Colombia nos vemos!
Eine ereignisreiche, verrückte siebenwöchige Reise und ein Abschied
"Diese Soße ist nicht scharf". Wenn diese Worte während meiner Zeit dort von einem Mexikaner geäußert wurden, war für mich immer allerhöchste Todesgefahr angesagt. Denn was dort als mild gilt, ist für meinen Mund eine mehrminütige Tortur. Aber der Reihe nach: Nach meinen letzten Tagen in Kolumbien machte ich mich auf nach Mexiko, Panama, Bolivien und Peru, bevor es gestern nach 7 Wochen wieder zurück nach Bogotá ging. Während meinen letzten Tagen durfte ich noch mal halsbrecherische Uber-Fahrten erleben: Angetrieben von Modern Talking versuchen manche Fahrer die Schallmauer zu durchbrechen ( Ich meine "Louis,Louis" ist ein toller Song, aber es muss jetzt nicht unbedingt der letzte Song sein, den ich höre). Nach dem das überstanden war hieß es Abschied nehmen von der Universität, meiner Wohnung und Freunden und ab ins Flugzeug nach Mexiko.
Dieses Land wird seinem Ruf als fantastisches Reiseland allemal gerecht! Die Menschen dort strahlen eine solche Lebensfreude und Herzlichkeit aus, dass ich mich bereits wirklich nach wenigen Tagen wie zuhause fühlte. Nachdem meine gute Freundin Sara mir schon eine Essensliste erstellt hatte - alles zu essen hätte mehrere Monate in Anspruch genommen- durfte ich wirklich bezeugen, dass die Mexikaner nicht nur unglaublich liebenswürdig sind, sondern auch mit Abstand das beste Essen machen. Nur um Süßigkeiten machte ich einen Riesenbogen: Diese hatte eben jene Sara mal mitgebracht und die verfolgen mich noch heute in einigen Albträumen- wer auch immer auf die Idee kam Chilli in Süßigkeiten zu füllen, muss 3 Falschen Tequila intus gehabt haben und selbst ist das keine Entschuldigung. Mexiko hat aber auch landschaftlich unglaublich viel zu bieten: die Pyramiden von Teotihuacan, die gefrorenen Wasserfälle nahe Oaxaca, den Canyon Sumidero oder die Pyramiden von Palenque. Leider konnte ich nur kurz mit meiner Mitstudentin Laura reisen, da eine Krankheit von ihr unsere Wege wieder trennte. Jedenfalls hatte ich auch nach 3 Wochen das Gefühl, dass ich noch ewig dort weiterreisen könnte. Am meisten überraschte mich aber Mexiko-Stadt. Dieses ist in den touristischen Zentren sehr grün, sicher und man fühlt sich einfach sehr wohl dort und die Größe ist einfach mit Worten nicht zu beschreibbar. Dagegen wirkt selbst Bogotá wie Gemmingen. Na gut, sagen wir wie Mannheim. Wer für den nächsten Marathon trainieren will, muss sich gar keine Laufstrecke suchen, man kann einfach in der Mexiko-Stadt Metro von Linie A nach B laufen. Kleiner Tipp: Mit Gepäck machts noch mal mehr Spaß. Übrigens kaum zu glauben: In Mexiko kann man für 2 Euro (!!!) ins Kino. Ich meine, dafür darf man in Deutschland gerade mal am Popcorn riechen.
