3. Bericht aus Litauen
Andrea berichtet aus Litauen: von ihrer Arbeit, die sehr spannend und abwechslungsreich ist. Von der Sprache, die ihr immer noch Schwierigkeiten macht. Und vor allem von den interessanten Menschen, die sie kennen gelernt hat.
Hallo meine Lieben!
Ich sitze gerade gemütlich auf meinem Bett und tippe diese Rundmail an euch - ja, die ganz Schlauen werden es schon daran gemerkt haben, dass ich wieder "ü" schreiben kann: mein Laptop ist da! Unversehrt und treu angekommen und ich habe mich schon verliebt…
Aber der Reihe nach.
Zuerst zu meiner Arbeit, weil einige nachgefragt haben. Ich gehe jeden Tag gemütlich um zehn ins Büro, und schaue dann, was zu tun ist. Bisher waren das immer nur kleine Aufgaben wie Abwaschen, Müll rausbringen, Geld abheben, E-Mails der Organisation checken, aber vor allem Rasa über die Schulter schauen und lernen, was ich dann später selber machen muss. (Monatsabrechnung der Faktura z.B.)
In Zukunft werden meine Aufgaben sein: einmal die Woche Deutschunterricht geben, einmal alle zwei Wochen einen Bastelnachmittag zusammen mit Katha im Waisenhaus organisieren, den Videoabend einmal die Woche in der Organisation vorbereiten, und am alkohol-präventiv Projekt teilnehmen (jede Woche eine Schule die nächsten zwei Monate). Nächstes Jahr kann sich das dann alles in eine andere Richtung entwickeln, je nach dem, wie ich möchte. Z.B. kann ich nächsten Sommer meinen eigenen internationalen Jugendaustausch organisieren! Also Thema erarbeiten, bei der litauischen Nationalagentur bewerben, wenn Bewilligung da ist, Essen und Unterkunft suchen, Teilnehmer anwerben, Leute finden, die mit mir zusammen die Woche leiten... Macht mir zwar ordentlich Respekt, aber ich denke es wird eine gute und wichtige Erfahrung…
Ich für mich selber habe mir auch vorgenommen in der Zooschule hier, die ich hoffentlich nächste Woche besuchen kann, mitzuhelfen. Von Kaninchen bis Schlangen haben die da alles… außerdem würde ich gerne das Waisenhausprojekt weiter ausdehnen, z.B. meinen Deutschunterricht dahin verlegen, oder einfach nur zum Reden hingehen, denn die Kinder brauchen vor allem Menschen, die einfach nur Zeit für sie haben…
Tcha, für all das werde ich natürlich gut litauisch sprechen müssen, weshalb ich mich auch ordentlich anstrenge, aber es ist schon demotivierend. Die Sprache ist wirklich vergleichbar mit Latein, man muss immer (Adjektiv, Substantiv, Verb) die Endungen beachten und kann aus diesen (wenn man sie denn raushört) auch die Zeit und Person ableiten. Irre schwierig - stellt euch einfach vor, wie es ist, Latein zu sprechen…
Naja. Die letzten vier Tage war ich auf dem Arrival-Seminar. Da habe ich 20 von den rund 60 Freiwilligen aus allen Herrenländern kennen gelernt, die nun dieses Jahr in Litauen sind. 7 Deutsche, 3 Franzosen, ein Spanier, ein Mexikaner, eine Italienerin, 2 Finninnen, ein Portugiese, eine Ungarin, einer aus Montenegro und eine Ukrainerin. Unsere Projekte sind extrem unterschiedlich, von Arbeit mit Behinderten über Arbeit mit Emigranten, oder in einer Radiostation oder im Nationalpark war alles dabei. Ich fand viele Projekte gut, aber ich habe nie das Gefühl gehabt eines sei besser als mein eigenes, denn meins hat den großen Vorteil, dass es nicht so speziell ist. Ich kann überall mal reinschnuppern und alles in die Richtung schieben, wie ich gerne will.
Ansonsten war das Seminar nicht so spannend, da es sowohl von der Methodik, als auch einigen Inhalten sehr stark dem Einführungsseminar in Deutschland und dem Seminar in Lettland glich. Aber toll war, dass wir in einem Sportcenter untergebracht waren, so dass wir von Sauna über Schwimmbad, Bowling und Billard alles dabei hatten. Das war endlich wieder Action und Bewegung… auch die Nachtwanderung mit Schatzsuche war toll, vor allem wenn sich ein Haufen leidenschaftlich aufbrausender Jungs mit Null Ahnung um die Richtung streiten ;). Da haben die Kiddies in den RKWs aber mehr Gespür gehabt!
