Colectiv
In Rumänien hat der Begriff "Colectiv" seit dem letzten Jahr eine ganz besondere Bedeutung und ich möchte genauer erklären, warum das so ist.
Am Freitag, den 30. Oktober 2015 wollte die rumänische Hardrock-Band „Goodbye to Gravity“ im Bukarester Club „Colectiv“ vor etwa 400 Jugendlichen ihr neues Album vorstellen. Der Abend endete jedoch in einer furchtbaren Brandkatastrophe, bei der 64 Menschen getötet und mehr als 150 schwer verletzt wurden. Doch was war passiert?
An jenem Abend hatten Feuerwerkskörper der Bühnenshow eine Säule und einen Deckenabschnitt in Brand gesteckt. Ein eilig herbeigerufener Security-Mitarbeiter konnte das Feuer allerdings nicht mehr unter Kontrolle bringen woraufhin sich dieses in Sekundenschnelle auf die Decke und die Wände ausgebreitet hat. Die Menschen versuchten zu flüchten, aber es war nur einer von zwei Ausgängen geöffnet, weshalb es zu einer Massenpanik kam. Zahlreiche Menschen wurden niedergetrampelt und wegen des Rauchs kam es bei vielen Besuchern zum Herz- und Atemstillstand.
Als Reaktionen auf die Tragödie wurde eine dreitägige Staatstrauer angeordnet. Staatschef Klaus Iohannis schrieb auf Facebook, er sei "erschüttert", es handele sich "um einen sehr traurigen Moment für unsere Nation" und der Gesundheitsminister Nicolae Banicioiu sagte, dass es eine „beispiellose Tragödie, vielleicht die schlimmste im postkommunistischen Rumänien" sei. Das ganze Land wurde von einer Welle der Hilfsbereitschaft erfasst. In Bukarest und anderen Städten meldeten sich hunderte Menschen für Blutspenden, im Internet wurde zu Solidarität mit den Angehörigen aufgerufen und mehrere Musikbands kündigten an, ihre künftigen Einnahmen an die Opferfamilien zu spenden.
Allerdings gärte es nach dem Brand auch politisch in Rumänien, denn Ermittler fanden heraus, dass es schwerwiegende Sicherheitsmängel in dem rumänischen Club gab. Er verfügte weder über eine feuerfeste Einkleidung seiner hochentzündlichen Schalldichtung noch über eine Sprinkleranlage oder eine Genehmigung für Pyrotechnik bei der zuständigen Behörde. Außerdem war der einzige Ein- und Ausgang nur 80 Zentimeter breit und der Club war überfüllt (nur 80 Besucher waren zugelassen).
In ganz Bukarest gab es improvisierte Clubs in leeren Fabriken oder verlassenen Lagerhallen und die jungen Partygänger waren von der Regellosigkeit begeistert – bis zum Unglück. Denn da wurde deutlich, wie schwerwiegend es war, dass die offensichtlichen Mängel bei vorherigen Kontrollen nicht zur Schließung geführt hatten. Erst zehn Tage vor dem Unglück war die letzte polizeiliche Kontrolle erfolgt, wobei beanstandet wurde, dass ein Mangel an qualifiziertem Personal herrsche und eine Geldbuße verhängt wurde. Der Firma zufolge, die in dem Gebäude Renovierungsarbeiten vorgenommen hatte, wollten die Besitzer Geld sparen und hatten daraufhin Sicherheitsrisiken in Kauf genommen.
Der Brand im Club „Colectiv“ war nicht der erste dieser Art in Rumänien. In der Hafenstadt Constanta kamen bei einem Feuer im April 2014 drei Tänzerinnen ums Leben und im August 2010 starben bei einem Brand in der Bukarester Geburtsklinik Giulesti sechs Neugeborene. In einigen Clubs in Bukarest und anderen Großstädten lassen die Sanitär- und Hygienebedingungen zu wünschen übrig. Außerdem ist bekannt, dass rumänische Beamte bei Kontrollen von öffentlichen Einrichtungen wie Clubs, Kinos et cetera trotz Mängel oft ein Auge zudrücken, wenn sie Schmiergeld erhalten. In Rumänien kontrolliert das Inspektorat für Notfallsituationen (ISU), ob öffentliche Gebäude Brandschutz haben und auch der Club „Colectiv“ stand auf der Liste zweier Prüfer, aber sie haben die Sicherheitsmängel nicht aktenkundig gemacht.
Aus diesem Grund war es in den Tagen nach der Tragödie zu massiven Protesten der Bevölkerung gegen die Regierung gekommen. Das Brandunglück war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Alleine in Bukarest klagten etwa 25.000 vorwiegend junge Demonstranten die Politiker an, durch die Korruption in Rumänien und deren Duldung die Tragödie mit verschuldet zu haben. Slogans wie „Korruption, Habgier und Gleichgültigkeit bringen Rumänien um“ waren zu lesen. Nach der Meinung der Demonstranten hatten also nicht nur die Clubbesitzer geschlampt, sondern auch die staatlichen Behörden. Außerdem verlangten sie den Rücktritt des Ministerpräsidenten Victor Ponta, des Innenministers Gabriel Oprea und des Stadtteilbürgermeisters Cristian Popescu Piedone. Der Ministerpräsident trat am 4. November 2015 schließlich zurück und darin eingeschlossen auch seine Regierung.
Die drei Eigentümer des Clubs wurden verhaftet, ihnen wurde fahrlässige Tötung und Körperverletzung vorgeworfen. Das Hauptverfahren ist ein Jahr nach dem Brand jedoch immer noch nicht eröffnet.
Spricht man Rumänen auf die Ereignisse in Bezug auf den Club „Colectiv“ an, dann wird deutlich, dass die meisten froh sind, dass sich in dem Land etwas tut und dass gegen die Regierung demonstriert wurde. Allerdings wird kritisiert, dass das Unglück als Grund für die Proteste herhalten musste, weil dadurch das eigentliche Geschehen und die vielen Opfer in den Hintergrund gedrängt wurden.
Letztendlich kann man nur darauf hoffen, dass sich in den folgenden Jahren etwas in Rumänien wandelt. Die Parlamentswahlen im Dezember 2016 bieten dafür eine gute Möglichkeit für Veränderungen.