Der Smiley und ich
Mein erster Tag in Breslau.
Mein Europäischer Freiwilligendienst startete nicht sofort. Oder eher gesagt meine Arbeit. Denn zur Einführung hatten wir drei Tage ein Seminar mit unserer Koordinatorin Maryna. Für mich ist sie schon eher meine Mentorin, wir haben die letzten Tage sehr viel Zeit zusammen verbracht und ich habe sie jetzt schon echt gern. Sie ist positiv, enthusiastisch und hat unglaublich viele Ideen! :D Aber dazu kommen wir später nochmal.
Morgens trafen wir uns an der Rezeption des Hotels, um gemeinsam zu frühstücken. Das Buffet ist echt himmlisch! Es gab Pfannkuchen, Rührei, Beeren, Nutella...eben alles, was das Herz begehrt. Im Anschluss begaben wir uns in einen Seminarraum und Maryna teilte uns Zettel aus. Dort stand etwas auf Polnisch und auf Deutsch. Zwei Augen blickten mich vom Blatt aus an. "Malen sie einen Mund", stand da... Okay.... "Und schreiben sie ihre Sorgen, Ängste, Wünsche und Erwartungen in den Mund." Hm. Gut, soetwas hätte ich eigentlich kommen sehen müssen. Aber der kurze Stich in meinem Herzen, den ich heute morgen nach dem Aufwachen gespürt habe, hatte ich zu dem Zeitpunkt schon erfolgreich verdrängt. Mist. Also musste ich doch noch einmal darüber nachdenken, was mir hier Angst macht und was im schlimmsten Fall hier in Polen Wirklichkeit werden könnte; keine Freunde, keinen Spaß bei der Arbeit, tragische Missverständnisse, dass mich die Kinder nicht mögen, dass mein Heimweh zu stark wird, dass ich hier als Deutsche abgelehnt werde, dass meine Freundschaften in Deutschland bröckeln, dass mich meine Fernbeziehung belastet, dass ich meine Arbeit nicht gut genug mache...
Aber ich durfte ja auch darüber schreiben, was ich mir wünsche, worauf ich hoffe. Hier soziale Kontakte zu haben und Freunde zu gewinnen ist mir sehr wichtig. Aber ich habe auch vor viel zu reisen und mein Gastland zu entdecken. Ich würde mich gerne ausprobieren, Gutes tun und dabei neue Kompetenzen entwickeln. An Herausforderungen möchte ich wachsen, mein Heimweh möchte ich in Dankbarkeit für so wertvolle Menschen in meinem Leben umwandeln. Das vielleicht stereotypische oder negative Bild von Deutschen und Polen habe ich vor zu verbessern. In meiner Freizeit möchte ich Sport treiben, fotografieren, schreiben, vielleicht einen Chor besuchen und viel unternehmen. Ein Traum wäre es ja, wenn ich auch mal kochen lernen würde. Mit meinem "Dr. Oetker Studentenfutter-Kochbuch" von meiner besten Freundin könnte es vielleicht sogar klappen! :D
Bis jetzt hatte ich geglaubt, dass ich nur mit Senioren und Kindern arbeiten würde und irgendwie war da noch die Rede von einem Theaterstück. Aber jeder sagte mir etwas anderes über meine Aufgabenbereiche und deshalb fiel ich aus allen Wolken als ich erfuhr, dass alles irgendwie stimmte! Meine Hauptaufgaben liegen in dem Kindergarten und der Seniorengruppe, aber das ist noch lange nicht alles. Die Gemeinde bietet auch noch einen Deutschkurs für Jugendliche an, den ich übernehmen werde. Des Weiteren wird dieser Kurs einen Austausch mit Deutschland haben, den ich organisieren soll. Da ich einen ganzen Tag im Büro sitzen werde als EFD-Freiwillige, soll ich auch auf einer bestimmten Plattform nach internationalen Projekten für den Kindergarten suchen. Während dieser Zeit soll ich auch Veranstaltungen und Feste planen wie das Laternelaufen oder das Erntedankfest. Die Kleinen kriegen auch noch Deutsch-Unterricht von mir und erhalten zwei Mal im Monat höchste Aufmerksamkeit und ich plane etwas ganz speziell für sie. Dies trifft ebenfalls für die Seniorengruppe zu. In der Woche bin ich jeweils abwechselnd bei beiden Gruppen und helfe den Betreuern. Außerdem möchte Maryna eine Jugendgruppe in der Gemeinde aufbauen und Mattis und ich sollen uns ein Konzept überlegen und durchführen. Maryna hat auch noch viele andere Ideen wie eine Kooperation mit dem Konsulat in Breslau, mit dem Kinderheim oder mit der Obdachlosenarbeit. Hier wird es sicherlich nie langweilig werden.
