#1. Es hat mich so berührt
Die Geschichte eines wahr gewordenen Traums. Diesen Text habe ich eigentlich Anfang Oktober (12. Oktober), wie schon häufiger, in einem Zug geschrieben. In *dem* Zug. Weil ich in dem Zug war, der mich im Oktober nach 11 Monaten endlich wieder nach Stockholm gebracht hat. Von meinen Träumen schreibe ich immer dann, wenn ich endlich wieder in Bewegung bin. An diesem Sonntag voller Schnee bin ich sehr froh, meinen ersten Blogeintrag veröffentlichen zu können. Danke Emma und Jonas für den Schneemann ♡
I don’t like it.
Ich glaube, das ist der Satz unter allen Sätzen, die ich bisher in Schweden gehört habe, der mich am meisten berührt hat. Es hat mich nachdenklich gemacht und ist noch frisch in meinem Gedächtnis Wochen nach dem ersten Mal, dass ich diesen Satz gehört habe. Die Stimme kann ich noch hören und es berührt mich bis zu einem Punkt, den ich kaum mit Worten erklären kann. Gesagt wurde der Satz von einer Stimme, die so überzeugt, so wahr und ehrlich klang, dass es genau die Stimme von Gitarrensaiten zu sein schien, wenn man sich vorstellen kann, dass Gitarrensaiten eine Stimme haben.
I don’t like it.
Meine Gefühle nach dem Gitarrenunterricht sind immer so kräftig, ich muss sie unbedingt schriftlich festhalten. Sie rennen weg. Diese Gefühle. Es ist schwierig, sich an diese unglaublich kräftige und wertvolle Gefühle zu erinnern, wenn manchmal während der Nacht die Angst, es nicht zu schaffen, alles zu machen, was man so sehr möchte, zu Besuch kommt. Von diesen so kräftigen und wertvollen Gefühlen möchte ich heute erzählen, weil ich sie niemals vergessen möchte. Sie sind die Emotionen, die Hoffnung geben, und wofür wir alle leben.
Zeit, von Anfang an anzufangen. Wie Lewis Carroll in seinem Buch Alice im Wunderland schrieb:
Der weiße Hase setzte seine Brille auf und fragte: "Majestät, wo soll ich anfangen?"
"Beginne von Anfang an", sagte der König feierlich "und geh weiter bis zum Ende, dann hör auf."
Ich heiße Erica, komme aus Treviso, Italien, und morgen ist es ein Monat her seit dem Tag, als ich von Italien abgefahren bin, um Åmål, in Schweden, zu erreichen. In Åmål arbeite ich zur Zeit mit Emma, die auch eine Freiwillige ist und aus Deutschland kommt, im Young Innovation HUB, wo das Arbeitsumfeld so angenehm ist, dass ich mich noch daran gewöhnen muss. Das Young Innovation HUB in Åmål ist ein Treffpunkt für junge Leute zwischen 16 und 30 Jahren, wo Kreativität und Entwicklung im Mittelpunkt stehen. Alle möglichen Ideen und Ausdrücke sind willkommen und Emma und ich arbeiten für die Umsetzung dieser Ideen und unterstützen die Jugendlichen dabei. Wir wohnen zu dritt in einer Wohnung mit Jonas, der wie wir freiwillig in Åmål arbeitet und aus Deutschland kommt.
Seit einem Monat bin ich Teil der Initiative European Solidarity Corps und jeden Tag fühle ich mich dankbarer. So dankbar und froh bin ich für diese Chance, in Åmål zu leben und zu arbeiten, dass ich zum Schluss gekommen bin, dass diese die größte Gelegenheit sei, die mir bisher gegeben wurde. Während meiner Unizeit habe ich nie darüber nachgedacht, mir ein Fahrrad zu kaufen und jahrelang bin ich nicht Fahrrad gefahren, weil ich immer sehr viel Verantwortung übernommen habe und einfach nicht mehr davon wollte. Hier in Åmål haben Emma, Jonas und ich ein Fahrrad für jeden von uns, und es war wirklich wunderbar, als wir uns für eine Fahrradtour in der Umgebung Åmåls entschieden haben.
Eine der größten Chancen, die mir in diesem Projekt gegeben wurden, ist die, in meiner Freizeit Gitarrenunterricht zu haben. Diese Möglichkeit habe ich nie in meinem Leben gehabt und es war jahrelang sehr schwierig für mich, mir die Zeit zu nehmen, um diesen Traum von mir zu verwirklichen: endlich spielen lernen. Meine Gitarre, die 7 Jahre in Treviso geblieben war und die ich im Flixbus von Italien Richtung Schweden mitgenommen habe, wieder nach 9 Jahren spielen zu können, lässt wirklich einen Traum für mich wahr werden. Es bedeutet so viel, dass ich meine Gefühle kaum ausdrücken kann. Jedes Mal, wenn ich nach dem Unterricht nach Hause Fahrrad fahre, habe ich eine riesige Freude in meinem Herzen. Wie unglaublich ist es – denke ich immer – dass ich bis nach Schweden fahren musste, um endlich diese Gelegenheit in meinem Leben zu bekommen. Mein Gitarrenlehrer erzählt mir jedes Mal historische Fakten von Schweden und gibt mir Einblicke in die Besonderheiten der Leben von Musikern. Gestern habe ich gelernt, dass Vivaldi in seinem Leben vielen Frauen geholfen hat, als sie sich dafür entschieden, ein Instrument zu spielen. Ich habe es nicht in Italien gelernt, sondern in Schweden, von einem schwedischen Gitarrenlehrer, der mit mir auf Englisch, Spanisch und Schwedisch spricht. Ich schätze die Möglichkeit, während des Gitarrenunterrichts über eine Vielfalt von Themen zu reden, wirklich sehr. Vor 2 Wochen haben mein Gitarrenlehrer und ich auch über Diskriminierung und Rassismus geredet.
I don’t like it.
- sagte mein Gitarrnelehrer und ich werde diesen Satz von ihm und seine Stimme nie vergessen.
We are all the same and one shouldn’t be discriminated for the colour of one’s skin. We are all human beings.
Dieser Satz und die Stimme, mit der er gesagt wurde, haben mich so berührt, because I really don’t like racism either. Es ist eine sehr lange Zeit her, dass ich so einen Satz von einer Person gehört habe, die nicht Mitte zwanzig ist, und das hat mich so berührt, weil es mich an etwas sehr Wichtiges erinnert hat: Dass ich jeden Tag mehr davon überzeugt bin, dass eine der wertvollsten Erfahrungen, die wir im Leben sammeln können, der Austausch von Meinungen und Perspektiven mit Menschen ist, die unterschiedliche Hintergründe haben als wir.
We don’t like racism.