Zaragoza, por fin
Endlich werde ich aufgeklärt über die Essgewohnheiten der Spanier, endlich, endlich lernen wir unseren Mentor Quique kennen und endlich, endlich, endlich fahren wir mit José Luis nach Zaragoza.
Maria Jesús ist echt super. In gemütlicher Wohlfühl-Atmosphäre erzählen wir unsere Neuigkeiten, mir kommt es kaum wie Hausaufgaben vorstellen vor. Dann lesen wir uns gegenseitig aus „El País“ vor, was auch eine super Übung ist, da wir ja ständig andere Leute reden hören und den Inhalt einigermaßen verstehen müssen. Und auf meine Frage hin, räumt sie endlich mit den Mythen in meinem Kopf über die Essgewohnheiten der Spanier auf. Ich dachte, die südlichen Länder, wie ja auch die Spanier, essen mittags wenig, weil es so heiß ist, und abends wird dann warm gekocht und groß aufgetischt. Drum essen Laetitia und ich mittags auch immer nur ein Käsesandwich und essen abends mehr. Aber da ist gar nichts dran: mittags ist auch in Spanien die Hauptmahlzeit, nur halt etwas später als bei uns. Abends gibt’s dagegen nur Salat, Fisch oder ein Bocadillo. Jetzt weiß ich auch, warum bei unserem Ausflug nach Huesca mittags die Restaurants voll saßen. Na klar, die haben halt ganz normal Mittag gegessen. Ob sich jetzt auch die Essgewohnheiten von Laetitia und mir ändern, weiß ich nicht, weil das mit dem Mittagssandwich war immer ganz praktisch und schnell. Für groß kochen, abspülen und einen Mittagsschlaf ist die dreistündige Pause dann doch etwas zu kurz.
Zurück im Telecentro lernen wir den wieder gesundeten Quique kennen. Ich kenne bisher nur seine Stimme, mit ihm habe ich auf Englisch gesprochen, als sich meine Ankunft mit dem Bus verspätet hatte. Er erklärt uns, um was er sich kümmert, und was es mit dem Youthpass auf sich hat. Hört sich gut an.
Nachmittags sind wir noch mit unserer Nachricht beschäftigt und schielen immer mit einem Auge auf die Uhr, weil gestern hat José Luis gesagt: „Morgen fahren wir nach Zaragoza. Am besten früh, so gegen 5.“ Es wird 5, es wird 6, es wird auch dreiviertel 7, bis José Luis seinen Computer herunterfährt und fragt, ob wir so weit seien. Ui, jetzt geht’s los. Wir Mädels grinsen uns an. Zaragoza, por fin- endlich. Schon ganz oft fiel der Satz: Nächste Woche fahren wir nach Zaragoza und wurde genauso oft nicht erfüllt. Mir kommt es ein bisschen wie das versprochene Paradies vor und ich denke, Man muss das da toll sein, wenn wir so lange hingehalten werden.
Erst mal steht jedoch eine lange Autofahrt vor uns, die José Luis über schlecht geteerte Landstraßen und karge Landstriche abzukürzen weiß. Nichtsdestotrotz dauert es eine dreiviertel Stunde bis wir da sind. Ich staune nicht schlecht, als wir zweispurig in die Stadt reinfahren. Halt, Großstadt. Ich hab mit einer vielleicht 50.000-Einwohner-Stadt gerechnet, aber vor uns tut sich eine der größten Städte Spaniens nach Madrid und Barcelona auf. Fast eine Million Einwohner! Stimmt, am Verkehr könnte man‘s merken: wir kommen kaum voran, stehen dauernd an einer roten Ampel. Auf abenteuerlichen Wegen fährt José Luis in das Parkhaus eines Einkaufszentrums. Während er einen Friseur sucht, dürfen wir uns verweilen und finden doch im Decathlon (so eine Art Intersport) gleich ein paar Sachen, die uns für den Pilates-Kurs noch gefehlt haben. José Luis hatte leider kein Glück: es gibt im ganzen Einkaufszentrum keinen einzigen Friseur. Er ist wohl etwas frustriert, er redet schon länger von einem Friseurtermin, wobei ich mich frage, was er da an seinem kurzen Haupthaar überhaupt abschneiden will?!
In der Bar La Antille treffen wir Quique, der hier in Zaragoza wohnt. Dort suchen wir uns von der Karte eines der zahlreichen Bocadillos aus. Es ist total knifflig, zu erkennen, wo Fleisch drin ist und wo nicht, denn hinter den Wörtern, die ich nicht kenne, kann sich ja sonst was verstecken. Drum nehme ich eher klassisch eins mit Tomate, Käse und Olivenpaste. Beim Reinbeißen sieht es ein bisschen aus wie die Deutschlandflagge, schwarz wie Olive, rot wie Tomate und gelb wie Käse. Aber es ist derart köstlich und reichhaltig. Man wird satt und es ist kein Vergleich zu unseren lahmen Käsetoasts. Wir erfahren, dass Anfang Oktober das Fest der Pilar ist und weil die Stadtpatronin ist, gibt’s eine Woche lang Fiesta. Einen Tag müssen wir auf jeden Fall auch hingehen, raten uns die Männer.
Weiter geht’s in die nächste Bar. Eine mit einer eindrucksvollen Bandbreite an hartem Alkohol. Zuerst trinken wir einen corto, einen klitzekleinen Kaffee mit Milchschaum und Zucker. Und danach muss ich einen Gin Tonic probieren. Quique unterhält sich mit dem Barkeeper, während dieser in einer interessanten Prozedur den Gin Tonic zubereitet. Schmeckt auch super, ich kann gut nachvollziehen, warum das hier gerne getrunken wird. Wieder einmal versuche, zu erklären aus welchen Bestandteilen der Hugo, das Trendgetränk in Deutschland, besteht und scheitere kläglich am Holunderblütensirup. Quique und José Luis können sich überhaupt nicht vorstellen, wer das trinken soll und ziehen sogar den Barkeeper zu Rate, der fachmännisch davon abrät, das kann nicht schmecken. Ich beschließe meine Mama zu bitten, im nächsten Päckchen ein Fläschchen Holunderblütensirup mitzuschicken, dann misch ich den Männern mal einen Hugo und dann sehen wir ja, ob das schmeckt! Das Gespräch ist sonst etwas stockend, das ist ein bisschen unangenehm, weil mir irgendwie nichts einfällt, was ich fragen oder erzählen könnte. Quique meint sogar, wir wären die stillsten Freiwilligen bisher. So was: mittags habe ich Laetitia noch lang und breit erklärt, dass ich hier nicht zurückhaltend sein will, aus mir herausgehen will. Und dann lachen beide, als José Luis erzählt, wie die Türkin in sein Auto gekotzt hat, weil sie zu viel getrunken hatte. Laetitia trinkt hier natürlich auch nichts, nur eine Cola. Von den beiden Männern wird sie immer wieder gefragt, ob sie denn noch nie ein Bier getrunken habe, oder was sie denn sonst in Martinique trinkt und ob es dort keinen Alkohol gibt. Doch gibt es zuhauf: Rum. Wäre jetzt nicht Donnerstagabend würde man noch in eine oder zwei andere Bars gehen. Aber wir müssen morgen alle arbeiten. Auf der Rückfahrt zeigt uns José Luis verschiedene Radiosender (außer las cuarenta) und wir fachsimpeln über seine Millenniums-CD. Um 1 falle ich dann nach diesem ereignisreichen Tag müde ins Bett.