Bad Muskau - nein, nicht Moskau
Ein Seminar über Spiele, Renommée Deutschland-Polen und ein Ausflug in die Vergangenheit zu Herrn Pückler-Muskau
Bad Muskau … Das sagt euch wahrscheinlich nichts. Dieser Ort (3600 Einwohner) ist aber relativ bekannt – zumindest in der Szene des deutsch-polnischen Austausches. Hier steht die berühmte Turmvilla, in der Wojtek 10 Jahre gearbeitet hat. Er hat mir schon so viel davon erzählt, dass ich den Eindruck hatte bereits dort gewesen zu sein, bevor ich dort war. Die Villa liegt im Weltkulturerbe Muskauer Park und wurde aufwändig renoviert von Wojtek und vielen anderen Begeisterten des deutsch-polnischen Austausches. Nur solltet ihr euch bei den Bildern nicht wundern, Elizabeth und ich dachten auch wir hätten uns verlaufen, weil der Turm sehr klein ausfällt.
Unser Aufenthalt vom 12.11. – 15.11. wird als Seminar angerechnet, denn sonst hätten wir Ende September noch einmal ein Rückkehrerseminar gehabt, so wir haben wir alle mehr Zeit unser Leben danach zu organisieren. Für alle anderen Teilnehmer war Bad Muskau ein Austausch über die Arbeit in der deutsch-polnischen Arbeit. Viele polnische Lehrerinnen waren da (in Deutschland wird ja so gut wie kein Polnisch an Schulen unterrichtet), polnische Kindergärtnerinnen (auch hier gibt es sehr wenige polnische sprachige Kindergärten in Deutschland), einige Mitarbeiter in der Jugendarbeit und wir Freiwilligen. Eine bunte Mischung, wobei mehr als 2/3 polnische Teilnehmer waren.
Internationales Renommée Deutschlands und Polens
Alle fanden es sehr schade, dass es nicht mehr Begeisterte Teilnehmer auf deutscher Seite gibt. Es gibt über beide Länder Vorurteile. Woran kann es also liegen? Zum einen besteht auf Grund der hohen wirtschaftlichen Stärke Deutschlands ein größerer kultureller Einfluss. Auch wenn es mir hier an nichts mangelt ist der Lebensstandard in Deutschland einfach höher. Dadurch entsteht teilweise der Eindruck, dass man nur nach Deutschland gehen müsste um auch so zu leben. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass der Blick schon in Richtung Westen geht. Obwohl die Polen trotzdem sehr stolz auf ihre Kultur sind. Die wirtschaftliche Stärke wird auch bei einem Blick auf die Supermärkte im Land deutlich. Hier gibt es Lidl, Kaufland, Rossmann, Deichmann, New Yorker… Natürlich führen diese Märkte nicht das exakt gleiche Sortiment wie in Deutschland, dennoch sind auf manche Produkte einfach nur polnische Aufkleber mit der Übersetzung geklebt. Wie viele polnische Produkte hat man in Deutschland im Supermarkt?
Aus diesen Gründen ist es für Polen viel attraktiver Deutsch zu lernen als andersrum. Zusätzlich fördert das Goethe-Institut das Interesse an Deutschland auf der ganzen Welt. Es organisiert zahlreiche Aktionen bei denen um den Kontakt mit der deutschen Kultur und Sprache geht, es informiert über Deutschland und Wege über einen Aufenthalt dort. Polen dagegen hat, laut Seminarteilnehmern, es „verschlafen“ international um Aufmerksamkeit zu werben. Es gibt sehr schöne Ecken in Polen von denen aber leider die wenigsten wissen. Ich habe hier sogar schon an Bushaltestellen Werbung für einen Aufenthalt in Dresden oder zum Skifahren in Bayern gesehen. Das war mir vorher gar nicht bewusst, dass ein Land sich selbst bewerben muss.
Workshops und Programm
Die vier Tage waren bestückt mit Diskussionen über die Motivation der Teilnehmer und der Organisatoren bei deutsch-polnischen Begegnungen, Schwierigkeiten und Problemlösung und Vorträge über Neuigkeiten im Deutsch-Polnischen Jugendwerk (DPJW) und einem sehr interessanten Projekt: Die Kinderstadt. Zwei Wochen lang übernehmen deutsche und polnische Kinder alle Aufgaben des öffentlichen Lebens und sollen sich selbst organisieren. Es gibt eine Kinderpolizei, -müllabfuhr, -bäckerei, -taxikettcarunternehmen und jeder der eine Geschäftsidee hat kann seine eigene Firma gründen. Jeden Abend gibt es eine Parlamentssitzung auf der über alle wichtigen Regelungen demokratisch abgestimmt wird. Es gibt auch einen gewählten Bürgermeister und wie im Leben gibt es auch Geld, das den Kindern am ersten Tag ausgeteilt wird. Am Vormittag arbeiten die Kinder dann als Polizist etc. und können das erworbene Geld am Nachmittag ausgeben. Da nicht alle Kinder die vollen zwei Wochen kommen, geben sie ihr Geld an Freunde weiter und so kommt es jedes Mal im Laufe der zwei Wochen zu einer Inflation. Auch die Frage, ob ein Polizist eine Einbahnstraße wirklich verschieben darf und dann für jeden Falschfahrer Strafe verlangen darf. Dass die Stadt einen Fußgängerweg braucht darüber waren sich alle nach 3 Tagen einig. Ein unglaublich cooles Projekt und dazu noch im deutsch-polnischen Austausch.
