5 Wochen
Ich lebe nun seit 5 Wochen in Spanien und habe schon ein Wirr Warr der Gefühle erlebt...
5 Wochen
35 Tage
840 Stunden
50.400 Minuten
3.024.000 Sekunden
So jetzt bin ich tatsächlich schon 5 Wochen in Spanien - wie die Zeit doch verfliegt… Und jetzt habe ich schon ein Wirr Warr der Gefühle erlebt: Vorfreude, Freude, Frustration, Unmut, Ärger, Verzweiflung, Neugier, Trauer, Anspannung, Erleichterung, Schock, Begeisterung, Ungeduld, etc.
Also ich kann nur sagen, dass ich in diesen ersten Wochen schon einiges gelernt habe – nicht nur spanisch… J Als ich angekommen bin, war natürlich alles - und wirklich ALLES - so fremd und neu. Doch es erleichtert die Sache, wenn die Leute um dich rum nett sind - und hier sind alle wirklich sehr nett. Außerdem ist es schön nicht alleine zu starten, sondern sich über seine ersten Erfahrungen mit anderen austauschen zu können. Neben den zwei anderen Freiwilligen, die am selben Tag wie ich angekommen sind, warten hier drei andere auf uns… Zum Start meines EVS waren wir also sechs
Clara und Chloé aus Frankreich
Jordana aus Ungarn
Rokas aus Litauen
Alessa und ich aus Deutschland
Vor einer Woche am 03. November ist dann noch Ozan aus der Türkei gekommen und hat unsere Truppe der Freiwilligen vervollständigt. Alle der Freiwilligen sind sehr nett und unterschiedlichste Typen…. Aber in dieser kurzen Zeit konnte ich auch so einige Klischee bestätigen, aber auch ganz viele verwerfen… Es ist schön, die Zeit gemeinsam zu verbringen und seitdem haben wir auch schon einige Touren gemeinsam unternommen.
Der Anfang wurde mir und den anderen beiden „Ankömmlingen“ sehr versüßt. In der Woche, in der wir ankamen, war auch eine Austauschgruppe aus Litauen da. Mit ihnen durften wir die ersten drei Tage Ausflüge und Touren genießen. So fuhren wir an unserem ersten Tag gemeinsam nach Barcelona und besuchten dort unter anderen die bekannte Sagrada Família, den Park Güell, den Strand und abends waren wir noch beim Font Màgica. Font Màgica ist tagsüber ein eher unspektakulärer Brunnen, der nicht in Betrieb ist, aber abends ist er magisch. Die Font Màgica sind ein Gesamtkunstwerk aus Musik, Wasser, Bewegung und Farbe und sprühen ihre Fontänen im Klang entsprechender Musik. Am zweiten Tag nahmen uns Violant (unsere Mentorin) und die Gruppe mit ins „Paradies“. EHRLICH- wir waren in den Bergen, durch die ein See bzw. ein Fluss fließt. Dieser Fluss ist so klar und azurblau, einfach großartig. Wir liefen an den Felsen entlang und konnten diese schöne Aussicht genießen. Es war wirklich wunderschön, aber das können Bilder besser zeigen, als 1000 Worte. Rokas sagte dazu „Hier würde ich gerne sterben.“ – Meiner Meinung nach ein bisschen melodramatisch, aber nun gut J . Und auch den dritten Tag in Spanien verbrachte ich mit der litauischen Gruppe auf einem Berg – wir fuhren nach Montserrat, ein Berg, der zwischen Barcelona und meiner neuen Heimatstadt Tàrrega liegt. Nach ein „bisschen“ Bergsteigen hatte man von oben eine tolle Aussicht über die Berge und Catalunya. Nach einem gemeinsamen Abschlusspicknick brachten wir die litauische Gruppe zum Flughafen und verabschiedeten uns…
Nach einem „Gammelsonntag“ und einem „Feiertag Montag“ startete dann die erste Arbeitswoche.
