Das selbe Land?
Wir haben uns aufgemacht an diesem Wochenende, um mal eine andere Seite Israels zu erkunden, und sind nach Palästina gefahren...
Shalom an alle…
Das letzte Wochenende war für mich ein sehr spannendes, tolles und einprägsames Erlebnis. Ganz spontan habe ich mich Mittwochabend mit Magga entschieden, übers Wochenende nach Nablus zu reisen. Leider ist das jetzt schon ein paar Wochen her, weil ich dann doch noch die letzten schönen Wochen mit viel Sonne genossen habe, anstatt brav meinen Blog zu schreiben. Deshalb gibts jetzt halt erst den Beitrag.
Die arabische Stadt Nablus ist eine der größten Städte in der Westbank, also dem palästinensischen Gebiet im Osten von Israel. Viele Gedanken haben wir uns vorher nicht gemacht, wir wussten zwar, dass wir uns aus unserer gewohnten Umgebung, dem sehr internationalen und westlichen Tel Aviv, herausbewegen, aber was uns wirklich erwartet hat, haben wir nicht wirklich einschätzen können. Da wir Donnerstag frei hatten, konnten wirmorgens von der Central Bus Station in Tel Aviv losfahren. Um überhaupt nach Palästina zu kommen, muss man über Jerusalem fahren, von da aus dann weiter nach Ramallah und dort wieder umsteigen nach Nablus. Geregelte Buszeiten sucht man in der Westbank aber vergeblich, von allen Seiten wird uns zugerufen wo welcher Bus hinfährt, dann wird gewartet bis der Bus voll ist und los fahren kann.
Magga und ich hatten die Reise, so schlau wie wir sind, nicht wirklich geplant, im Bus von Jerusalem nach Ramallah hat sich dann eine Couchsurfing Schlafgelegenheit ergeben, so dass wir dann auch mal wussten, wo wir dort übernachten werden (für diese ein bisschen riskante Aktion hab ich auch schon ein bisschen was von meinen Eltern auf den Deckel bekommen… ) :) Für die die Couchsurfing nicht kennen, das ist eine App, bei der man Leute kennen lernt, die ihr Zuhause kostenlos zum übernachten anbieten. Es geht aber auch viel darum, dass man gegenseitig etwas zusammen unternimmt oder sich die Stadt zeigt/gezeigt bekommt.
Schon in Ramallah haben wir den großen Unterschied zwischen dem jüdischen Israel und dem arabischen Palästina gemerkt. Wir haben ohne wirkliche Grenzkontrollen zwar die Grenze überquert, wurden aber in Ramallah und später noch mehr in Nablus von allen Leuten angestarrt, auf Englisch angesprochen, Kinder kamen zu uns gelaufen und wollten uns die Hand schütteln. Als wir in Nablus angekommen sind hat es sich für uns angefühlt, als wären wir die einzigen Europäer, die je in diese Stadt gekommen sind. Wir zwei deutschen Mädels, eine davon sogar noch blond, mit unserem Backpacker-Rucksack und Birkenstocksandalen haben nicht so ganz in das Erscheinungsbild in Nablus reingepasst.
Nor, die Frau bei der wir übernachtet haben, hat uns an der Station abgeholt und uns die Altstadt von Nablus gezeigt. Nablus ist eine typische arabische Stadt, man ist zwar von Tel aviv nur 2 Stunden gefahren, befindet sich aber gefühlt im Iran. Es gibt fast keine Frauen die ohne Kopftuch rumlaufen, die Straßen sind überfüllt, es ist super laut und sehr viel Trubel. Wir sind viel rumgelaufen, waren auf großen Bazaren, in einer Moschee und Nor hat uns die Altstadt gezeigt. Abends waren wir dann noch mit ihr und ihrer Schwester in einem Cafe und wurden dann noch zu Knave (ein Nachtisch aus süßem Käse und Getreide) und einer Shisha eingeladen.
Nor ist eine wirklich super nette Frau. Am nächsten Morgen hat sie uns ein palästinensisches Frühstück mit Pita und Käse und anderen arabischen Leckereien, von denen ich mich an die Namen schon zwei Minuten später am Frühstückstisch nicht mehr erinnern konnte, zubereitet. Mittags gings dann weiter, Magga und ich hatten auf Couchsurfing den 30-jährigen Anwalt Rijad aus Nablus kennengelernt, mit dem wir schon super netten Kontakt über WhatsApp hatten und der uns gerne die Stadt zeigen wollte. Er hat uns dann mit seinem Auto abgeholt, auf dem Weg haben wir dann noch einen Freund von ihm abgeholt und sind losgefahren.
Nablus liegt zwischen zwei Bergen, auf dem einen Berg befindet sich eins von den zwei letzten verbliebenen Samariter Dörfern der Welt, was wir auch als erstes besucht haben. Die Samariter sind eine eigene Religionsgemeinschaft mit nur noch 700 lebenden Mitgliedern, die sich als Söhne Israels bezeichnen und immer noch das alte Hebräisch sprechen. Wir haben dort ein Museum besucht und uns mit einem Rabi dort unterhalten. Der hat dann auch Rijad die Hand geschüttelt, aber Margaritha und mir zum Beispiel nicht (Wir sind halt Frauen, da besteht immer das Problem, dass man unrein sein könnte und dann dürfen uns die ganz religiösen Männer nicht anfassen).
