Der Himmel weint zum 100-jährigen Gedenktag
Internationale Spitzenpolitiker haben in Paris des Endes des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren gedacht. In schwierigen politischen Zeiten wie heute, ist dies umso wichtiger, warnt Emmanuel Macron.
In seiner Rede zur Gedenkveranstaltung des Weltkriegsende warnte der französische Präsident Macron vor der Zerbrechlichkeit des Friedens und den Gefahren des Nationalismus. "Die alten Dämonen steigen wieder auf – bereit, ihr Werk von Chaos und Tod zu vollenden", sagte er. "Wenn man sagt 'unsere Interessen zuerst, was auch immer mit den anderen passiert', radiert man das kostbarste Ding aus, das eine Nation haben kann, das sie leben lässt, das sie groß macht und das am wichtigsten ist: ihre moralischen Werte."
Rund 70 Staats-und Regierungschefs, unter ihnen Angela Merkel, Donald Trump und Wladimir Putin, haben am 11.11. in Paris des Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren gedacht. So viel Politprominenz war schon lange nicht mehr zusammengekommen. Unter lang anhaltenden Regenschauern und Glockenläuten der Pariser Kathedrale Notre-Dame begann der Gedenktag mit passend getrübter Stimmung. Die Staatsoberhäupter rollten in Reisebussen über die Champs-Elysées bis zum Triumphbogen, wo es dann zu einer mahnenden Rede des französischen Staatspräsidenten kam.
Emmanuel Macron beschwor in seiner Rede die Gräuel des Krieges hinauf, die Millionen Toten und Verletzten, die sinnlosen Schlachten um wenige Meter Geländegewinn. "Europa hätte sich beinahe selbst umgebracht", sagte er.
Der einzige Kampf, der sich lohne, sei der gemeinsame Kampf gegen den Klimawandel, Armut und Unwissenheit. Einmal mehr warnte er vor dem Rückzug auf sich selbst und vor alten Dämonen. Nationalismus sei das Gegenteil von Patriotismus, es sei dessen Verrat, betonte Macron. US-Präsident Donald Trump verzog bei der Rede keine Miene.
Das Gedenken an diesem Tag in Paris wurde mit einigen Programmpunkten passend gestaltet: Glockenläuten, Uniformen, Fahnen, klassische Musik und bewegende Texte von Zeitzeugen des Waffenstillstands, gelesen von französischen Schülern. Auch ein Text von Erich-Maria Remarque war dabei: "Der Krieg ist zu Ende. In einer Stunde sollen wir abziehen (...) Da stehen wir und sollten lachen und brüllen vor Vergnügen - und haben doch ein flaues Gefühl im Magen."
An einem so bewegenden Tag stand natürlich auch die deutsch-französische Freundschaft im Vordergrund mit ihrer historischen Aussöhnung. Der Wald von Compiègne nordöstlich von Paris hat in der deutsch-französischen Geschichte gleich zweimal Bedeutung erlangt: Vor 100 Jahren, am 11. November 1918 unterzeichneten die Deutschen dort mit den Alliierten in einem Eisenbahnwaggon den Waffenstillstand. In dem Waggon hatte der alliierte Oberkommandeur Ferdinand Foch den Deutschen 1918 die Friedensbedingungen überbracht - was in Deutschland von vielen damals in den 1920er und 30er Jahren als Schmach bezeichnet wurde.
Nach dem deutschen Einmarsch in Frankreich 1940 ließ Adolf Hitler denselben Waggon auf die Lichtung schaffen und diktierte den Franzosen dort am 22. Juni persönlich die Kapitulation - eine Vergeltung, welche Frankreich demütigen sollte.
Heute ist die Wald-Lichtung von Rethondes ein Gedenkort. Im Museum ist ein Nachbau des Waggons zu sehen, wo sich Merkel und Macron ins Goldene Buch eintrugen. Der historische Eisenbahnwagen war von den Nazis nach Deutschland gebracht und im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Macron betonte, dass der "Ort der Revanche" durch den gemeinsamen Besuch mit Merkel zum Ort der "allerletzten Versöhnung" zwischen beiden Ländern werde.
Auch für die Pariser war es unmöglich, die Feierlichkeiten nicht mitzubekommen. Im Stadtzentrum war Chaos angesagt, einige Metrostationen wurden nicht bedient. Auf dem Place de la République fand eine große Veranstaltung gegen die Teilnahme des amerikanischen Präsidenten Trump statt, welcher bei der Pariser Jugend einen ganz schweren Stand hat. Die Gedenkfeierlichkeiten waren das Thema Nummer eins auch für die Jugendlichen. Gemeinsam haben wir uns ausgetauscht, wie sich welche Politiker verhalten haben und welche unangenehmen Situationen dabei entstanden sind. Oft spricht man untereinander über die Historie und welchen Einfluss diese auf unseres heutige Leben hat. Jeder hat dabei einige Anekdoten von Familienangehörigen zu erzählen oder welchen Bezug unterschiedliche Kulturen zu uns herstellen. Die deutsch-französische Freundschaft ist bei vielen Parisern (auch bei den Jugendlichen) immer DAS Symbol für den Frieden und den europäischen Einheitsgedanken. In gemeinsamen Gesprächen im "Sprachencafé" mit Studenten und jungen Erwachsenen aus ganz Europa habe ich am Montag den Gedenktag reflektiert und wir haben festgestellt, dass ein friedliches Miteinander nur über solidarisches Zusammenarbeiten verschiedener Länder funktoniert. Und Europa ist seit über 70 Jahren auf einem guten Weg.
Ein bedeutender Gedenktag mit mahnender Atmosphäre, welcher von einer warnenden Rede Macrons begleitet wurde, hatte in Paris an diesem Tag genau den richtigen Ort gefunden. Ob sich durch solche Reden und solidarischen Aktionen, wie am 11.11.2018, das raue politische Klima der heutigen Zeit besänftigen lässt, muss man abwarten.
Quellen:
https://www.zdf.de/nachrichten/heute/paris-100-jahre-ende-erster-weltkrieg-gedenkverantsaltung-macron-mahnt-100.html
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-11/paris-gedenkfeier-erster-weltkrieg-ende-angela-merkel-donald-trump
https://www.youtube.com/watch?v=RG_v-cZFmHg