AUFREGUNG – NERVÖSITÄT – ANSPANNUNG…
Am ersten Tag zeigte uns Violant (Vio) erst einmal die Einrichtung und stellte uns überall vor. So viele neue Gesichter – so viele Eindrücke. Die restliche Woche sollten wir dann mit den anderen Freiwilligen mitlaufen und die unterschiedliche Arbeit kennen lernen. Die Associació Alba ist eine große und vielseitige Einrichtung. Es hat sechs Säulen
CDIAP: ine Einrichtung einer Art Kindergarten für 0 bis 6 Jahre alte Kinder
Esola Alba: die Schule für behinderte Kinder und Jugendlichen (3-21 Jahre)
Residenzen: Wohnungen/ Wohnheime für behinderte Menschen
Comedor 1: Werkstätten für behinderte Erwachsene, die eine intensive Betreuung benötigen Comedor 2: Arbeitsplatz für beeinträchtige Erwachsene, die teilweise begleitet werden müssen
Mental: Hilfe für psychisch- erkrankte Menschen
Freizeit: diverse Organisation und Durchführung von (Sport-)Aktivitäten & Freizeitangeboten
Die ersten zwei Arbeitswochen waren eigentlich sehr entspannt - es gab zunächst wenig zu tun. Im Gegensatz zu zuhause wo ich drei Jobs hatte und ganz „nebenbei“ studiert habe, war es hier ruhig - für mich zu ruhig… In der Arbeit machte sich in den ersten Tagen Frustration und Ärger in mir selber breit, weil es schwieriger war als gedacht. Vor allem die Sprachprobleme unterschätze ich am Anfang. Die Arbeit war mir mehr oder weniger bekannt, aber wie frustrierend es ist sich nicht vernünftig auszudrücken oder die Menschen und Kinder zu verstehen. Und dann noch das Problem mit spanisch und katalan - ich wusste zwar vorher, dass sie katalan sprechen, aber dachte es wäre ein Akzent wie deutsch und bayrisch… Weit gefehlt - sie unterscheiden sich doch mehr als zuvor gedacht und nun heißt es spanisch UND katalan lernen…. Und dabei bin ich so ein Sprachgenie – NICHT :D Zudem bekam ich zu Beginn noch eine Schwierigkeit – ich verglich alles mit deutschen Verhältnissen… Wenn man das macht, ist man zunächst schockiert und verblüfft, denn Deutschland ist schon ein wirklich weit entwickeltes Land mit so vielen Technologien, Möglichkeiten und Chancen. Vor allem in der Schule war ich über einige „Zustände“ echt schockiert, besonders weil ich selber einige Schulen mit dem Schwerpunkt geistig und körperliche Behinderung kenne. Die Schule glich für mich in den ersten Tagen eher wie ein großes umgebautes Haus – auf dem Schulhof sucht man vergeblich nach Grünflächen oder angemessen Spielzeug für alle. Lediglich eine kleine Rutsche, ein selbstgebastelter Sandkasten und eine Schaukel für Kleinkinder stehen auf dem Gelände. Und auch die Klassenräume sind sehr klein und zudem vollgestopft mit Material – mittendrin circa 8 Kinder. Außer der Mensa und einer wirklich, wirklich kleinen „Turnhalle“ sucht man vergeblich nach anderen Räumen. Na gut vielleicht bin ich auch einfach verwöhnt und habe mit den kirchlichen Trägern Luxus pur gesehen - aber schon in den ersten Tagen kommt mir der Gedanke hoch: Wie viel wir haben: Snoezelraum, Bällchenbad, verschiedene ausgestatte Therapieräume, Schwimmbad, usw. Und auch nach einer Weile fällt mir auf, wie technisch wir schon so gut ausgerüstet sind – diverse Varianten von Talkern, Computern - „Unterstützte Kommunikation“ soweit das Auge reicht - die besten Techniken… Hier hat ein Junge im Rollstuhl ein Buch mit den verschieden Symbolen, welches ihm hilft sich zu verständigen. Bei den anderen, die sich nicht richtig verständigen