Yemek – Von Essen und Traditionen
Essen ist Leben, eine Aussage der jeder Türke und jede Türkin zustimmen würden. Ein kleiner Ausflug in die Türkische Küche und ihrer sozialen Dimension
Wahrscheinlich ahnt es bereits jeder, aber ich muss es nochmal bestätigen: Die türkische Küche ist eine der reichhaltigsten, leckersten und vielfältigsten die ich je erleben durfte! Und dabei umfasst sie viel mehr als Döner und Köfte, was wir in Deutschland kennen – Jede Region, jede Himmelsrichtung hat ihre eigenen Gerichte und Spezialitäten. Deswegen ist Essen in der Türkei auch etwas unglaubliches Emotionales, die Gerichte bestehen nicht nur aus bloßen Zutaten, sondern aus Heimatgefühl.
Der Westen, die Ägäis-Region und das Mittelmeer zeichnet sich durch seine mediterrane Küche aus, durch Olivenöl und Fisch. Je weiter südlicher man geht, desto mehr mischt sich das Essen mit arabischen Einflüssen, Gewürze und Schärfe kommt ins Spiel. Gaziantep, meine Stadt beispielsweise, gilt allgemeinhin als eines der Extreme der türkischen Esskultur: Traditionelle Gerichte hier sind entweder unglaublich scharf oder unfassbar süß. Eine der bekanntesten türkischen Süßigkeiten, Baklava findet hier auch seinen Ursprung: Ein Blätterteiggebäck, mit gemahlenen Pistazien und Walnüssen gefüllt, mit Zuckerwasser und Rosenextrakt getränkt. Mehr als eine Portion sollte man nicht davon bestellen, und am besten genießt man diese kleine Sünde mit bitterem schwarzen Tee und viel Wasser. Adana, unsere Nachbarstadt, ist für ihren Kebab berühmt, insgesamt ist die Türkische Küche sehr Fleisch-lastig. Aber nach dem Erfahrungsbericht meiner Freundin, die mich bereits schon einmal besuchen kam, kommt man auch als Vegetarier*in gut durch: Es gibt genügend Gemüsegerichte, und auch wenn der erste Blick immer irritiert ist, versuchen die meisten Leute einem zu helfen und vegetarische Optionen zusammenzustellen.
Der Osten dann wiederum hat eine weniger bunte Küche, in vielen Gegenden ist es eher karg und bergig, so wird dort weniger Obst und Gemüse angebaut und viel Vieh-Wirtschaft betrieben. In den Städten findet man häufig sehr leckere und frische Produkte. Honig aus den umliegenden Dörfern, türkische Eiscreme aus Ziegenmilch, fester Jogurt und die verschiedensten Sorten an Käse! Je mehr man an die Grenze kommt, desto interessanter wird auch das Warenangebot: Wie mir ein Freund in Van, einer Grenzstadt zum Iran, erklärt, stammen die meisten Lebensmittel auf dem Markt aus dem Iran: Alles Schmuggelware. Im Iran wird die Lebensmittelproduktion dermaßen subventioniert, dass es sich sogar lohnt, Mehl und Zucker über die nahe Grenze zu schmuggeln. Den Tee, den ich zusammen mit meinem Freund Halil trinke, wurde direkt aus dem Himalaya geschmuggelt, verrät er mir. Ähnliche Geschichten habe ich auch über die großen Tabak-Säcke gehört, die man auf jedem türkischen Bazar findet: Dieser starke, grobe Tabak soll aus Syrien stammen und unterstützt wahrscheinlich irgendwelche Rebellengruppen..
Der Norden der Türkei, das Schwarze Meer, ist ein Tee-Paradies: An den Hängen der leicht hügeligen Landschaft sieht man die niedrigen Teebüsche, an denen im Sommer der Tee gezupft wird. Die Stadt Trabzon feiert ihre lokale Spezialität Hamsi, kleine geröstete Fische. Und zurück in den Westen nach Istanbul findet man eine Bandbreite der türkischen Gerichte, wie auch die Stadt selber ein Schmelztiegel aller Kulturen der Türkei ist. Besonders zeichnen sich auch die Esskulturen von Minderheiten aus, beispielsweise der Armenier: Als eine der ältesten Christen in der Region keltern sie hervorragende Weine, und als eine kurdische Spezialität gilt der süße Börek oder Merengic-Kaffee.
Essen ist eine Familienangelegenheit und eine Herzenssache: Ständig werden aufwendige Gerichte zubereitet und Freunde und Nachbarn dazu eingeladen, stundenlang wird gespeist und danach noch geraucht und Tee getrunken. Essen bedeutet hier mehr als Nahrungsaufnahme, es ist Leben.
Ein paar tolle türkische Rezepte: https://sallys-blog.de/themen/sallys-welt/turkische-kuche.html
Interessanter Artikel über türkisches Essen in der Migrationsgeschichte : https://heimatkunde.boell.de/2013/11/18/die-türkische-gastronomie-der-bundesrepublik-eine-migrations-und-konsumgeschichte