Anderthalb Monate in Magyarország - Hihetetlen!
Über Veränderungen am Arbeitsplatz, unsere ersten Ungarn-Erkundungstouren, die Herausforderung, zwischen vier Sprachen hin und her zu wechseln und eine neue Aufgabe, über die ich sehr glücklich bin..
Nun ist er also um, der erste Monat im neuen Zuhause. Obwohl der letzte Bericht noch gar nicht so lange zurückliegt, ist schon wieder eine ganze Menge passiert. Ich werde nicht müde, davon zu berichten, wobei es mir sicherlich wieder nur gelingen wird, einen Bruchteil von dem zu erzählen, was ich gerne erzählen würde.. Es ist einfach so unglaublich viel und während ich versuche, alles zu verarbeiten und in seiner Gänze zu begreifen, zieht die Zeit nur so an mir vorbei. Wir haben bereits Oktober! Unglaublich.
Wo fang ich an? Vielleicht am besten bei der Arbeit, schließlich ist meine Stelle hier immerhin doch der Hauptgrund, aus dem ich mich vor über einem Monat in den Flieger in Richtung Osten gesetzt habe. Mit meinen Mitarbeitern hier komme ich immer besser klar. Ich glaube, mittlerweile ist ihnen klar geworden, dass ich Motivation habe und mich dieser Herausforderung wirklich stellen möchte. Es hat sich auch die ein oder andere neue Aufgabe ergeben. So gebe ich jetzt den zwei Töchtern einer der Köchinnen zweimal die Woche Nachhilfe in Deutsch und Englisch, was bis jetzt super läuft. Ansonsten bin ich zur Stelle, sobald was in der Kleidersammelstelle, in der Küche oder im Büro ansteht. Seit letzter Woche ist das frisch renovierte Kinderzimmer hier in der Einrichtung wieder begehbar und seitdem fungiere ich auch hin und wieder mal als Babysitter. Natürlich gibt es immer noch Zeiten, in denen es gerade nichts zu tun gibt, doch die überbrücke ich dann auf andere sinnvolle Art und Weise. Da ich nun vier Wochen hier arbeite, kennen mich auch die meisten der Menschen, die hier wohnen und daher werde ich nicht mehr allzu häufig auf Ungarisch angequatscht. Sie wissen, dass ich sie eh nicht verstehen würde..
Seit letzter Woche Dienstag habe ich nun zudem eine weitere Aufgabe. Einmal die Woche besuche ich nun eine fast 91jährige Néni um ihr bei alltäglichen Dingen Hilfe zu leisten. Sie ist Holocaust-Überlebende, war in Ravensbrück im Konzentrationslager und kann perfekt Deutsch. Ich habe sie die Woche davor schon mit meinem Vorvorgänger, der zusammen mit einem Freund für ein paar Tage in unserer Wohnung übernachtet hat, kennengelernt. Auch wenn ich sie bisher nur dreimal besucht habe, bin ich mir sicher, da auf einen ganz besonderen und unglaublich interessanten Menschen getroffen zu sein. Bei meinem ersten alleinigen Besuch bei ihr, war ich direkt vier Stunden dort. Was sie erzählt ist wahnsinnig spannend, ich höre ihr liebend gerne zu. Manchmal fehlen mir jedoch auch einfach die Worte. Dann fühlt es sich, nachdem sie eine Weile über etwas gesprochen hat, so an, als könne und dürfe ich dazu einfach nichts sagen, als fehle mir Wissen, Erfahrung, Urteilsvermögen und noch einiges mehr um es zu kommentieren, als sei es einem jungen Menschen wir mir einfach nicht möglich, die passenden Worte darauf zu finden. Deswegen beschränke ich mich bis jetzt meist darauf, Rückfragen zu stellen und weiter zuzuhören. Wir haben uns jedoch von Anfang an bestens verstanden und nachdem sie mich letzen Dienstag bereits als ''geschicktes Mädchen'' bezeichnet hat, sagte sie zum Schluss, dass sie froh darüber sei, dass ich sie in diesem Jahr besuchen komme. Über diese Aussage habe ich mich so sehr gefreut, dass ich für den Rest des Tages mit einem Lächeln im Gesicht durch die Welt lief. Und ich bin auch froh darüber, dass ich nun jeden Dienstag bei ihr sein darf. Sehr froh.
Nun zum ''Freizeitprogramm'' der letzten Wochen. Im letzten Bericht hatte ich ja bereits angekündigt, Visegrád zu besichtigen. Das ist dann ziemlich bald darauf auch geschehen und ich muss sagen: es hat sich absolut gelohnt! Wir haben uns die Burg angesehen, die auf einem Bergkegel direkt am Donauknie liegt und von der man eine wirklich wahnsinnig tolle Aussicht auf die Donau und die umliegende Landschaft hat! Glücklicherweise hatten wir sogar gutes Wetter. Allen Ungarn-Touristen in spe kann ich dieses Fleckchen Erde nur ans Herz legen.