können, habe ich nichts in der Art gesehen… Aber Akzeptanz ist der erste Schritt - ich könnte aktuell sowie nichts tun, da ich ihnen nicht wirklich mitteilen kann, was ich sagen möchte und alles mit Deutschland zu vergleichen hat ja auch keine Sinn. Ich bin ja schließlich in ein anderes Land gegangen um sehen, wie sie arbeiten und leben. Seitdem ich gelernt habe das zu akzeptieren und mich einfach „fallen“ zu lassen geht es mir sehr viel besser. Und ich verstehe nach und nach mehr - nicht nur die Sprache, sondern auch warum es einige Dinge einfach nicht gibt. Zum Beispiel wurde mir in einem Gespräch bewusst, dass Grünflächen sich hier in Catalunya nur schwer halten lassen, weil es kaum regnet und hauptsächlich sehr heiß ist. Deshalb ist zum Beispiel auch der Rasen des Fußballplatzes von Tàrrega künstlich. Zudem täuscht manchmal der erste Eindruck, denn nach und nach sehe ich solche Möglichkeiten und Aktivitäten, die wir auch in Deutschland anbieten – nur hier in Tàrrega fahren oder laufen überall hin. Beispielsweiße gibt es ganz in der Nähe ein großes Schwimmbad, das sowohl die Kinder der Schule, als auch die Erwachsenen der Werkstätten regelmäßig die Woche besuchen. Und auch ein Snoezelraum gibt es in Taller (Werkstätten) – nur versteckt… Somit wäre also bewiesen: Urteile nicht zu schnell, sondern lass dich auf die Sachen ein und reflektiere später lieber… ;)
Aber auch das spanische klappt immer besser. Ich kann die Menschen nun mehr oder weniger verstehen und deute an Hand von wenigen Wörtern was sie von mir möchten. Sie sprechen langsam, mit viel Gestik und Mimik, aber die Konversation klappt und das ist das Wichtigste. Wie sagte meine Mama doch so schön in einem Skype-Gespräch: „Gibt dem Ganzen doch seine Zeit, das kann doch nicht alles sofort klappen. Hab Geduld.“ Wie weise Mütter doch nun mal sind. Ich fange an sogar mich mit den wenigen Brocken Spanisch zu verständigen und die Kids sind so süß… Einige verstehen zwar nur katalan, aber ist eine Beziehung einmal aufgebaut, kann man sich auch ohne viele Wörter verständigen und nur anhand Gestik und Mimik etwas aussagen. Und erstaunlicherweise schlage ich mich so ganz gut durch das Schulleben. Und jeden Tag lerne ich etwas neues - von den Kindern und von meinen Arbeitskollegen. So lerne ich z.B. aktuell jeden Tag, was das Essen, was wir an dem Tag bekommen, auf spanisch und katalan heißt. Oder Dinge mit denen ich arbeite oder mit den Kindern spiele… Dennoch bleibt natürlich das tägliche Üben am Schreibtisch nicht aus, aber das Lernen kenne ich ja noch aus den noch gut bekannten Studienzeiten – ist ja auch nicht lang her… Und so kann ich jetzt nach fünf Wochen sagen, dass ich bei der Arbeit wirklich angekommen bin und mich jeden Tag auf meine Arbeit freue. Sie ist jetzt sehr abwechslungsreich und sowohl in der Schule als auch in der Werkstatt wird man warmherzig begrüßt und nicht als „Freiwillige“ ausgenutzt, sondern hier sehr geschätzt… Wie ich ja schon letzten Eintrag geschrieben habe, ist das Team und Arbeitskollegen mit das Wichtigste an dem Erfolg einer Arbeitsstelle… Und mein Glück aus dem letzten Jahr lässt sich hier Gott sei Dank weiterführen…
Und auch das Leben hier in Tàrrega bekommt nun endlich eine Regelmäßigkeit - nein das ist kein Alltagstrott, aber man fühlt sich nicht fremd… Ich sage jetzt ohne zu zögern und ohne Anführungszeichen
Ich bin zu Hause. oder Ich gehe jetzt nach Hause.
