Bitte keine Kritik
Wie sieht das in Russland nochmal mit der Meinungsfreiheit aus?
Russland ist ein Land im Wandel, ohne Frage. Ein Land, das eine stetig wachsende Wirtschaft hat, sehr wenige Arbeitslose und viele prächtige Sehenswürdigkeiten vorzuweisen hat.
Ein Land, in dem Demokratie immer größer geschrieben wird. Auf dem Papier. Was die Meinungsfreiheit betrifft, ist Russland leider immer noch sehr rückständig.
Wie die Demonstrationen anlässlich der wahrscheinlichen Wahlfälschung durch die Partei von Putin verliefen, konnte jeder in den vergangenen Wochen in der Zeitung lesen- außer die russische Bevölkerung selbst.
Demonstrationen stehen in St. Petersburg, einer Millionenstadt größer als Berlin, nicht auf der Tagesordnung. Bei Demonstrationen kommt auf einen Demonstranten je ein Polizist, manchmal mehr.
Teil einer friedlichen Demonstration ist im Gegensatz dazu, Teil einer gewalttätigen Demonstration zu sein, kein Verbrechen. Die russische Regierung verwandelt eine friedliche aber schnell in eine gewalttätige Demonstration. Menschen, gekauft von der Regierung, mischen sich unter die Demontranten und beginnen eine aggressive Stimmung zu verbreiten, indem sie mit Gewalt gegen Polizisten vorgehen. Für diese ist das das Signal, zuzuschlagen. So tauchen die Wochen nach den Demonstrationen über Bilder von schmalen Frauen mit ausgeschlagenen Zähnen, von auf dem Boden zusammengesunkenen verletzten Menschen und von Menschenreihen, die in Gewahrsam genommen wurden, im Internet auf.
Als Ausländer Teil einer Demonstration zu sein, ist ein Grund, entweder sofort ausgewiesen oder für viel Geld festgehalten werden.
Weil ich in dieser Hinsicht sehr vorsichtig bin und im Gegenteil zu anderen Freiwilligen hier nicht an Demonstrationen teilnehme und auch sonst gegenüber Russen mit der Äußerung meiner politischen Meinung sehr vorsichtig bin, betrifft mich dieses Thema bis hierhin nicht, sondern berührt und beschäftigt mich nur in meinen Gedanken.
Dennoch bin ich hier sehr eingeschränkt: Ich schreibe über meine Arbeit in einem staatlichen Kinderheim, indem vieles sehr falsch läuft, das aber eben in staatlicher Hand liegt, einen Blog im Internet. Von meiner Organisation wurde mir verboten, öffentlich Kritik an den staatlichen Mitarbeitern zu üben und auf das tägliche Leid der Kinder und die Mängel in der Ausstattung hinzuweisen. Mit zusammengebissenen Zähnen halte ich mich daran, weil ich weiß, dass schon Freiwillige, die im Internet schreckliche Tatsachen verbreiteten, nach Deutschland zurückkehren mussten, weil staatliche Mitarbeiter die Kritik zu lesen bekamen, wie auch immer.
So denke ich hier immer wieder: Lieber russischer Staat, bitte schau auf dein Ziel, demokratisch zu werden und fang endlich damit an!