Alles auf Anfang
Mitte Mai verlässt Johannson Lodz für einige Zeit. Zuerst geht es nach Breslau, dann nach Magdeburg. Zwischendrin liegt ein Besuch in Poznan, einer kleinen Stadt an der Grenze.
Poznan
Am 17. Mai verließ ich Lodz ein weiteres Mal für einige Wochen. Zuerst zeigte ich Monika und meiner Familie Breslau. Einige Tage nach ihrer Abreise sollte ich nach Magdeburg, also machte es keinen Sinn, erst nach Lodz zurückzukehren. Daher frischte ich meine Erinnerung an das grenznahe Poznan (Posen) auf, das erste Zentrum des frühen polnischen Staates und heute v.a. Messestadt. Dort war ich auf dem zweiten Ausflug nach Polen, vor fast drei Jahren. Nach den heißen Tagen fuhr ich unter dem bedeckten Himmel einer willkommenen Abkühlung. Die Bummelbahn führte mich durch eine Eichenallee und viele Dörfer und nach dem ersten Regen sah alles sehr frisch und ruhig aus.
Poznan entsprach tatsächlich sehr meiner Erinnerung, nur das die Altstadt größer war als gedacht und ich einen besseren Reiseführer hatte. Wirklich spannend war es wieder nicht, besonders die Dominsel würde ich nicht besonders erwähnen hätte sie nicht ihre Geschichte. Die Jesuitenkirche dagegen war wie beim ersten Mal der pure goldüberzogene Wahnsinn. Dabei hatte ich halb erwartet, die Erinnerung wäre übertrieben. In den hohen Raum klingt Musik aus der Ballettschule nebenan.
Gniezno
Für Poznan war zum Auffrischen nur ein Tag eingeplant, der zweite für Gniezno (Gnesen). Nach gängiger Geschichtsauffassung wurde in der Kathedrale dieses kleinen Ortes 966 AD der polnische Staat gegründet. Das war ein hübscher kleiner Ausflug, keine Hitze, keine Touristen, der Zug rumpelig, der Bahnhof runtergekommen, das Städtchen verschlafen. Viel vergangene Glorie, schöne Fassaden, aber wenig restauriert außerhalb der Hauptstraße zur Kathedrale. Letztere ist auch das einzig wirklich Spannende, aber mehr aus historischer Sicht, denn architektonisch ähnelt sie sehr dem Posener Dom, der mir nicht gefällt. Eine gute Führerin zeigte uns die unterirdischen Ausgrabungen und die berühmten Bronzetüren: eine Szene zeigt den Patron Adalbert beim Studium in Magdeburg und Kaiser Otto III in Gniezno. Orgelbegleitung lockt mich noch in eine halbe Messe mit einem Priester wie Kermit auf Valium. Dann windiger Kirchturm, dann warmes Cafe, dann zielloses Rumspazieren was es sonst noch gibt. Ergebnis: Kleinstadt am Samstag, alle Jugendliche haben den gleichen Haarschnitt und trinken Dosenbier.
Poznan
Zurück in Poznan klappere ich noch letzte nicht geschaffte Punkte ab. Auf dem Weg ins Hostel werde ich wieder alle paar Hauseingänge aufgehalten, laufe mich müde, komme in einer komischen Stimmung zurück, stöbere durch mein Tagebuch, bleibe in Torun hängen, höre bis lange nach Mitternacht die Musik, denke wie ich dazu morgens in der Küche getanzt habe, rede noch spät mit der Rezeptionistin, sie ist auch Ausländerin, Ukrainerin, arbeitet gerade nicht, schläft nur hier, in meinem Saal, zusammen mit einer anderen Rezeptionistin, das macht sie manchmal, wenn es morgens näher zur Uni ist als die eigene Wohnung. Morgen fahre ich einmal mehr zurück und ich habe Angst vor unserer Bürokratie. Eigentlich will ich nur wieder in einer Kneipe sitzen, den Morgen den ganzen Weg selber kommen müssen lassen.