Aboboi ke Kaa Klo
Es wurde in den letzten Wochen viel probiert, geredet und nachgefragt, von Spekulationen und dem üblichen Gossip ganz zu schweigen. Zeit, mit allen Vorurteilen aufzuräumen und die Sachen beim Namen zu nennen. Widmen wir uns der Basis unseres Seins - dem niemals endenden Hunger... Und wie man ihn in einem völlig anderen Kulturkreis zu stillen weiß!
Gut, ich machs! Aber versteht es nicht als meinen puren lokalen Lebensinhalt, sondern als Legende. Als Legende für euch, damit ihr nicht vor zukünftigen Blogs sitzt und verzweifelt, panisch Google-Archive durchsucht und/oder beim Ghanaer eures Vertrauens alles nachforschen müsst. Ich habe lange überlegt, nächtelang auf meinen Fingernägeln gekaut und bin nun doch entschlossen, mit den errungenen Insider-Infos an die Öffentlichkeit zu treten und eine Welle des Erstaunens loszutreten, in Anbetracht dieser topaktuellen Thematik, die doch kein Individuum kalt lässt.
Ja, es geht ums Essen!!! Welche andere Form von Kultur spielt so eine große Rolle und sichert gleichzeitig noch das Überleben (wohlgemerkt), wie die Ess-Kultur? Nun, ich erwarte keine Antwort, schließlich war das eine rhetorische Frage. Allerdings bin ich bekanntlicherweise kein Meisterfotograf und auch hat mich der europäische Trend, sein Essen zu fotografieren und auf die ominöse Fotoplattform Instagram zu stellen noch nicht erreicht, demtentspechend wird auch dieser Blog nicht mit Bildern einhergehen. Dem selbstständig denkenden und handelnden Leser ist es also selbst überlassen, ob er/sie parallel ein Google-Bilder-Fenster öffnet oder sich doch mit meinen Formulierungen zufrieden gibt und in Fantasien schwelgt, während ihn die abendliche Schmalzstulle dann doch in die Realität zurückholt. Auch möchte ich mich bereits zu Anfang bei den Leuten entschuldigen, die Ga flüssig sprechen und schreiben. Ich verstehe zwar vieles, keinesfalls bin ich aber des Schriftbilds mächtig...es folgt also manchmal: Lautschrift. Aber lassen wir doch das schnacken und kommen wir zum snacken!
Bevor wir tiefer in die Materie einsteigen, muss ich den wichtigsten Bestandteil des lokalen Essens erklären: Pepe! Ja klar, in Deutschland nennen manche ihre Hunde oder auch Kinder so, aber hierzulande meint das ein Gewürz: Pfeffer. Allerdins ist die Rede nicht von klassischem Körner-Pfeffer, sondern von verschiedenen scharfen Pepperoni oder Chilli-Schoten, die in Größe, Form und Farbe variieren und entweder frisch zermahlen oder in pulverisierter, getrockneter Form den Weg ins Essen finden. So oder so, Pepe ist schuld daran, dass ich in diesem Blog noch öfter das Wort "scharf" verwenden werde.
Grundnahrungsmittel gibt es hier viele, bevorzugt wird aber doch deutlich Reis. Meistens begegnet er einem in einer Schüssel in stiller Harmonie mit einer Soße/Stew, manchmal wurde er aber auch in einer Pfanne angebraten und im Falle von Jollofreis, ist er sogar in einem Tomaten-Zwiebel-Knoblauch-Sud gekocht. Interessant ist die Kombinationsgabe vor Ort, denn für alle Lebensmittel gibt es kein striktes Schema und keine direkte Speisevorschrift. Es wird also auch der Reis fleißig kombiniert mit Egg-Stew (dicke, feurig-rote Soße aus Ei, Pepe und Tomate; scharf), mit Stew (dicke, dunkelrote Soße aus Tomate, Pepe und zerstampftem Fleisch; scharf) oder mit Baa Flo (grüne Soße aus Spinat/Okra , Ei, Fisch, Pepe; leicht scharf). Dazu kann man dann wahlweise alles nehmen, was der Laden verkauft. So zumindest mein Eindruck, vielleicht sind meine hungrigen Augen in derartigen Situationen auch zu krass auf Tunnelblick geschaltet.
Durch ganz einfache Substitution (chem. Reaktion, siehe Klasse 9) lässt sich der Reis an der Stelle auch durch Yam ersetzen. Yam ist eine riesige Wurzel, die in Stücke geschnitten gekocht oder frittiert wird, ein bisschen aussieht wie eine weiße Kartoffel und noch viel mehr so schmeckt. Auch könnte man das ganze durch Plantain ersetzen, die Kochbanane. Sie wird eigentlich immer frittiert und findet in verschiedenen Gerichten ihren Glanzmoment, auch wenn sie je nach Schnittgröße anders heißt.