Ich habe an einem Workshop teilgenommen bei dem wir viele Spiele von ersten Kennenlernspielen über Vertauensspiele und Draußenspiele bis hin zu Ewaluationsspielen kennengelernt und ausprobiert haben. Davon sind auch die Bilder unten. Wir hatten die Aufgabe eine Brücke aus Brettern zu bauen. Das funktioniert, wenn man die Bretter bogenförmig miteinander verkantet. Ein bisschen mulmig war mir aber trotzdem beim ersten Übergang, obwohl das Prinzip schon vor Ewigzeiten von Leonardo da Vinci entdeckt wurde. Danach haben wir als Gruppe ein Seil über den fiktiven Grenzfluss Neiße gespannt und Elizabeth hat sich daran bis zur Mitte des Flusses gehangelt um das deutsch-polnische Wörterbuch für unsere gemeinsame Kommunikation zu retten. Wir hatten unglaublich viel Spaß, die Polinnen waren so lustig drauf und ich habe neuen Schwung im Polnisch Lernen bekommen. Außerdem haben wir gemeinsam einen Bretterturm gebaut damit wir an den im Baum hängenden Lolli kommen. Neben zahlreichen weiteren selbstgebauten Spielzeugen hatte der Referent eine alte Schleuder mitgebracht in die unten ein Blatt fixiert wird und man dann je nach Bewertung der Freizeit Farbe gießen kann. Entstanden sind wunderschön-kreative Kunstwerke.
Aber das Beste war natürlich das Essen:D. Die Küche in der Turmvilla ist so gut und nach meinen ersten drei Monaten mit eigenem Haushalt war es eine Wonne bekocht zu werden. Das einzige, was mir noch zu meinem Glück fehlte war eine Brezel, die dürfen aber in Bad Muskau nicht verkauft werden, hat man uns in einer Bäckerei erklärt. Merkwürdig…
Hermann von Pückler-Muskau
Zwischen den Einheiten blieb ausreichend Zeit für Spaziergänge und zur Erkundung des Heimatortes von Hermann von Pückler-Muskau. Pückler? Ja, genau. Nach ihm ist das dreifarbige Fürst-Pückler Eis benannt. Nachdem wir, die Freiwillgen, am Abend vorher das Pückler-Quiz gewonnen hatten, wollten wir natürlich auch sehen, wie Stadt des „Eismannes“ aussieht. In dem Schloss unten wurde Pückler am 30. Oktober 1785 geboren. Der Muskauer Park wurde von ihm entwickelt nach Vorbildern der englischen Gärten genauso wie zahlreiche literarische Werke. Pückler trug seinen Teil zur Vorbereitung der Märzrevolution 1848 bei, in dem er, der Adelige, seine Einblicke in die Königs- und Fürstenhäuser dem Bürgertum präsentierte.
Abreise
Nach vier Tagen schnacken, Hobbit gucken und Gesellschaft genießen war unser Seminar auch schon vorbei. Romys Eltern haben mich bis nach Zary mitgenommen, wo ich im zum ersten Mal ein Ticket direkt beim Schaffner gekauft habe. Das ist wohl relativ verbreitet in Polen, aber ich fühlte mich zunächst trotzdem so als würde ich schwarzfahren. Der Tipp von den polnischen Teilnehmern war nämlich, dass ich sofort zum Schaffner gehen muss, denn sonst wird es als schwarz gewertet. Nur wo ist denn dieser vermaledeite Schaffner?
Auf dem Rückweg rief mich Wojtek an um mir zu sagen, dass das Seminar einen Tag länger dauert als ich ihm gesagt. Danke, das habe ich auch schon gemerkt. Aber zum Glück packe ich immer zu viel ein=) Nach dem Seminar fühle ich mich gut gerüstet den Aufenthalt der Rosenheimer Schüler im März zu betreuen. Inzwischen habe ich dank der vielen Ideen und meinen aufmerksamen Beobachtungen über den Aufbau und Ablauf unseres Seminares einen Projektplan entwickelt. Im neuen Jahr werde ich mich nun an die Feinarbeiten machen, aber ich habe das gute Gefühl alles managen zu können.