Advent, Advent, ein Lichtlein brennt
Wegen zwei kalter Monate braucht man doch keine Heizung! Darum arrangiert sich Amselle so gut es geht und zaubert sich mit provisorischen Mitteln die ihr vertrauten Adventsrituale.
Der Winter scheint in ganz Europa Einzug zu halten, was soviel heißt, als dass er auch vor Madrid nicht halt macht. Hier ist es eisekalt! Leider scheint aber die Tatsache, dass es für zwei bis drei Monate auch im tiefsten Spanien recht kalt werden kann (besonders, weil Madrid auf einer Hochebene liegt), trotzdem nicht zu bewirken, dass restlos alle Wohnungen hier mit Heizungen ausgestattet werden. Nein! Ist ja nicht nötig... Von wegen! Ich sitze gerade in unserem nicht beheizten Büro in voller Wintermontur und bibbere. Na wenigstens funktionieren beide PCs wieder und meine anfänglich als auf nimmer Wiedersehen im Nirvana der abgestürzten Festplatte verloren gegangen geglaubten Fotos sind auch wieder da. Freude!
Schnee habe ich übrigens schon letzte Woche Samstag bei einem Tagesausflug in die Sierra Madrileña sehen dürfen. Im Zuge der Semana de la Montaña (Woche der Berge), organisiert vom Ayuntamiento (Stadtverwaltung) beziehungsweise dessen Jugendzentrum, sind wir (Charissa, Jitka, Elina, Manuel und ich) kostenlos mit dem Bus in die Berge gebracht worden, um dort zu wandern. Leider war es aber nebelig und auf unserer ursprünglich geplanten Route lag so viel Schnee, dass wir eine andere, tiefer gelegene nehmen mussten. Eingepackt wie "Eskimos" (laut Elina), machten wir uns also auf den Weg. Nebenbei: Elina hat - als Lettin! am wenigsten wintertaugliche Kleidung dabei, einfach weil sie nicht damit gerechnet hat, dass es so kalt werden könnte. :)
Am Tag davor war ich abends auf einem wirklich schönen Kammerkonzert, das ebenfalls vom Ayuntamiento organisiert wurde. Es war sogar kostenlos! Und langsam aber sicher bekomme ich hier echt das Gefühl, dass sich die Stadtverwaltung wesentlich mehr um das Wohl ihrer Bürger und deren Freizeitangebot kümmert, als das in Deutschland der Fall ist. Hier gibt es auch mehr professionelle Jugendzentren als bei uns. Gespielt haben auf der Violine Ara Malikian, aktuell Konzertmeister des Orquesta Sinfónica de Madrid und am Klavier Daniel del Pino, der mit seinen 33 Jahren schon Lehrer am Konservatorium ist. Sie gaben allein Werke spanischer Komponisten wie Sarasate, Falla und einen, den ich schon wieder vergessen habe, zum Besten und das wirklich grandios. Es tat mal wieder gut, ein Konzert zu besuchen, das fehlt mir auch ein wenig. In Deutschland konnte ich Dank meines Nebenjobs im Festspielhaus meiner Heimatstadt ja jede Menge Konzerte hören und sehen.
Mein Freund ist jetzt übrigens auch umgezogen und arbeitet seit zwei Wochen in seinem neuen Projekt, einer Waldorfschule. Dort vertritt er gerade eine der Sekretärinnen und wird sonst wohl "Junge für alles" sein. Es gefällt ihm wesentlich besser, als sein altes Projekt, weil die Leute einfach viel netter und "normaler" sind. Wohnen tut er jetzt in der Nähe der Metrostation Goya, richtig zentral und nur zehn Minuten zu Fuß vom Retiropark entfernt. Das hat in uns den Entschluss reifen lassen, demnächst mal sonntags nach dem Aufstehen joggen zu gehen, sollten wir jemals wieder auf dem Dampfer sein. Momentan schleppe ich hier nämlich eine kleine Erkältung nach der anderen mit mir herum.
Was noch praktisch ist, dass bei ihm um die Ecke eine 9er-WG bestehend aus zwei Deutschen, zwei Italienern, zwei Spaniern, zwei Franzosen und einem Schweizer wohnt. Die meisten sind Erasmusstudenten und haben fast jedes Wochenende irgendetwas zu feiern. So waren wir schon öfter auf der einen oder anderen Multikultiparty. Auch Ninas WG ist ein neuer Treffpunkt geworden, einfach weil sie so zentral liegt.
Ansonsten habe ich das Gefühl, dass die Zeit dahin rast. Da jeder Tag unter der Woche nun so ausgefüllt ist, geht sie demnach auch sehr schnell rum. Jetzt ist sogar schon der erste Advent vorbei! Ich bin bald drei Monate hier! Wahnsinn! Da es hier so gut wie überhaupt keine Adventstraditionen gibt, habe ich letzten Freitag selber einen Adventskranz gebastelt. Die Möchtegern-Tannenzweige dafür habe ich in einem Park mitgehen lassen und die Kerzen konnte ich beim Lidl kaufen. Der rettet hier wirklich die Weihnachtsstimmung! Spekulatius, Christstollen, Dominosteine, Marzipan und so weiter und so fort, was bin ich froh, dass ich die so auch hier bekommen kann.
Die Spanier backen in der Vorweihnachtszeit auch keine Plätzchen. Hier gibt es nur arabisch angehauchte Süßigkeiten wie Polvorones (Gebäck aus Mandelmehl, was einem wie Staub im Mund zerfällt), Mantecados (dasselbe, nur mit anderen Zutaten wie Sesam und so) und Turrón. Turrones können alles sein, von der normalen Schokoladentafel, bis zu Tafeln mit etwas, was türkischem Honig ähnelt, oder aber auch mit Kokosnuss drin, kandierten Früchten, Nougat, Sesampaste und Vielem mehr. Weil ich nicht auf meine Plätzchen verzichten wollte, habe ich letzten Samstag sage und schreibe von 14.00 bis 23.00 Uhr in unserer engen Küche gestanden und zusammen mit meinem Freund gebacken. Jetzt kann ich zwar keine Plätzchen mehr sehen, aber jeden Sonntag zum Advent-Feiern sind sie dann doch wieder willkommen. :)
Wir haben Zimtsterne (leider fehlen die Haselnüsse - da es hier keine Backkultur wie in Deutschland gibt, bekommt man nur sehr schwer besondere Zutaten, zudem sind sie wahnsinnig teuer), Spritzgebäck, Vanillekipferl und Kokosmakronen gemacht. Da wir keine Ausstechförmchen hatten (so etwas kriegt man hier natürlich auch nicht), hat mein Freund kurzerhand ein Sternförmchen selber gebastelt, aus zwei alten Dosendeckeln. Das Ergebnis kann sich auf jeden Fall sehen lassen, finde ich!
Auch auf dem Adventsbasar der deutschen evangelischen Gemeinde hier in Madrid haben Nina, Jessica und ich letzten Freitag vorbei geschaut. Brezeln, Glühwein, Maultaschen und heiße Würstchen - hat´s da geduftet! Die Adventskränze waren zwar horrend teuer, dafür haben wir uns aber einen Glühwein gegönnt und sind außerdem noch auf ihrem Secondhandmarkt fündig geworden. Ich bin richtig zufrieden mit meinem neuen Norwegerpulli und einer Ledertasche!
So, Euch wünsch ich jetzt noch eine schöne Vorweihnachtszeit und geh dann mal wieder nach Hause zum Auftauen.