Zur Fika in der Villa Kunterbunt
Was ist "fikan"? - Etwas, was jeder Schwede mindestens einmal am Tag tut. Dies und noch mehr Geheimnisse aus Schweden lüftet gianna.
Madita ist schuld. Madita und all die anderen lindgrenschen Figuren, die sich da zwischen grasgrünen Wiesen und nordisch blauem Himmel tummeln und mir dieses Land so schmackhaft gemacht haben, dass ich bereits mit neun Jahren verkündete: „Da muss ich hin! Sofort!“.
Aus dem sofort wurde nicht wirklich was, da mein Vorhaben mit den Reiseplänen meiner Eltern kollidierte, die es seit jeher in den warmen Süden zog und die ich weder mit Elchen noch roten Holzhäusern locken konnte. Na schön, dann wartete ich eben. Und zwar ganze 10 Jahre, bis ich nach dem Abi endlich meine Koffer packen konnte und als Europäische Freiwillige für 10 Monate in das Land meiner Träume zog.
In Göteborg arbeitete ich als Volontär in einer Kirchengemeinde, half bei den verschiedenen Gruppen mit und lernte die schwedische Lebensweise „in echt“ kennen. Leider Gottes hatte die graue Vorstadt, in der ich gelandet war, recht wenig mit Bullerby gemein, statt idyllischer Holzhäuser zierten triste Häuserblocks meine Nachbarschaft und in der Zeitung konnte ich lesen, wer sich mal wieder auf unserem Marktplatz geprügelt hatte.
Doch damit konnte ich ziemlich gut leben, schließlich wohnte ich in einer Großstadt und das brachte auch eine Menge Vorteile mit sich. Ganz besonders die offene Einstellung, die die Göteborger Fremden gegenüber an den Tag legen. Ich hatte natürlich von den Vorurteilen über die zurückhaltenden Schweden gehört, die dich alle zwei Wochen mit den liebsten Worten zu sich nach Hause einladen und am Ende wird doch nie was daraus. Das passierte mir kein einziges Mal, stattdessen freute ich mich schon nach gerade Mal zwei Wochen über meine erste Geburtstagseinladung zu unserem Organisten.
Dort war die Stimmung spitze, der Schwiegervater gab mit einer Miniaturkanone drei Freudenschüsse ab und ich war gespannt aufs schwedische Essen. Doch auf dem Buffet war nicht die Flossenspitze eines Lachses zu finden und statt Knäckebrot wurde italienisches Focaccia zum Vitelo Tonnato gereicht- die Einflüsse des Mittelmeerraums auf die europäische Esskultur haben den langen Weg in den Norden offenbar ohne Mühen zurückgelegt.
Doch nicht nur essenstechnisch spürte ich einen südländischen Einfluss: So ist Göteborg nicht etwa die Stadt der Saunas, sonder die der Straßencafes. Kaum zeigten sich im Februar die ersten dünnen Sonnenstrahlen, verlegten die Schweden ihre Cafe Pause in Schal und Winterstiefel gepackt ins Freie, in vielen Cafes gehören Wolldecken auf den Stühlen zur Standardeinrichtung.
Dieses Freiluft-Streben ist verständlich, hat man erst mal einen kalten schwedischen Winter erlebt, der sich endlos hinzuziehen scheint und viel Dunkelheit und Schnee mit sich bringt. Zwar macht man sich die Zeit mit Bräuchen wie dem Lucia-Fest und ganz, ganz, ganz vielen Kerzen so gemütlich wie möglich, aber trotzdem hat man spätestens im Januar die Schnauze voll vom vielen Drinnen Fikan.
Fikan (=Kaffee trinken + etwas Leckeres dazu essen) tut jeder Schwede mindestens einmal am Tag, bei der Arbeit, zu Hause oder eben in einem der zahlreichen Cafes. Der Kaffee, der in diesem Land übrigens literweise weggetrunken wird, funktioniert dabei übrigens als sozialer Schmierstoff und fördert außerdem die Kreativität: Die besten Geschäftsideen entstehen angeblich gerade bei der Fika-Pause, zu der man übrigens am liebsten Kanelbullar ist, kleine feine Zimtschnecken mit Kardamon.
Übrigens ist es mir zum Schluss doch noch gelungen, auf Astrid Lindgrens Spuren zu wandeln: Und zwar im Cafe Villa Villekulla (so heißt die Villa Kunterbunt auf schwedisch), wo es wirklich wie bei Pippi zu Hause aussieht, mit massenhaft Krimskrams in allen Ecken und Winkeln, eingemachtem Obst auf dem Fensterbank, getrockneten Rosenblättern in den Regalen, bunt gestreiften Henkeltassen im Schrank, einem emailenen Teepott, der von der Decke hängt und dem weltbesten Kuchenbuffet, das man sich zur Fika vorstellen kann. Heisa Hoppsa!
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