Der verrückte DJ
Und das nicht ganz so verrückte Tattoo.
Hallo, Freunde der Sonne! Ich schreibe euch gerade… aus Datteln. Keine Sorge, mein Freiwilligendienst ist noch nicht ganz vorbei, ich bin nur für eine Woche daheim, um mich um die Zukunft - was für ein gruseliges Wort - zu kümmern.
Hungrig
War eine etwas entspanntere Woche. Die Sonne schien und einige Kinder waren nicht da. Diese Woche nerve ich euch nur ganz kurz mit Csemete-Gejammer. Zusammenfassung, immer noch kompletter Quatsch hier, aus den üblichen Gründen. Wir haben nun das Problem, dass wir trotz mehrerer Gespräche darüber mittags immer noch dieselbe Menge an Essen bekommen wie eh und je, auch wenn wir mittlerweile sechzehn Kinder und fünf Erwachsene sind. Seit ein paar Wochen ist es so gut wie jeden Tag zu wenig, zwei fingerlange Stücke Sarmale oder eineinhalb Esslöffel Nudeln pro Person. Wir haben es Emoke beim Meeting nochmal gesagt, ihre Reaktion war ganz verständnisvoll, aber mittlerweile weiß ich, wie viele Taten hier auf nette Worte folgen. Am Mittwoch sah ich, wie die Köchin verschimmelte Möhren in die Suppe warf. Also alles so schön wie immer.
Ich habe mich in meinem Frust mal in ein paar Dokumente eingelesen, und in jedem (!) steht, dass wir nicht - nicht einmal teilweise - die Arbeit der Erzieher machen dürfen, und erst Recht nicht die Arbeit der Putzfrau (beispielsweise Erwartungen und Grundprinzipien im EFD, Seite 6: “Die Freiwilligen dürfen keine Routineaufgaben, die sonst von bezahlten Angestellten gemacht werden, übernehmen.”). Genau daraus besteht im Moment unser gesamtes Projekt.
Also, falls ihr meinen Blog lest und euren EFD trotzdem noch bei Csemete absolvieren wollt: ich verstehe nicht, was in euch gefahren ist, wünsche euch aber viel Spaß bei eurem Jahr als sprachkenntnisloses, unbezahltes Kindermädchen und Putzkraft.
Verewigt
Und was ist sonst noch so passiert… im Doppeldecker 104 hatt' ich oben zufällig die erste Reihe nur für mich. Von wegen Lisbeth gibt mir Ohrwürmer!
Und Überraschung - ich habe mir mein allererstes Tattoo stechen lassen. Ahhh! Es tat weh, aber längst nicht so wahnsinnig wie ich es erwartet habe - als würde man mit einem Messer hineinschneiden. Die drei Buchstaben CLJ prangen nun auf meiner rechten Schulter…ich hoffe sehr, dass das hier nicht das beste Jahr meines Lebens war. Aber es war das erste richtig, richtig gute. Das erste nach der Schule, das erste selbstständige, das erste freie, das erste aufrichtig glückliche, der Beginn meiner Charakterentwicklung und meines Lebens, würde ich sagen, und deswegen wird es auch für immer bei mir bleiben. Buchstäblich, denn ich hab’s mir in die Haut ritzen lassen!
Donnerstag half ich wieder in der Suppenküche, ein wenig, Edina war eine ganze Stunde zu spät, hui. Und dann packte die Liebe die Zutaten aus - Knoblauch, Hackfleisch, Champignons, Nudeln… um mir eine Freude zu machen, hatte sie alles eingekauft für das von mir vorgeschlagene Rezept - das wir aber schon letzte Woche gekocht hatten… die Süße. Wir haben dann mit Tomaten improvisiert.
Ha, gay!
Freitag kam dann Alkies Freund zu Besuch, ein wirklich entspannter Kerl, und es wurde auch gar nicht so laut wie Johanna und ich befürchtet haben. ;) Außerdem ging ich ins Delirio - nicht zum tanzen diesmal, sondern für eine Besprechung. Wofür? Die allererste Gay Pride in Cluj-Napoca, und ich werde mithelfen!
Gott, habe ich gemischte Gefühle. Es ist so aufregend! Ich übertreibe wahrscheinlich nichtmal, wenn ich sage, dass es ein Meilenstein in der Bewegung ist! Aber gerade deswegen habe ich auch solch eine Sorge. Wir erhalten jetzt schon unzählige Hassnachrichten, und es geht erst in zwei Wochen los. Und nun will uns die Stadt den Marsch nicht genehmigen. Wir haben über fünfundzwanzig (!) Vorschläge an die Stadthalle geschickt, verschiedene Zeiten, Orte, Routen, alles - ausnahmslos abgelehnt. Zur gleichen Zeit und am gleichen Ort - was für ein Zufall - wurde ein rechtsextremer Marsch genehmigt. Gerüchteweise sogar nach (!) unseren ersten abgelehnten Anträgen.