Ich war von der Flut an Informationen ganz schon überrumpelt und bekam etwas Angst, dass mir bei so vielen Aufgaben die Luft zum atmen wegbleibt. Maryna merkte das und meinte, sie habe immer so viele Ideen und falls alles zu viel wird verwerfen wir sie. Denn wir sollen hier etwas lernen und Spaß haben. Keinen Stress. Gut. Jetzt gibt es Mittagessen und ich muss gestehen; es besteht eine reelle Chance, dass ich hier kugelrund werde...die Köchin ist einfach unglaublich gut! *-*
Traumreise-Comic. So nannte Maryna unsere letzte Aufgabe. Mattis und ich sollten kreativ unsere Ideen festhalten und verbildlichen. Wir hatten eine Stunde Zeit und durften nichts aufschreiben. Mattis, dem Hobbyzeichner und Oregami-Profi, fiel das nicht schwer. Na toll. Ich kann nun mal nicht gut zeichnen. Und was macht Leonie da? Sie entscheidet sich für Strichmännchen. Tadaaaa! Aus meinem unglaublich geistreichen Brainstorming und meiner mangelhaften Zeichenkunst entstand dann ein Büchlein, was ich "Kindheitsträume" nannte. Wie nostalgisch. Ich hatte mich tatsächlich bei einigen Ideen an Erlebnisse aus meiner frühen Kindheit erinnert. Als meine Familie und ich mal im Urlaub waren, gab es in der Nähe einen kleinen Spielplatz mit einer Wippe, einer Schaukel etc. Ich hatte mal gesehen wie ein Mädchen über eine Wippe balanciert war. Da ich Langeweile hatte, probierte ich es aus. Ich schaffte es und war damals total stolz darauf. Und was machen Kinder, wenn sie auf etwas stolz sind? Richtig! Sie zeigen es Mama und Papa. Um meine Eltern noch mehr zu beeindrucken, plante ich mit meinem Bruder eine ganze "Zirkusaufführung", die Künststücke auf Spielplatzgeräten beinhaltete. Man, war das cool. Und genau deshalb möchte ich mit den Kindern eine kleine Zirkusaufführung für die Eltern machen.
Irgendwann begannen die Ideen nur so zu sprudeln; eine Schnitzeljagd, ein Herbsttag mit Kastanien sammeln und Herbstlieder singen, eine Übernachtung im Kindergarten und und und...Mit den Senioren möchte ich einen Märchentag machen, wo wir Lebkuchenhäuser gestalten und eine Märchen-Vorlesestunde haben werden und klassisch BINGO! spielen sowie gemeinsam singen und backen.
Falls ihr Ideen oder Erinnerungen aus eurer Kindheit habt, schreibt sie mir gerne an die Pinnwand!
Als der Seminarteil vorbei war gingen Mattis und ich noch gemeinsam zu "Biedronka", einem günstigen Supermarkt in Polen. Wir rätselten, was wohl "Butter" auf Polnisch heißt und hätten dabei fast Schmalz gekauft. Gerettet hat uns natürlich das Internet. Zum ersten Mal musste ich wirklich darüber nachdenken wie ich mich selbst ernähren möchte in dem nächsten Jahr und was ich dafür wirklich brauche. Die Polen sind ein Glück auch Freunde des beliebten deutschen Produktes. Na, was meine ich wohl? 1, 2 oder 3, die letzte Chaaaaance... okay, lassen wir das. Es geht natürlich um: "das Brot". Hier in Polen gibt es zwar weniger Auswahl für dunkles Brot, aber es existiert. Und es schmeckt echt gut. :-) Danke, ihr lieben polnischen Bäcker!
Zurück zuhause aßen Mattis und ich zum ersten Mal gemeinsam Abendbrot in unserem neuen Heim und gönnten uns ein Bier, welches der vorherige Freiwillige hier für uns hinterlassen hat. Sehr nett von ihm. Während des Essens klappte die Tür und wir sahen zum ersten Mal unseren riesigen (und wenn ich das sage, ist das wirklich wahr, er ist bestimmt einen Kopf größer als ich!) MitbewohnER. Bis dahin war mir sein Geschlecht und sein Name noch nicht bekannt. Der mysteriöse ER heißt Marcel, studiert Medizin und spricht sehr gut Deutsch. Das liegt daran, dass er in Lübeck studiert hat für ein halbes Jahr. Er begrüßte uns herzlich, erzählte uns, dass er hier schon tolle Partys mit unseren Vorgängern gefeiert hat und bot uns direkt seinen Alkohol, sein Essen und seine Musikanlage an. :D Er meinte, er liebe Deutschland. Deshalb wollte er unbedingt eine Deutsche Flagge von Schlesien in unserem Flur aufhängen...nunja. Für nächstes Wochenende sind wir jedenfalls schon mal auf einer Party eingeladen. Na das kann ja was werden! :D
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