Man lebt sich ein und fängt an sich etwas aufzubauen, was man in Deutschland als selbstverständlich genommen hat. Freunde, Freizeitaktivitäten, Ausflüge und Unternehmungen am Wochenende, usw. Die Verbindung mit den anderen Freiwilligen wird immer enger und es bilden sich Freundschaften. Wir kochen zusammen, sitzen im Wohnzimmer, quatschen oder unternehmen einiges. Neben mehreren Besuchen in Barcelona waren wir auch schon in Lleida. Außerdem gehe ich nun mit Clara und Alessa regelmäßig zweimal die Woche zum Zumba, wo wir dann auch andere Arbeitskollegen aus der Schule oder den Werkstätten treffen. Und andere Aktivitäten sind bereits in Planung. Außerdem möchten wir an den Wochenenden unsere Freunde aus dem On Arrival Training besuchen, die verteilt in Catalunya in schönen kleinen und großen Städten leben.
Was ist das On Arrival Training? Das On Arrival Training findet in den ersten Wochen des EVS statt. In einer größeren Stadt treffen sich dann verschiedene EVS’ler aus den unterschiedlichen Organisationen und sprechen über ihre Zeit und den Europäischen Freiwilligendienst allgemein. Ich verbrachte zum Beispiel mein On Arrival Training in den wunderschönen Stadt Girona, die sehr nördlich von Catalunya liegt. Ich traf hier auf die verschiedensten Länder: Italien, Portugal, Frankreich, Österreich, Ungarn, Rumänien, Finnland, Island, Armenien, Kroatien und Russland. Alle machen ein EVS in den unterschiedlichen Gegenenden von Catalunya und sind circa im Oktober angefangen, wobei sie aber unterschiedlich in ihren Organisationen verbleiben. Die Woche war super spannend und sehr lustig. Die Seminare am Tag waren interessant und die Abende mit der Truppe waren stets amüsant. Die gesamte Gruppe harmonierte sehr und verstand sich gut. Zudem wurde uns unser Aufenthalt noch versüßt, weil genau in dieser Woche eins der größten Festivals von Girona stattfand. So waren während der ganzen Woche in der gesamten Stadt in unterschiedlichen Orten Bühnen aufgebaut und bis tief in die Nacht wurde Musik gespielt - jeden Tag unterschiedlich. Von DJ’s die House, Elektro und Pop spielten zu Bands mit diversen Stilen, wie z.B. Rock, Jazz, Blues, „Volksmusik“, usw.. Damit war für jeden was dabei. Die Woche war wirklich schön und hätte ruhig noch länger gehen können. Aber das schönste ist, dass man sich gegenseitig besuchen kann und so neben neuen Freunden auch diverse Städte/ Orte von Catalunya sieht… ;)
Alles in allem hat sich also mein Leben hier Tàrrega bzw. in Catalunya eingespielt… Ich bin zufrieden mit meiner Entscheidung Deutschland hinter mich gelassen zu haben und bin bereit mich in das bereits eingetauchte Abenteuer zu stürzen. Ich bereue diesen Schritt nicht, auch wenn ich manchmal ein bisschen wehmütig an zu Hause denke, weil es dort manchmal einfacher war. Besonders schwer fiel es mir an dem Tag, an dem meine kleine Nichte Mathilda in Deutschland zu Welt kam und ich nicht dabei sein konnte. Das sind die Momente, in denen ich gerne zu Hause bei meiner Familie wäre – wenn jemand doch endlich das beamen erfinden könnte. Aber auch wenn es immer noch die eine oder andere Hürde im spanischen Leben gibt - ich weiß jetzt dass ich sie gelassen nehmen sollte und mich gedulden sollte, auch wenn mir das schwer fällt. Aber ich bin ja hier um zu lernen, vielleicht lerne ich ja auch Geduld mit mir selber zu haben…
So nun ruft mein Spanischbuch nach mir… Packen wir die Hürde „Sprache“ an….
Adiós oder Adéu