Nun steht der vage Plan im Raum, ohne Genehmigung zu marschieren und die Geldstrafe mithilfe von Spenden und NGOs zu zahlen. Das Geld ist aber hier meine kleinste Sorge. Natürlich ist die Polizei hier korrupt wie vieles andere und garantiert nicht durchgängig von uns überzeugt. Aber eine Gay Pride ohne Schutz von der Polizei oder der Stadt in Rumänien… ich glaube nicht, dass ich mich hintraue. Das ist brandgefährlich und wird fast garantiert Angriffe auf sich ziehen.
Juchhe an die ach so offene, tolerante, multikulturelle Stadt Cluj. Ich liebe dich, aber du bist und bleibst eine Stadt in einem der religiösesten und homophobsten Länder Europas. Und ich bin diese Angst so leid.
Umso mehr liebe ich die winzig kleine und umso stärkere LGBT+ Community hier. Durch und durch wundervolle Menschen, die mich dieses Jahr so geprägt und inspiriert haben, jeden einzelnen von ihnen kann ich mir zum Vorbild nehmen.
Zur Party? Zur Party!
Nunja. Davon muss ich noch erzählen: Samstagabend ging ich mit Jojo aus, zu der wohl schhlechtesten, aber auch amüsantesten 90s-Guilty-Pleasure-Party meines Lebens! Zum Glück haben wir zwei uns reingeschmuggelt ohne Eintritt zu zahlen, sonst hätte ich mich vielleicht geärgert. Der DJ war komplett dicht und demnach sehr verwirrt, er drückte wahllos irgendwelche Knöpfe - so spielten dann plötzlich Balladen im Club, die Lieder liefen erst in double time und dann mittendrin normalschnell, dann ging die Nebelmaschine an. Alle drei Minuten wurde er von irgendwelchen Angestellten zusammengefaltet, bekam das aber kaum mit, bis dann irgendjemand das Mischpult übernahm. Dann liefen zumindest einigermaßen tanzbare Lieder. Wir konnten drüber lachen.
Und Sonntagmorgen ging es dann unausgeschlafen zum Flughafen, um eine Woche nach Hause zu fahren um mich dort um Uni, Bewerbungen, Bafög und alles mögliche andere zu kümmern. Ich möchte im Moment eigentlich kaum etwas weniger, als eine ganze kostbare Woche in Datteln zu verbringen. Aber es ist das Richtige. Schätze ich.
Jeder kann kochen
Und hier, mein berühmtes Suppenküchenrezept, die Menge habe ich von 50 Portionen auf vier runtergerechnet. Extrem einfach, extrem günstig (wir geben bei 50 Portionen nie mehr als zwei Lei pro Kopf aus, für weniger Personen ist es minimal mehr), extrem lecker - und nur in einem einzigen Topf. :)
3 EL Butter
2-3 Knoblauchzehen (je nachdem wie sehr ihr Knoblauchgeschmack mögt)
250g Hackfleisch
250g Pilze
2-3 EL Mehl
1/2l Rinderbrühe
250g ungekochte, kurze Nudeln (z.B. Penne)
100g Sauerrahm
Pfeffer, evtl. Petersilie
Knoblauch kleinhacken und mit Butter in einem Topf auf mittlerer Hitze anbraten, bis es gut riecht. Hackfleisch hinzugeben, zerkleinern und braten bis es braun ist. Pilze schneiden und hinzufügen, mit Pfeffer würzen (NICHT salzen, die Brühe ist salzig genug!). Braten bis die Pilze weich sind, Mehl hinzufügen und zwei weitere Minuten braten. Rinderbrühe hinzugeben, kräftig rühren. Ungekochte Nudeln hineingeben. Deckel auf den Topf stellen und die Mischung auf hoher Hitze zum Aufkochen bringen. Sobald es kocht, rühren und auf niedriger Hitze sieben bis zehn Minuten mit gelegentlichem Rühren köcheln lassen, bis die Nudeln weich sind und ein Großteil der Flüssigkeit aufgesaugt wurde. Zuletzt den Sauerrahm einrühren. Wenn ihr möchtet, könnt ihr das Ganze mit gehackter Petersilie verfeinern.