Am Wochenende darauf waren wir bei Lotte in Debrecen, um mit ihr ihren 20. zu feiern. Freitag abends sind wir angekommen (gute zwei einhalb Stunden Zugfahrt von Budapest) und haben dann den Abend zu acht bei ihr in der Wohnung mit selbstgebackenem Kuchen, russischer Cremetorte, Sandwiches, Bier, Wein und...eins darf, wenn man in Ungarn feiert, natürlich nicht fehlen..PALINKA verbracht. Am nächsten Tag folgte eine kleine Sightseeingtour durch Debrecen, welches nebenbei bemerkt die zweitgrößte Stadt des Landes ist. Was sich nach Großstadt anhört ist aber an sich eher eine überschaubare, mittelgroße, aber dennoch schöne Stadt, in der man die wichtigsten Plätze an einem Wochenende besichtigt haben kann. Neben der berühmten gelben Kirche Debrecens, haben Lotte und Hannah (die auch Freiwillige in Debrecen ist) uns noch die Universität, die Markthalle und DAS Einkaufszentrum in Debrecen gezeigt. Abends ging es dann nach gemeinschaftlichem Nudeln-Kochen in die Stadt, was trinken. Sonntag Mittag haben wir uns dann wieder auf den Heimweg begeben, jeder zurück in ''seine'' Stadt.
Nächste Woche hieß es dann: BALATON! Gerry hatte nämlich am Freitag darauf Geburtstag und hat uns nach Keszthely, eine Stadt am Westufer des Plattensees, eingeladen. Seine Familie hat dort ein Haus, in dem wir (erst ein bisschen feiern und dann) übernachten konnten. Mit wiederum selbstgebackenem Kuchen und diesmal sogar ebenfalls selbstgemachter Palinka feierten wir also den zweiten 20. Geburtstag. Abends waren wir dann in ein paar Keszthelyer Kneipen was trinken und am nächsten Tag stand die nächste Sightseeingtour auf dem Programm. Keszthely ist ein wirklich schöner (und daher auch ''touristenbefallener'') Ort mit einer beschaulichen Innenstadt. Der Strand des Ortes ist wahrscheinlich insbesondere im Sommer interessant..als wir ihn uns angesehen haben, wirkte alles etwas verlassen, doch man konnte sich gut vorstellen, wie zu wärmeren Jahreszeiten dort der Bär los ist. Angetan hat es uns auch das Barockschloss der Feštetićs mit seinen umliegenden Gärten. Samstag Abend ging es zurück mit dem Bus in die Hauptsadt. Am Sonntag habe ich mich mit Damaris getroffen, die EVS-Freiwillige in Szeged ist, und von Bratislava aus gerade quasi auf der Durchreise in Budapest Halt gemacht hat.
Am Montag der vergangenen Woche wurde unsere bisher rein deutsche WG dann zeitweise zur deutsch-spanischen umgewandelt: Eine weitere Malteser-Freiwillige, die aus der Nähe von Madrid kommt und eine Stelle in Nagykanizsa hat, zog für eine Woche bei uns ein. Ich hole sie am Montag Abend zusammen mit dem Chef meiner Koordinatorin, vom Flughafen ab. Ich hatte darauf gehofft..oder besser..ich war davon ausgegangen, dass sie Englisch spricht. Falsch gedacht. Das bedeutete, dass ich meine mittlerweile beinahe wirklich verdrängten Spanisch-Kenntnisse aus meinen, nunja immerhin fünf Jahren Schulunterricht, wieder auskramen konnte. Am Anfang fielen mir die einfachsten Vokabeln nicht mehr ein und es fühlte sich tatsächlich so an, als ob das Ungarische alles Spanische in meinem Kopf restlos verdrängt hatte. Doch nach zwei, drei Tagen habe ich die wichtigsten Vokabeln wieder parat und darf auf einem ihrer Seminare sogar als Englisch-Spanisch Dolmetscher tätig werden. Die letzte Woche war also in der Tat ein sprachlicher Spagat zwischen vier Sprachen und ich habe ja, yes, igen und sí nicht selten vertauscht und einige Menschen auf Sprachen vollgequatscht, die sie überhaupt nicht sprechen. Das fiel mir dann aber bald meist kurz darauf auf, wenn sie mich mit einem großen Fragezeichen auf der Stirn verdutzt ansahen. Dennoch, spannend war es und ich merke hier mehr als je in meinem Leben zuvor, wie unglaublich wichtig Sprachen sein können. Was wir alle in unserem gewohnten Umfeld für selbstverständlich halten, kann jenseits der Grenzen in neuer Umgebung echt die Welt sein und das alleinige Sich-Verständigen-Können zu einer echten Herausforderung werden.
Am letzten Wochenende sind wir in Budapest geblieben und haben uns zur Abwechslung mal von den anderen besuchen lassen. Neben einem gemütlich Abend mit allen in unserer Wohnung und einem Feier-Abend am Samstag, stand wieder ein bisschen Sightseeing auf dem Programm. Denn auch wenn wir bereits zwei gemeinsame Wochen hier verbracht haben: Die allermeisten interessanten Plätze haben wir wohl noch nicht gesehen, dafür bietet diese Stadt zu viel. Wir haben uns Samstag Mittag dann einfach mehr oder weniger planlos auf den Weg in die Stadt gemacht und sind immer dahin gegangen, wo es uns gerade hingezogen hat. Sehr stressfrei, sehr entspannt. Die anderen blieben bis Sonntag, die Spanierin wurde am Montag in ihre Stelle gebracht. Und ich muss sagen, obwohl ich mich sehr über den ganzen Besuch gefreut habe und wir wieder ein wirklich superlustiges Wochenende zusammen verbracht haben, bin ich froh, mein Zimmer und unsere Wohung, nachdem sie zwischenzeitlich von acht Personen gleichzeitig ''bewohnt'' wurde, wieder für mich zu haben. Das Einzelkind braucht, nachdem es sich Samsatg Abend nun auch noch eine ordentliche Erkältung zugezogen hat und heute nach fast fünf Wochen den ersten Tag nicht zur Arbeit erscheinen konnte, endlich wieder etwas Ruhe und Zeit für sich :D ..