Um auch mal ein Beispiel von mexikanischer Herzlichkeit zu geben: Die ehemalige Gastfamilie meiner Mitbewohnerin Stefanie nahm mich, ohne vorher je ein Wort mit mir gewechselt zu haben, über Weihnachten auf. Da die große Familie aber Schwierigkeiten mit dem Namen Florian hatte, einigten wir uns Carlos. Dort werden dann allerhand Spiele an Heiligabend gespielt: So bezahlt etwa jeder einen kleinen Geldbetrag der in eine kleine Box gepackt wird, welche widerum von anderen Boxen umhüllt ist. Diese muss dann ausgepackt werden, wobei jedoch nur auspacken darf, wer zuvor einen Pasch gewürfelt hat. Dabei muss man sich aber davor Handschuhe, Jacke und Mütze anziehen muss. Nein , ich habe nicht gewonnen. Bevor es dann aber ins Flugzeug ging musste eine Krise überstanden werden: Nachdem wir auf Grund der Diagnose eines Arztes in Taxco in Mexiko City ein Krankenhaus aufgesucht hatten, wurde uns dort gesagt, dass der HNO Arzt im Urlaub ist und es auch keine Vertretetung gibt (ich meine woher sollen die in einem Dorf wie Mexiko Stadt auch herkommen). Irgendwo konnten wir dann aber jemanden auftreiben, auch wenn die Diagnosen nicht immer hundertprozentig präzise sind: "Erika, du bist nicht gesund" -Die Patientin hieß Stefanie, aber man kann auch nicht auf alles achten. Nachdem aber dort alle Notfälle ausgeschlossen waren, hieß es: Auf nach Panama.
Im Flugzeug zeigte man Dokus/Filme ohne Ton, um den Passagieren Schlaf zu ermöglichen- wobei die Pinguin-Doku wahrscheinlich mit Ton genauso spannend gewesen wäre. Bei Ankunft erst mal Schock. Dollar Preise. Naja als Übung für Deutschland nicht schlecht, aber der Geldbeutel wäre lieber in Mexiko geblieben. Leider dauerte die Regenzeit länger an als gedacht, jedenfalls wird man in den dortigen Regenbächen so nass, dass sich selbst Taxifahrer weigern, einen mitzunehmen. Generell hat Panama aber den wenigsten bleibenden Eindruck hinterlassen, was wohl daran liegt, dass man kaum Einheimische trifft und generell alles sehr US-orientiert ist. Highlight war ein Besuch der San Blas- Inseln, die etwa 4h von Panama-Stadt liegen. Über mein Silvester in Panama Stadt würde ich gerne mehr berichten, aber ich hatte meine Weißwein-Kapazatitäten etwas überschätzt. Das Feuerwerk war aber glaub ich ganz nett.
Als nächstes brachte uns das Flugzeug nach La Paz in Bolivien und der Unterschied zu Panama- Stadt könnte nicht größer sein. La Paz ist wohl die unterentwickelste Hauptstadt, die ich je gesehen habe und Bogotá ist wahrlich keine Pracht. Die meisten Hauswände sind mit Präsidentenpropaganda beschmiert und seit es die moderne Seilbahn gibt, zum Teil sogar die Dächer. Zudem bekamen wir mit, dass dort wohl ein neues Gesetz erlassen wurde, das Ärzte ins Gefängnis bringt, wenn ihr Patient stirbt. Leider kein Witz. Deswegen sind auch unzählige Haustüren mit Zetteln beklebt: "Apoyo a mi medico"- Ich unterstütze meinen Arzt. Hoffentlich wird es Wirkung zeigen. In La Paz befindet sich auch die beeindruckende Death Road, die ihren Namen durch zahlreiche Tode bei Autounfällen vor 10 Jahren trug und lange als gefährlichste Straße der Welt galt. Inzwischen wird sie hauptsächlich durch Fahrradfahrer genutzt. Nachdem ich hörte, dass es nach Mountainbike- Abfahrt ein Survivor- Tshirt und Buffet gibt, musste ich mich sofort anmelden. Die Landschaft ist sehr beeindruckend, denn man startet bei 4600 m in den Bergen und kommt bei 1300 m im Dschungel an. Auch wenn es schon sehr enttäuschend war, dass die Frikadellen im Buffet alle waren. Die Schwierigkeit der Abfahrt war nicht so schlimm wie befürchtet, aber verbremsen sollte man sich eher nicht. Meine Eltern kündigten, als sie davon erfuhren, meine Enterbung an. Ich finde sie sollten doch eher froh sein, dass ich noch da bin, um etwas zu erben.