Naja. Auf dem Rückweg von Ignalina (trotz Atomkraftwerk sehr schön!) wurden Katha ihre zwei Handys geklaut. Großer Mist und ein Wink mit dem Zaunpfahl für mich, in Zukunft noch besser aufzupassen… Wir räumen grad viel in der in der Wohnung rum, Wahnsinn, was uns die vorhergehenden sieben Jahrgänge an Freiwilligen so dagelassen haben… und ein großer Spaß für die Stöbersüchtige Andrea. ;)
Rasa hat ihr Baby bekommen! Aber sonst weiß ich leider noch nichts vom kleinen Benediktas, dem dritten Racker im Hause Viseockiene. Ich freu mich riesig ihn kennen zu lernen, wird ja wahrscheinlich mein Pflegekind werden…
Morgen gehe ich mit zu Kathas Kindergarten. Wollte sowieso mal schauen, wie es auf dem Dorfe Bernatoni so aussieht, aber vor allem, weil die Kinder morgen einen Ausflug in den Zoo machen, da schlägt mein tierliebes Herz doch gleich höher…
Nach der Arbeit geht immer viel Zeit für Alltagszeugs drauf - einkaufen, kochen, waschen, putzen, aber auch viel Zeit zum Lesen, über Studium informieren, reden und nachdenken. Ich fühle mich wohl in dieser neuen Situation und habe auch das Gefühl, dass sie mir gut tut. Leider habe ich noch viel zu wenig Anschluss an litauische Jugendliche, ich hoffe, dass ich hier bald so eine Art Jugendclub finden kann, ein Fußballclub würde meiner Figur auch ganz gut tun *g*.
Aber eine Freundin von Maurizio - der liebe Italiener, der uns leider schon verlassen hat - hat mich schon eingeladen mit ihr Reiten zu gehen, da freu ich mich schon riesig drauf - die Landschaft ist wie geschaffen dazu: auf dem Weg nach Ignalina haben wir einen wunderschönen Sonnenaufgang genossen, die Felder waren Nebelverhüllt und es war ein ganz warmes Licht, überall standen einsame Bauernhäuser mitten in der Landschaft, von ein paar Obstbäumen umgeben und meistens noch eine einzelne Kuh daneben angepflockt, so richtig verträumt und romantisch. Die Landschaft ist weit und hügelig, aber sehr. sehr flach - die größte Erhebung in Litauen ist 273 Meter… viel Wald, der sich langsam bunt färbt…
Ja man könnte sagen ich hab mich verliebt!
Auch die Menschen - alle versuchen dir zu helfen so gut sie können, meistens strahlen sie dich an, auch wenn sie dich nicht verstehen oder du sie nicht, da es gibt nur ganz wenige Ausnahmen.
Unsere Sprachlehrerin hat uns letzten Montag zu einer Art Volksfest mitgenommen - die Einheit Litauen-Lettland wird gefeiert indem man auf jedem "Berg" ein Feuer anmacht, dass dann über die Grenze hinweg sichtbar sein soll, imaginäre Verbundenheit also. Am Feuer wurde dann eine Schale Bier (schmeckt hier wunderbar mild, klasse Mädchenbier!) und ein Brot herumgegeben und jeder nahm einen Schluck und einen Biss und hat seinem Nachbarn etwas Gutes gewünscht. Dann wurde noch gesungen und getanzt und man hat sich einfach nur wunderbar aufgenommen gefühlt.
Ein junger Mann aus Kaunas hat uns dann auch gleich total herzlich zu sich und seiner Frau eingeladen, wir könnten doch bei ihnen übernachten und er würde uns die Stadt zeigen… einfach herrlich, wie offen die Menschen hier sind. Sie scheinen alle sehr stolz auf ihr Land und wollen, dass du so viel wie möglich mitnimmst. Ihr merkt schon, mir geht es gut. Ich hoffe, dass ich jetzt in der kalten Jahreszeit mich überwinden kann und mir "mein Land" näher anschaue, denke aber, dass Katha mich auf trab halten wird. ;)
An dieser Stelle noch mal ganz herzlichen Dank für alle Postkarten, E-Mails, SMS und vor allem Danke, David und Eltern für die Pakete! Im Anhang Bilder, wie ich mich gefreut hab über mein Westpaket! Wie Weihnachten, ehrlich! Was Warmes zum Anziehen, Marzipan, ein lieber Gruß und Fotos, einfach nur wunderschön.
Dann fühlt euch alle erstmal ganz lieb gedrückt und an euch gedacht von eurer Andrea.
PS: mein Deutsch wird schon langsam komisch, nicht?
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