Basketball – in Litauen mehr als nur eine Sportart
Wer nach Litauen reist, der liest im Reiseführer, dass Basketball in Litauen fast wie eine Religion zelebriert wird. Aber woran liegt das eigentlich? Was verbinden die Litauer mit dieser Sportart?
Die Litauer selbst sagen, dass sie Basketball im Jahr 1937 lieben gelernt haben. Damals gewann die litauische Nationalmannschaft in Riga zum ersten Mal die Europameisterschaft. Die Heimreise der Mannschaft soll damals viele Stunden gedauert haben, denn in jedem Dorf soll der Zug von den Dorfbewohnern angehalten worden sein, die gemeinsam mit „ihrer“ Mannschaft den Titel feiern wollten.
Doch schon 1940 wurde diese Freude getrübt, als Stalins Truppen das Land stürmten und die 50 Jahre währende Besetzung Litauens begann. Vorbei war die ungetrübte Freude über den Erfolg im Basketball, denn die litauischen Basketballspieler galten als zu nationalistisch eingestellt und kamen deshalb auf die schwarze Liste.
Doch die Litauer wollten sich nicht geschlagen geben. Jahrelang widersetzten sie sich mit Žalgiris Kaunas und Statyba Vilnius dem ZSKA Moskau („Zentraler Sportclub der Armee Moskau“). Angeblich reisten 5000 litauische Fans zum Finale der sowjetischen Meisterschaft nach Moskau zwischen Žalgiris und ZSKA, obwohl sie keine Eintrittskarten besaßen. Der Trainer von ZSKA, Oberst Gomelsky, erfuhr davon und um zu vereiteln, dass die litauischen Fans ins Stadion kamen, befahl er, dass alle Platzkarten an russische Soldaten verteilt wurden. Doch so leicht gaben sich die Žalgiris Fans nicht geschlagen: Sie durchkämmten die Kasernen und tauschten die Tickets gegen Wodka ein.
Die Finals gegen ZSKA sollen es auch gewesen sein, die die Litauer zur Erneuerungsbewegung Litauens („Lietuvos Persitvarkymo Sąjūdis“) kurz „die Bewegung“ („Sąjūdis“) inspiriert haben. Diese Reformbewegung führte den friedlichen Kampf zur Wiedererlangung der litauischen Unabhängigkeit Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre an.
Das goldene Zeitalter von Žalgiris und dem litauischen Basketball ist für die Litauer sehr eng mit Arvydas Sabonis verbunden. Ihn halten die Litauer für den größten Spieler aller Zeiten. Mit ihm wurde Žalgiris 1985, 1986 und 1987 Meister der UdSSR. Danach spielte er in der NBA. Als er 1988 mit der sowjetischen Mannschaft Olympiasieger in Seol wurde, trug er ein T-Shirt mit dem Schriftzug „Lietuva“ (Litauen) auf seiner Brust. Er kämpfte um Aufmerksamkeit oder wenigstens sportliche Anerkennung Litauens und sagte während der Europameisterschaft 1992: „Ein kleines Land will immer zeigen: Hey, uns gibt es auch“. Keine Frage: Arvydas Sabonis wird in Litauen als Nationalheld verehrt.
Auch heute gilt Litauen trotz seiner nur knapp drei Millionen Einwohner als Großmacht im Basketball, als das Brasilien des Basketballs. Litauen ist die Heimat unzähliger Stars und bringt immer wieder neue Talente hervor. Es gibt circa 60 Basketballschulen in Litauen und an fast jeder Hauswand kann man einen Basketballkorb entdecken.
Im Stadion, wenn die Litauer ihre Nationalhymne lauthals mitsingen, herrscht Gänsehautstimmung. Egal ob bei Spielen der Nationalmannschaft oder bei Clubspielen in der Euroleague, das ganze Land steht geschlossen hinter seiner Mannschaft.
„Die schönste Zeit des Jahres für die Litauer“ – so könnte man die Zeit während einer Europa- oder Weltmeisterschaft bezeichnen. Dann gibt es Sondermünzen, Sonderpostkarten und Sonderbriefmarken. In den Bars werden alle Spiele live übertragen und die Spieler der Nationalmannschaft lächeln einem von Plakaten für Mineralwasser, Schokoriegeln, Handys oder Laptops entgegen.
Basketball, das ist für die Litauer viel mehr als nur eine Sportart. Basketball ist für die Litauer ein Sinnbild ihres Kampfes für die Unabhängigkeit und damit ihr ganzer Stolz und Basketball verschafft den Litauern die Aufmerksamkeit, nach der sie sich so sehr sehnen.