Der dreifaltige Freiwilligendienst
Der erste Arbeitstag, Erkenntnis über Freiwilligendienste im allgemeinen (vor 1 Woche geschrieben)
Nach 2 Wochen ohne Pfanne, WLAN oder Arbeit (was ich davon am meisten gemisst habe, darüber bildet sich bitte jeder seine eigene Meinung), die sich je nachdem sehr lange und sehr kurz angefühlt haben, habe ich das Gefühl, schon etwas mehr über Freiwilligendienste im Allgemeinen und den meinen im Speziellen herausgefunden zu haben. Es gibt natürlich unfassbar viele Aspekte, was diese Art des Zeitvertreibs betrifft, aber was für mich eine Rolle spielt ist die Arbeit an sich, andere Kulturen kennenzulernen und auch das Land anzuschauen. Damit fange ich natürlich gerade erst an, aber die letzten Wochen kreisten doch um vor allem diese Aspekte. Also habe ich mal ein paar erste Eindrücke oder Beobachtungen zu jedem Einzelnen gesammelt.
Das Aktuellste zuerst: Meine Arbeit. Die doch schon lange Zeit, die ich hier bin und noch nicht angefangen hatte, ließ das sowieso sehr vage Bild, das ich von meiner Arbeit hatte, zu einem Haufen von Erwartungen mit unermesslicher Spannweite heranwachsen. Am Donnerstag ging ich dann aus dem Haus ohne die leiseste Ahnung, was ich tun werde, außer dass es mit Pflanzen und vielleicht mit Palmen zu tun haben werde. Die Nacht davor hatte ich erfolglos versucht, meine teils hohen, teils zu niedrigen Erwartungen einfach in Luft aufzulösen, was mich einen Großteil der Nacht kostete. Morgens war ich dann wenigstens viel zu müde, um zu denken. Um 6:45 Uhr holte mich mein Chef an einem vorher verabredeten Treffpunkt ab und er fuhr mich zum „Hauptquartier“, einer Sammelstelle von Werkzeug, landschaftlichen Fahrzeugen und dem Büro des -nennen wir es mal- Begrünungsamtes. Es war dunkel, Männer in schweren Sicherheitsschuhen stapften uns entgegen und ich realisierte abgesehen von der Sekretärin das einzige weibliche Wesen in Sicht zu sein. Langsam klärte sich das Bild auf, buchstäblich durch die aufgehende Sonne, aber auch metaphorisch durch die Erklärungen meines Begleiters. Ich werde in einem festen Team arbeiten, das je nach Bedarf und Jahreszeit (und Laune?) an den verschiedensten Stellen arbeiten sollte. Los ging die Fahrt durch die kargen Sandkegel um Elche, auf denen wie Pusteln einige Sträucher kleben, dunkelgrün auf hellem beige. Jetzt geht es los! Dachte ich. Wo wird es hingehen? Mehr Palmen? Ein Aufforstungsprojekt? Das Naturschutzgebiet im Moor? Beim Aussteigen irritierten mich vor allem die halbhohen, langen weißen Mauern, bis ich begriff: Das sind Kolumbarien.
2 Stunden später, meine Arme ziehen schon etwas vom Rechen, gibt es den Vormittagsimbiss. Zeit für ein Fazit: Meine Sorgen wegen der Sprachprobleme waren unbegründet, ich schäme mich ein bisschen: Ein Mitarbeiter ist taubstumm, nur ein anderer beherrscht die Gebärdensprache. Er kommuniziert auch jeden Tag, muss sich verständlich machen. Dann werde ich es ja wohl auch schaffen, sowohl ich ja auch schon mehr verstehe als erhofft und verständliche Sätze bilden kann. Ich weiß aber nicht genau, was ich von der Arbeit halten soll. Zuerst einmal merke ich, wie befreiend es ist, nicht für Geld zu arbeiten. Ich tue das für mich, für die Pflanzen, für mehr Umweltbewusstsein. Und das stumpfmachende, den Wert der Arbeit entwertende Gefühl, alles nur wegen des Geldes zu tun, bleibt aus. Dafür muss aber ein Ersatz her, nämlich ein richtiger Sinn. Ich hatte genug davon, zu hören und zu lesen, wie die Konsequenzen des zu kurzfristig denkenden Menschens auf das Leben aller und vor allem unschuldiger Wesen massiven Einfluss haben und teilweise Unwiderbringliches zerstören. Ich wollte anfangen, etwas zu tun. Die Welt an einem Tag zu einem besseren Ort zu machen, das ist unmöglich, dafür braucht es mehr als ein Menschenleben, das weiß ich. Und nun stehe ich da und reche die gestutzten Äste einer Rose zusammen und schmeiße sie fort, nur dass das zu kleine Beet etwas netter aussieht. Das sehe ich nicht als den Sinn der Sache an, meiner Sache. Ich gebe zu, einfach einen kleinen Denkfehler gemacht zu haben, der große Auswirkungen hat. Die wilde Natur, so wie ich sie am schönsten finde und in der ich hoffte, den Großteil der Zeit zu arbeiten, braucht meine Hilfe nicht. Die Beete der Stadt, der angelegte Park, die Blumen, die die Trockenheit nicht gewöhnt sind, die brauchen Hilfe. Und das wird meine Arbeit sein. Und vielleicht ist das sogar sehr gut so.
