Alte Hasen mit neuen Problemen
Hausi38 ist in Szeged angekommen. Ungarn tut ihr gut, doch manchmal reist sie mit ihren Gedanken noch zurück nach Deutschland.
So dala, jetzt ist es soweit, ich sitze in Ungarn. Aber vielleicht sollte ich die Geschichte von Anfang an erzählen:
Abschied aus Leipzig
Die letzten Tage in Deutschland waren noch einmal richtig schön. Am Wochenende war das Hockeyturnier in Leipzig, auf das ich mich schon eine Ewigkeit gefreut hatte.
Nicht nur meine Leipziger Mannschaft sah ich das letzte Mal, sondern auch meine Berliner Heimmannschaft war angereist. Bei wunderschönem Sonnenschein und herrlicher Atmosphäre vergingen die zwei Tage wie im Flug, sodass ich gerne mehr Zeit mit den einzelnen Leuten gehabt hätte.
Ich denke, ich war an diesem Wochenende überall, wollte von allem etwas mitbekommen, dafür aber manchmal nicht so lang, wie ich gerne gewesen wäre.
Dann war ich zwei mal ziemlich baff. Meine Mannschaft überraschte mich zwei Mal sehr lieb, womit ich wirklich nicht gerechnet hatte.
Ich freue mich auf Ungarn, aber ich habe auch etwas Angst, was sich im Verein verändern wird, denn im Moment stehen die Sterne der Veränderungen etwas ungünstig.
Am gleichen Wochenende kam Nicole nach sechs Monaten in Nicaragua wieder nach Leipzig. Sie empfingen wir natürlich herzlich, obwohl es sich eher wie eine Staffelübergabe anfühlte. Ich würde den Staffelstab gleich weiter tragen, sodass wir nur einen kurzen Augenblick in Leipzig zusammen verbrachten. Den haben wir dafür umso mehr genossen.
Am Montag ging es dann also nach Berlin. Ich hatte soviel Gepäck, dass ich ein Taxi bestellte, was mich zu Hause abholte. Ich packte und räumte und klingeling, war auch das Texi schon da. Dann ging es so schnell.
Ich wollte noch mal in mein Zimmer, mich verabschieden, dann noch mal, dann noch mal, dann musste ich wirklich los. Ich war traurig, aufgeregt, freudig, alles gleichzeitig. Von wegen alte Auslandshasen, es ist doch immer anders.
Tschüß Berlin
Dann verbrachte ich noch einen, dafür sehr aufregenden und schönen Tag in Berlin. Ich bekam nämlich eine Email, welche Kurse ich letztendlich in Ungarn unterrichten würde.
Das waren da die Sprachpraxis (das kenn ich ja schon), Landeskunde (da muss ich mich dann etwas reinfitzen) und DEUTSCHE GEISTES- UND KULTURGESCHICHTE (davon hab ich null Ahnung). Das ist wohl ein typischer Fall von der Assoziation, dass Deutsche ihre Geistes- und Kuturgeschichte wohl in und auswendig kennen.
Da das weit gefehlt ist, bin ich zusammen mit der Tina den ganzen Tag durch Berlin gerannt, auf der Suche nach Überblicksbüchern... Das hatte den tollen Vorteil, dass ich mein geliebtes Berlin nochmal von allen Seiten sah und dass ich schöne Stunden mit Tina verbringen konnte, die mir in Ungarn sicherlich sehr fehlen werden.
Den Abend verbrachte ich mit meiner Familie beim Inder. Boah, haben wir gefuttert ;) Es war ein wunderschöner Sommerabend.
Ankunft in Budapest
In Budapest gelandet, ging es mit der U-Bahn zum Bahnhof, von wo der Zug nach Szeged starten sollte. Ich also mit meinen gefühlten 100 Gepäckstücken in die U-Bahn. Was ich dabei vergessen hatte, war, dass das Ticket, was ich noch als vergangenen Budapest-Zeiten hatte, nur ein Single-Trip-Ticket war.
