Besuch aus der Vergangenheit
An einem düsteren Ort hat DieFee festgestellt, dass sie nicht gut länger alleine sein kann. Zum Glück treffen sich durch den youth-reporter gleich mehrere ehemalige und aktuelle irische Tagebuchschreiber bei ihr!
Ja, es tut mir Leid, ich bin ein unzuverlässiger Tagebuchschreiber - Warum diese Entschuldigung gerade jetzt? Paul hat mit mir geschimpft! Ja, genau, der Paul wegen dem ich überhaupt hier in Irland bin und dessen Tagebuch ich vorher immer gelesen habe. Er war nämlich am Wochenende zu Besuch in Cork, was irgendwie surreal, aber schön war- ich bin mir darüber im Klaren, dass dieses Zitat von Notting Hill geklaut ist... Es war so merkwürdig, Paul als Besucher den neuen Freiwilligen vorzustellen und ihm mein Zimmer zu zeigen, was ja eigentlich mal seins war und so weiter. Aber damit das ganze dann nicht zu verwirrend wurde, haben wir uns einfach alle zusammen Samstagabend ordentlich betrunken und dann war’s gut. Und schön!
Das Wochenende war überhaupt sehr ereignisreich. Freitagabend war ich wieder mit meiner Basketballmannschaft auf "Night out". Ich bin froh, dass ich inzwischen auch irische Freunde gefunden habe, denn das ist wirklich das Schwerste, glaube ich. Mit andern Freiwilligen und Au Pairs ist es so viel einfacher, weil man ja in etwa die gleichen Erfahrungen macht. Allerdings kann ich auch nicht zu oft mit meinem Team weggehen, denn das würde mich wohl in den Ruin treiben... die jungen Leute hier scheinen alle so unglaublich viel Geld zu haben! Da werden an einem Abend, wenn man richtig ausgeht mit allem drum und dran schon mal locker 60 Euro rausgehauen. Und obwohl es uns Freiwilligen ja nicht schlecht geht, ist das wohl doch ein bisschen viel. Na, ja, lustig war es auf jeden Fall schon. Kristina war auch mit dabei und auf Grund irgendwelcher Beziehungen einer meiner Basketballfreundinnen zu irgendwelchen Türstehern fanden wir uns am Ende in der VIP-Lounge eines Schicki-Micki-Nachtclubs wieder. Das war sowohl für Kristina, als auch für mich mal eine eher ungewohnte Welt. Na, so erweitert man beim EVS wohl stets seinen Horizont.
Am Sonntag kam mich dann Yvy besuchen, die gerade ihren Freiwilligendienst in Bantry macht und die ich über den Youthreporter kennen gelernt habe. Habe ihr zusammen mit meiner polnischen Freundin, die bei mir im Laden um die Ecke arbeitet, Cork gezeigt. Dabei ist mir noch mal aufgefallen, was für ein großes wirtschaftliches Ungleichgewicht innerhalb der EU herrscht. Meine polnische Freundin hatte gerade all ihr Geld für eine Anzahlung für ihr neues Zimmer ausgegeben und konnte sich abends im Pub mit Mühe und Not ein Pint leisten. Als ich da an den Abend mit meinem Basketballteam dachte, hat mich das schon etwas nachdenklich gemacht. Hier in Irland gibt es seit der EU-Erweiterung sehr viele Einwanderer aus den neuen Mitgliedsstaaten und viele davon sind junge, oft sehr qualifizierte Leute, die herkommen, weil sie hier eine Menge mehr verdienen als in ihrer Heimat. Meine Freundin verdient hier zum Beispiel viermal mehr, als sie für die gleiche Tätigkeit in Polen bekommen würde, aber das Geld wird dann halt nach Hause zur Familie geschickt. Und richtig glücklich sind die meisten der Immigranten nicht, denn sie haben ja nicht wirklich Tätigkeiten, die ihren Fähigkeiten entsprechen und ich glaube, man hat auch einfach eine völlig andere Einstellung dazu, im Ausland zu sein, wenn es mehr oder weniger erzwungen ist, als wenn man, wie ich, freiwillig hier ist.
Mit genug Stoff zum Nachdenken ausgestattet fuhr ich Montagmorgen in die Wicklow Mountains, südlich von Dublin, genauer gesagt: Glendalough. Da alle meine Freunde arbeiten mussten, bin ich alleine gefahren in der Hoffnung, vielleicht in der Jugendherberge Leute kennen zu lernen. Aber da hab irgendwie nicht bedacht, dass gerade Januar ist. Ich hatte also eine ganze Jugendherberge für mich alleine. Eine Jugendherberge, die in einem einsamen Tal liegt, ohne Straßenbeleuchtung und fast ohne umliegende Häuser. Abgesehen von den Aran Islands war es wohl der dunkelste Ort, den ich je gesehen habe. Es war nicht leicht, in völliger Dunkelheit den Weg von der Bushaltestelle zum Hostel zu finden, aber irgendwie habe ich es geschafft und als ich am nächsten Morgen aufwachte, fand ich mich dafür in einer wunderschönen Umgebung wieder. Glendalough beherbergt einen der ältesten Klosterbezirke Irlands, also inzwischen natürlich alles Ruinen und es gibt tolle Wander- und Bergsteigewege.
Das hab ich dann auch getan: Wandern! Alleine. Auch eine neue Erfahrung, aber ebenfalls interessant und gut. Dienstagabend fragte mich sogar schon der Rezeptionist des Hostels, ob mir nicht eigentlich total langweilig wäre so ganz alleine und ich muss sagen: Ja! Mehr als zwei Tage Einsamkeit sind mir definitiv zu viel! Mittwochmorgen ging’s dann zum Glück zum EVS-Midterm-Training nach Dublin, wo ich jetzt gerade bin und wo es mal wieder sehr nette und VIELE Leute um mich herum gibt! Zum Glück! Ich habe nur den Fehler gemacht, unserem Trainer von meinem Trip zu erzählen und er ist ganz begeistert und erwähnt mich alle fünf Minuten als positives Beispiel für Menschen, die sich ab und zu mal eine Auszeit nehmen, um ganz in aller Ruhe darüber nachzudenken, wer sie eigentlich sind und was sie mit ihrem Leben anfangen wollen... Als ob ich über solche Fragen in der Einsamkeit nachdenken würde! Da wird man doch bekloppt! Ich fragte mich eher Dinge, wie: Ist es sehr peinlich aus Langeweile schon um neun ins Bett zu gehen? Und wie überbrücke ich die Zeit zwischen Wandern und neun Uhr? Jaa, obwohl man in einem Haus mit 12 Leuten schon manchmal davon träumt, bin ich, glaub ich, auf die Dauer wirklich kein guter Einzelgänger. Wieder was gelernt!
Und jetzt muss ich das tolle, schon gekochte Essen genießen, das man beim EVS-Training bekommt! Was für ein Luxus!