Zwei Küsschen für jeden
Begrüßungsrituale und der Welt-Hallo-Tag
Als mein französische Projektpartnerin und ich im Juni in Lissabon in der Wohnung eines portugiesischen Paars übernachteten, hielt uns der junge Mann zur Begrüßung die Hand hin, als wir ihn gerade - ganz wie wir es gewohnt waren - mit zwei Küsschen auf beiden Wangen begrüßen wollten. „Keine Sorge“, wies ihn daraufhin seine Freundin hin, die wir schon zuvor kennen gelernt hatten. „Die beiden geben Küsschen.“ Anscheinend hatten sie vor kurzem eine Chinesin bei sich aufgenommen, die auf eben diese Begrüßung so schockiert reagiert hatte, dass der junge Mann nun vorsichtshalber nur noch die Hand gab.
Wer ins Ausland geht, der lernt eine neue Kultur kennen – und manchmal beginnt eine Kultur schon bei der Begrüßung: In Spanien ist es dabei ganz normal, jedem zur Begrüßung zwei Küsschen auf die Wangen zu geben, erst links dann rechts. Ist das nicht zu aufwendig? Ich habe es nie so empfunden: Kamen wir Montagmorgen ins Büro, mussten wir dies nicht mit allen machen, dann war es nur nötig, wenn wir beispielsweise aus den Ferien wiederkamen. Und zu intim? Bis heute empfinde ich eine Umarmung als intimer als die beiden Küsschen.
Meine Projektpartnerin erzählte mir aber gleich auch, dass sie es aus Frankreich anders gewohnt war: Bei ihren zuvorigen Praktikumsplätzen war es üblich, bei Meetings wirklich jeden mit gleich vier Küsschen, jeweils zwei auf jede Wange, zu begrüßen – und das wird natürlich schon zeitaufwendig. Ich hingegen war eher an Händedruck oder viel zu oft auch gar nichts gewohnt.
In der Soziologie wird dabei manchmal von sogenannten „Grußgemeinschaften“ gesprochen. Ein gemeinsamer Gruß zeigt an, dass zwei Menschen aus derselben Gruppe stammen und somit gemeinsame Regeln haben und diese auch befolgen. In einer Welt, in der wir Multikulturalität mehr und mehr zu schätzen wissen, entsteht so natürlich auch Unsicherheit: Wie sollen wir uns denn nun begrüßen, wenn wir aber eigentlich mit unterschiedlichen Grüßen aufgewachsen sind oder aus Ländern stammen, die sich auf unterschiedliche Arten und Weisen begrüßen?
Übrigens wissen viele, wie viel die Begrüßung zu gelungener Kommunikation und damit zu Frieden beitragen kann: Um letzteres zu fördern, gibt es inzwischen jeden Tag am 21. November den Welt-Hallo-Tag. Brian und Michael McCormack gründeten ihn 1973, um daran zu erinnern, wie wichtig Kommunikation eben für die Konfliktlösung ist – egal ob Kommunikation mit dem Händedruck, einem Handkuss, dem angedeuteten Wangenkuss, gar Salutieren, eine Umarmung oder etwas ganz anderes.
Ich habe in meinen neun Monaten übrigens die angedeuteten Wangenküsse wirklich zu schätzen gelernt: So ist schnell fest gelegt, wie man sich zu begrüßen hat, und man übergeht geschickt dieses unangenehme Gefühl, das jeder in Deutschland schon einmal gefühlt, wenn der Gesprächspartner einem nicht so nahe steht, dass er eine Umarmung bekommen sollte, das Gespräch aber auch nicht so formell ist, dass ein Händedruck her sollte. Außerdem ist es doch wirklich eine nette Geste!
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