Der Rabi hat uns dann aber sehr viel über das alte Testament und die Religion der Samariter usw. erzählt, was sehr spannend war, da die Samariter ja eigentlich Israelis sind und an die Tora glauben, aber in Palästina wohnen, arabisch sprechen und auch friedlich mit den dort lebenden Muslimen sind. Es funktioniert halt irgendwie doch manchmal, das mit dem Frieden. Über den Tag hat Rijad uns zu unterschiedlichen Stellen in Nablus gefahren, wir haben uns den Ausblick bei Tag und Nacht vom Berg aus angeschaut, sind zb. durch ein Flüchtlingsbezirk gefahren und haben uns die Innenstadt angeschaut.
In Nablus habe ich das erste Mal so richtig den Konflikt gespürt. An vielen Stellen stehen Denkmale um arabischen Märyrern als Landeshelden zu gedenken. Ein Denkmal besteht aus einem Schlüssel über dem auf arabisch „Wir kommen wieder“ steht. Symbolisch soll das eine Drohung an die Israelis darstellen, dass die Araber zurück nach Israel kommen werden und immer noch die Schlüssel für ihre Häuser dort haben, von denen sie von den Juden damals vertrieben wurden. An einer Stelle befand sich ein Denkmal für die Opfer der 2. Intifada mit der Aufschrift "Never forgive, Never forget the massacre of the Israelian Army", direkt daneben eine Wandmalerei mit "Resist to exist".
Wir sind mit dem Auto noch in ein kleineres Dorf gefahren, als wir wieder zurückfuhren, kamen wir an einem Schild vorbei. Dort stand extra nochmal auf Englisch drauf, dass es auf diesem Weg in ein palästinensisches Dorf geht und es sehr gefährlich für Israelis sei. Ich persönlich möchte den Konflikt und alles selber gar nicht bewerten, dafür gibt es einfach viel zu viele Perspektiven und Tatsachen, aber es ist trotzdem auf beiden Seiten sehr spürbar. Rijad hat uns später auch erzählt, dass man als Palästinenser quasi dazu verpflichtet ist, die Juden zu hassen und viele einfach so viele Vorurteile seid ihrer Geburt gegenüber den Anderen haben, aber zb. noch nie im gegenteiligen Landesteil gewesen sind.
Rijad und sein Freund haben uns dann Abends in ein palästinensisches Restaurant eingeladen, da gab es dann im Gegensatz zu unserem Sparprogramm-Freiwilligen-Essen mal was richtig Leckeres. Am nächsten Morgen sind wir dann wieder zurück nach Ramallah gefahren, da war es uns aber nach dem Wochenende was wir hatten viel zu stressig, sodass wir nach zwei Stunden weiter nach Jerusalem gefahren sind und uns dort tagsüber die Stadt angeguckt haben. Jerusalem ist eine super schöne und natürlich sehr religiöse Stadt, die wir an einem Tag noch gar nicht richtig erfassen konnten. Aber am nächsten Wochenende fahre ich nochmal nach Jerusalem um mir alles in Ruhe anzugucken. Auf dem Weg von Ramallah nach Jerusalem mussten wir dann über die Grenze von Palästina nach Israel und sind dort ein Stückchen an der Mauer langgefahren. Da musste ich dann bei dem Anblick schon mal schlucken und auch wenn ich da noch nicht geboren war, hat es sich so angefühlt wie Deutschland vor 1989.
Was bei uns einfach über 25 Jahre her ist, ist in Israel aktuelle Realität. Vor allem auf der palästinensischen Seite findet man auf der Mauer viele Karikaturen und Schriftzüge wie "Fuck Israelian Cowards", "Free Palastine" etc.
Im Bus wurden dann auch komplett unsere Unterlagen, also Reisepass, Visa kontrolliert, wir mussten dann in einen anderen Bus umsteigen und konnten schließlich die Grenze überqueren. Menschen, die in der Westbank leben, ist es mit ihrem palästinensischen Pass generell ohne Sondererlaubnis gar nicht erlaubt, die Grenze zu überqueren, das einzige Land, in das sie wirklich direkt ausreisen können, ist Jordanien. In Jerusalem angekommen war es dann auch noch ein schöner Tag. Es war echt schön nach diesem Wochenende, an dem man den Konflikt auf beiden Seiten sehr gespürt hat, in eine Stadt zu kommen, in der auf der Strasse Juden mit traditionellem Aussehen und den typischen jüdischen zwei Locken und Hut (oder zb. mit Kippa) neben der muslimischen Frau mit Kopftuch und dem arabischen Christen einkaufen gehen. Das gibt dann auch Hoffnung das hoffentlich irgendwann die ganze Nation friedlich zusammen leben kann.
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