Das beste, was einem bei dem Aufeinandertreffen mit Kochbanane passieren kann, nennt sich Red-Red und ist ein Bohnenbrei, der mit getrockneten Cassawa-Flocken überstreut wird und der sich wunderbar als Frühstück eignet, da die Kochbanane (in dem Fall Tatale genannt) wunderbar ihr süßes Aroma hinzufügt...so weit die Meinung eines unerkannten Gourmets. Auch Kele Wele (kleiner geschnittene Kochbanane mit Erdnüssen) ist ein zu empfehlender Schmaus, auch wenn die Augen dabei jetzt nich immer so mitessen. Letzter Eintrag zum Thema Kochbanane: Aboboi ke Kaa Klo! Wer mir an der Stelle "Gesundheit!" zurufen möchte, dem sei herzlich gedankt, allerdings handelt es sich hierbei nicht um eine schwere Erkältung, sondern um eine korrekte Bezeichnung, für eine süße Kichererbsen-Suppe. Und ja auch dieser wird zerriebene Kochbanane, mit Maismehl gemischt und frittiert (Kaa Klo) hinzugefügt. A Draum!!
Die eigentlichen Nationalgerichte aber sind die Klöße (darf man hier schon sagen: Fast wie in Deutschland? Naja, lassen wir das). Da wäre das wunderbar zarte Fufu, was aus gekochten und zerstampften Kochbananen und Maniok besteht und als "Teig"-Kloß serviert wird. Auch Banku ist ein Teigkloß aus Maniokmehl, der allerdings mit gegorenenem Maismehl gemischt ist. Beides wird serviert in einer großen Schüssel mit Soup (Soßen) und Fisch oder Fleisch. Da wäre Okru-Soup (spinatähnliche grünbraune Soße mit interessanter Konsistenz; leicht scharf) oder auch der Klassiker, die Groundnut-Soup (Erdnuss-Soße; scharf). Dann gibt es auch noch Kenke, ein deutlich stärker sauer schmeckender Kloß (weil mehr vergorenes Maismehl drin), den man mit geräuchertem Fisch verspeist und dabei direkt in frischen Pepe tunkt (SCHARF). Gegessen werden die ganzen Klöße übrigens mit den Kollegen aus einer Schüssel und dabei wird, wem auch immer sei Dank, mit der rechten Hand hantiert. Man macht sich ein Stück vom Kloß ab, rollt es in den Fingern und tunkt es neben dem Kloß in die Soup. Ja und den Rest übernimmt dann der Hunger und das Verdauungssystem. Man nimmt übrigens nur die rechte Pfote, weil die linke als unrein gilt.
Was soll ich sagen, Ghana lässt mich zu einem Kloß- und Fischesser mutieren, aber ich und mein Magen wir haben da nix einzuwenden. Also ich zumindest nicht, und mein Magen....naja... meistens nicht. Um den Fisch kommt man selbstverfreilich nicht herum, wenn man direkt am Ozean wohnt. Aber nachdem man sich daran gewohnt hat, dass einen häufig die leeren Augen noch anschauen und den störenden Fischkopf gezielt entfernt (ein echter Neckbreaker), ja dann steht dem geschmacklichen Frühlingsspaziergang nix im Wege. So...ich merk schon wieder, dass ich Hunger kriege.
Eine interessante Anmerkung noch: Nein, das ist längst nicht alles an Essen, hab ja die ganzen Früchte ausgelassen und auch schon Pizza oder Pommes gegessen, sowie morgendliches Weiß-Brot mit Schoko-Creme. Ok, eigentlich wollte ich was anderes anmerken: Man kauft sein Essen nach Bedarf, nach Preis. Man geht also nicht hin und sagt "3 halbe Hahn", sondern " Banku für 3 Cedi bitte, mit Groundnut-Soup und Fisch für 4 Cedi". So funktioniert dass eigentlich bei allem Streetfood.
So, nachdem uns allen nun das Wasser mehrere Minuten durch die Mundhöhle geflossen ist und mein Arbeitstag endet, spülen wir diese paradiesischen Fantasien doch einfach mal nüchtern herunter. Also fast nüchtern, mit einem Bier halt. Denn daran gibts absolut kein Mangel! Die Biersorten "Club, Guiness, Star und Eagle" findet man eigentlich überall, sie schmecken traumhaft, und das beste am Marktführer "Club": Die Flasche fasst 0,65l. Was soll man sagen, die haben ihr aus dem Grundproblem des Biers gelernt, nämlich dem Problem, dass es immer so schnell alle ist. Da kann man sich doch ne Scheibe abschneiden (wie von der Kochbanane).
Nun reichts aber, mein Magen heult schon und es macht deutlich mehr Spaß Gerichte zu vernaschen, als Sie zu beschreiben. Viel Spaß mit Horror- oder aber Schlaraffenlandfantasien...und bedenkt, das war längst nicht alles! Wenn also in Zukunft im Blog ein unerklärtes Fremdwort auftaucht, seid euch sicher, es ruft aus meinem Magen.
Danke und guten Hunger!
ThomasKojo