Aber natürlich ist Arbeit nicht alles. Das ist ein gutes Stichwort: Wenn es darum geht, Land und Leute kennenzulernen, begegnet man auch schnell der Arbeitsmoral der Spanier: ja, Arbeit ist nicht alles. Man drückt sich nicht und man ist nicht faul, aber man lässt sich doch nicht vom Stress den Magen verderben.
Jeden Tag treffe ich ein Stück von Spanien in seinen verschiedensten Facetten: Der sehr alte, sehr faltige Nachbar, der mit seinem Trolli zum nächsten Laden zuckelt, die Kinder, die Hupen, die Vögel, die sich zu fast jeder Tageszeit in Form eines witzigen, lauten Geräuschemischmaschs durch das dünne Fenster schleichen, die blauen Berge, die man vom Balkon aus sieht. Zu all dem kann ich mich nur sehr allgemein halten: Manche Sachen gefallen mir sehr, und manche eben nicht. Ich bin ein bisschen zu wenig zurechtgemacht für den Nachmittagsspaziergang, aber es geht nichts über ein bisschen Flanieren, da sind wir uns einig. Ich will noch mehr von Spanien sehen. Letztes Wochenende fanden fünf von uns Freiwilligen die Zeit, Valencia zu besuchen. Wunderschön. Ein nichtssagendes, beiges Hochhaus glänzt durch die blauen Kacheln über der Tür, mitten in der Stadt steht ein großes Stadttor, das man für eine Burg halten könnte, und überall entdeckt man kleine Details der aufregenden Geschichte der Stadt, Jugendstil, pompöse mittelalterliche Kirchen und Zwiebeltürme der maurischen Architektur. Ein tolles Wochenende.
Auch die Völkerverständigung wird hier nicht vernachlässigt. Beim internationalen Mittagessen tischen wir auf, was unsere Länder zu bieten haben, Aufwendiges und Hausmannskost steht nebeneinander und ich merke: Kultur hautnah erfahren macht beim und durch Essen fast am meisten Spaß. In einem regen Durcheinander benennen wir die Speisen, vergleichen, reden über Sprache. Eine Italienerin überrascht mich, sie liebt deutsche Gedichte und das Harte der Sprache, andere lachen über das Wort Spätzle, das iberische Temperament der Slowenierin und unseren überhaupt nicht machohaften spanischen Mentor, der inmitten von 8 selbstbewussten jungen Frauen ein bisschen untergeht. Eine zweite Einsicht: jede Kultur hat ihre wunder- und sonderbaren Eigenheiten und eines der schönsten Dinge ist eigentlich, wenn sich Kultur auf Augenhöhe trifft, ohne dass etwas zwangsläufig untergehen muss. In diesem Falle läuft das Ganze auf einer geschmacklichen Ebene ab. Die polnischen Kartoffelpuffer machen sich wunderbar mit Zatziki und in Ermangelung von Platz und Zeit gibt es die Spätzle einfach mit Pesto. Mein persönlicher Favorit allerdings sind arme Ritter mit Mangostücken. So findet auch wieder jeder seine Nische und wenn das kulinarisch schon funktioniert, könnte man das ja mal auf den Nicht-Essen-Bereich gleich mit übertragen.