranche. Läuft man durch die Regale findet man Milka, Ehrmann, Haribo, Teekanne, Dr. Oetker. Und fast jedes öko oder veganes Produkt kommt aus Deutschland. Und dann gibt es natürlich noch den Lidl. Der Ansturm ist immens und die Leute verlassen den Laden mit vollgepackten Tüten. Interessanterweise sind es aber zum größten Teil Ausländer, die den Lidl aufsuchen und die Einheimischen bleiben ihrem S-Market oder K-Market treu.
Geht man abends auf eine Party und will sich vorher Bier oder Wein im Alkoholshop, Alko, kaufen, sind deutsche Getränke kaum zu übersehen. Die Finnen sagen selbst, dass sie das deutsche Bier dem finnischen definitiv vorziehen würden, allerdings kostet eine Flasche Erdinger Weißbier 3,50 €, so dass die Entscheidung dann doch meistens auf das finnische Karjala fällt. Läuft man die Regale dann weiter zu den Weinen, so erfreut es dann das fränkische Herz ganz besonders den Wein aus der Region zu finden. Und tatsächlich ist der Lieblingswein meiner finnischen Freunde die „Liebfraumilch – Deutscher Qualitätswein-Reinhessen“.
Beliebt sind auch Marken wie s.Oliver, Esprit und Adidas und online Geschäfte wie amazon.de und Zalando. Sogar Firmen und Bauunternehmen sind vertreten. So sah ich neulich einen Wagen der Firma Knauf an einer Großbaustellen stehen. Und selbstverständlich machen sich die schicken deutschen Autos auf den finnischen Straßen besonders gut. Da sie hier aber sehr teurer sind, sind BMWs und Co. eher Luxusautos.
Diese offensichtlich deutschen Produkte machen aber insgesamt nur 25% des aus Deutschland kommenden Importes aus. Viel mehr sind es chemische Produkte, elektronische Geräte, Autos und Maschinen, die aus Deutschland kommen und einerseits freut man sich natürlich, wenn man die heimischen Produkte sieht und ist vielleicht auch etwas stolz auf das Heimatland. Andererseits fragt man sich, ob eine finnische Firma die Arbeiten von Knauf nicht genau so gut bewerkstelligen könnte und andere Firmen selbst vegane Lebensmittel herstellen könnten. Besonders weil sich Finnlands Wirtschaft immer noch nicht von der Wirtschaftskrise in 2009 erholt hat und die Jugendarbeitslosigkeit zu einem ständigen Problem geworden ist, wäre es umso besser, wenn Finnland von deutschen Importen unabhängiger werden würde und nationale Firmen unterstützen werden würden.
Quellen:
http://www.dfhk.fi/finnland/aussenhandel/
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-finnische_Beziehungen
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Finnland/Bilateral_node.html
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