Promp geriet ich in eine Ticketkontrolle und der liebe Mann mir gegenüber hatte auch kein Mitleid mit mir. Wie oft hatte ich mir überlegt, einfach zu sagen, dass ich das nicht wusste. Dieses Mal wusste ich es wirklich nicht und es hat mir nichts geholfen. Ich musste also 25 Euro blechen und schon dort feststellen, wie viel ich von meinem Ungarisch vergessen hatte. Wahnsinn. Ich war aber schon so kaputt, dass ich mich über nichts aufregte.
Ich kam am Bahnhof an, besorgte mir ein Ticket, stieg in den Zug und stellte fest, dass ich keine Platzreservierung (die in Ungarn Pflicht ist) hatte, stieg mit meinem Gepäck wieder aus, rannte zurück zum Schalter. Letztendlich schaffte ich den Zug, aber da ich ein Studententicket gekauft hatte, was der Schaffner nicht akzeptieren wollte, stand ich vor dem nächsten Problem. Mannohmann, schließlich half das "Das wusste ich nicht" doch mal und er ließ mich mit dem Studententicket fahren (bin ja wirklich auch Student!!!).
Hallo Szeged
In Szeged angekommen, wurde ich von der Leiterin meiner Fakultät, an der ich unterrichten würde, abgeholt und zu einer vierstündigen Sitzung geschleppt. Die war glücklicherweise auf Deutsch, so dass es für mich nicht ganz langweilig war. Es wurde viel erzählt und wäre ich etwas wacher und fitter gewesen, hätte ich sicher mehr als die 50% verstanden.
Dann ging endlich nach Hause.
Ich sitze jetzt in einem WG-Zimmer, was so 15qm groß ist. Es ist voll schön. Ich schaue durch das Fenster auf den kleinen Garten, es gibt einen Balkon, eine Terrasse, eine große Wohnküche, wirklich toll.
Außerdem habe ich zwei ungarische Mitbewohner, die wirklich süß sind. Sie sind auch Studenten. Timi spricht etwas Englisch, Gyöngji etwas Deutsch. Dann geht das Sprachenkaudawelsch los. Ich habe mir aber fest vorgenommen, dieses Mal wirklich viel ungarisch zu sprechen und zu lernen. Also krepel ich mich ganz schön ab, ich hab so viel vergessen, aber es wird.
Gestern Abend haben wir zusammen "Gegen die Wand" gesehen und ich hab fleißig ins Ungarische und manchmal auch ins Englische übersetzt. Das ging schon.
Arbeit ruft
Mein erster Tag an der Fakultät war mit Besprechungen und Kopfschmerzen bestückt. Kopfschmerzen wegen des Wetters, hier sind täglich noch über 30 Grad, wir schwitzen und ich trinke wahrscheinlich ach nicht genug.
Dann hab ich mit allen Dozente sprechen können, die mir alle Aufgaben und Kurse gegeben haben, die ich zu leiten habe. Das größte "Problem" wird wohl die deutsche Kulturgeschichte. Dann mach ich noch ein Blockseminar zu Literatur nach 1945, Landeskunde und etwas Sprachpraxis. Das wird ein Spaß.
Mir geht es also wirklich sehr gut hier, Szeged ist wunderschön und auch Ungarn tut mir wieder gut. Allerdings bin ich noch viel mit meinen Gedanken alleine und oft reise ich mit ihnen nach Deutschland, wo meine Freunde und meine Familie ist. So richtig fest angekommen bin ich also noch nicht und ich habe auch Angst, dass ich es nicht werde, weil ich gerade noch nicht so richtig sehe, wie ich ein paar Leute kennen lernen soll.
Vielleicht sollte ich mir auch einfach die Zeit geben, heute ist der zweite Tag und außerdem muss ich meine Kurse, die nächste Woche starten vorbereiten. Wenn ich nicht so ein kleines Motivationsproblem hätte.. ich weiß einfach nicht, wo man in der deutschen Kulturgeschichte anfängt. Germanisches Reich? Karl der Große? Christentum? Oh Mann.
Julia