Noch beeindruckender als die Death Road war aber die Salzwüste von Uyuni, die wirklich mit Abstand das beeindruckendste ist, was ich in meinem bisherigen Leben erleben durfte- und dazu zählt schließlich auch das Gemminger Parkfest. Während der dreitätigen Tour sieht man alles über eine riesige Salzfläche, Sandwüsten, Lagunen und Geysire, wobei die mit Wasser gefüllte Salzfläche einen wirklich fühlen lässt als laufe man im Himmel. Ich habe genug Fotos für Fotokalender bis 2678, also bei Interesse gerne melden. Highlight war auch ein Thermalbad mitten in der Wüste, wo uns nachts die Sternenbilder per Laserpointer erklärt wurden, auch wenn ich die wie immer nicht erkannte (Mal ganz ehrlich Leute, nur weil da 3 Sterne ein bisschen nah beeinander sind, ist das noch lange kein Gürtel). Leider hatte unser sonst toller Guide William in der letzten Nacht wenig geschlafen und so mussten wir ihn auf der Jeepfahrt durch Gespräche wach halten und ich weiß jetzt mehr über Quinoa und Kokain als ich jemals wollte- wie wir genau den Übergang zwischen den beiden Themen geschafft haben, weiß ich auch nicht mehr. Unser Weiterfahrt gestaltete sich schwieriger als gedacht, da auf Grund eines Anti-Demonstrationsgesetzes des Präsidenten überall protestiert wurde und ganze Straßen und Dörfer abgeriegelt wurden. In einem Dorf mussten wir wirklich 5h warten, bis uns abends ein Taxi per Feldweg hinausbringen konnte- muss nicht noch mal sein. Auch die folgende Busfahrt brachte kein Glück- wegen des Dakar-Autorennens waren wieder Straßen blockiert und die Fahrt verzögerte sich geringfügig, statt 12h eben 21. Dann waren wir aber endlich am Titicacasee, der einmal mehr zeigte wie viel Bolivien landschaftlich zu bieten hat. Auch hier wurde ich Zeuge von präzisen Zeitangaben. "Diese Wanderstrecke dauert 1h". Wenn ich von einem Rudel Wölfe verfolgt worden wäre, hätte ich es vielleicht in dieser Zeit geschafft, aber der normale Wanderer braucht dann eher 4. Na gut, auch dort wurden wieder genügend Fotos für 3 weitere Fotokalender gemacht, da ich mich dort wieder mit der ebenso fotowütigen Finja traf. Beeindruckend war auch die Isla del Sol, auf der Sage nach der erste Inka geboren wurde. Also ich finde Hanau als Geburtsort cooler, aber nun gut. Nach zwei Wochen beeindruckender Natur führte uns der Weg dann per Bus- erstuanlicherweise ohne Zwischenfall- nach Peru.
Die peruanische Seite des Tititcacasees ist nicht mal halb so schön, weswegen wir schon nach einem Tag von Puno nach Cusco reisten. Von dort starteten wir das Unterfangen: "Hilflose und untrainierte Deutsche versuchen verzweifelt den Machu Picchu zu besteigen". Wobei wir erst mal in der falschen Tour waren, da am selben Tag jemand namens Gloria eine andere Tour im Hostel gebucht hatte- ich bin immer noch beleidigt. Ich meine meine Haare sind durch die Reise lang geworden, aber wie eine Gloria seh ich echt immer noch nicht aus. Aber zum Glück fiel der Unterschied recht schnell auf. Mit dem Van fährt man 7h zu einem Vorort und läuft dann- wenn man für den Zug kein Geld ausgeben will- 3h an den Schienen entlang zu dem Dorf Aguas Calientes, von wo man am nächsten Tag den Aufstieg beginnt. Auf dem Weg befinden sich unglaublich hilfreiche Schilder, wie etwa "Nicht zu nahe an den Schienen laufen"- es gibt nur einen Weg und der ist wirklich direkt an den Bahnschienen. Der Aufstieg wurde für 90 min angekündigt- das hat vielleicht Reinhold Messner zu seinen besten Tagen geschafft oder ein Alpaca auf der Flucht vor einem Berglöwen, der gesunde Mensch eher weniger und zwischendrin hatte ich echt Angst, ich hätte mich aus Versehen für ein Mount-Everest Trainingscamp angemeldet. Dabei wechselt das Wetter auch so schnell, dass nur das Zwiebelprinzip hilft. Ein Wort, das ich erst in Kolumbien kennengelernt hab, woraufhin Stefanie mir vorwarf, ich könne kein Deutsch. Nun gut, wenn man meine Rechtschreibfehler in den ersten Einträgen zählt, könnte man schon denken ich mache erst Anfänge in der deutschen Sprache. Aber endlich oben angekommen, konnte man die atemberaubende Landschaft in den Bergen bewundern (und gleichzeitig erschreckt feststellen, dass man das alles wieder runterlaufen muss). Die Landschaft war den Aufstieg zwar wert, aber ich finde trotzdem die Inkas hätten ruhig auch im Tal bauen können. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau (Wortspiel hihi). Von da ging es gesundheitlich leider bergab, weil in einem weiteren Nachtbus leider die Heizung ausfiel und ich jetzt weiß wie man sich wohl am Nordpol ohne Jacke fühlen muss. Jedenfalls habe ich mich in Arequipa und Lima dann eher ausgeruht, bevor es gestern Nacht dann noch mal für einen letzten Abschnitt nach Bogotá ging.
Und in zwei Tagen endet dann meine Zeit in Lateinamerika und ich kann die Zeit hier immer noch kaum einordnen. So chaotisch und ungeordnet vieles ist, so sehr wird mir vieles hier auch fehlen. Dieses Gefühl von Ungewissheit, was alles etwas aufregender macht und nicht zu wissen was morgen kommt. Die südamerikanische Leichtigkeit, die einen Gegensatz zur deutschen Hektik darstellt. Mich auf Spanisch durchzuschlagen. All die Menschen, die ich hier kennengelernt habe. Das Reisen und die viele Orte, die ich hier sehen durfte. Vielleicht ist es irgendwie eine Mischung aus allem, aber so richtig werde ich das wohl erst in einiger Zeit beurteilen können, aber ich hoffe, dass ich einiges davon mit nach Deutschland nehmen kann. Und trotz allem freue ich mich jetzt auch sehr auf Deutschland, Familie und Freunde und auf die Normalität und Berechenbarkeit, die damit zurückkehrt (und auf die Supermärkte, ich werde erst mal bewundern, dass es möglich ist schneller abzukassieren, als der Kunde Waren aufs Kassenband legt). Und doch bin ich mir sicher, dass ich eines Tages hierher zurückkehren werde. Kolumbien hat noch viel Arbeit vor sich und ich hoffe, dass wenn ich in einigen Jahren zurückkehre, die Kriminalität und Armut schon abgenommen haben. Die Menschen hier und das Land hätten es verdient. Und somit bleibt nach 7 Monaten zu sagen: Colombia, nos vemos.Wir sehen uns wieder.Danke an alle, die mal reingelesen haben!
PS: Zwiebelprinzip ist ein tolles Wort.
PPS: Das mit den Fotokalendern fände ich eine super Sache.
PPPS: Ein unlustiger Fun-Fact: Man darf sich auf dem Machu- Picchu nicht ausziehen. Ich schwöre, ich hab es nicht ausprobiert.
PPPPS: Ich könnte jetzt ein Buch über Quinoa schreiben. Vielleicht hat ja ein Vertrag Interesse (kann man ja mit dem Fotokalender als Doppeledition rausgeben).