Wochenende bei Wölfen
Ein Wochenende mit Pfadfindern in den ursprünglichen Wäldern Estlands unterwegs zu sein, birgt nicht für jeden eine tolle Zeit. Doch für svenschka war es eine geniale Erfahrung, selbst in die Tiefen des Waldes vorzudringen und anschließend eine Oscarverleihung mit viel Glanz und Glamour zu erleben.
So, am Wochenende war ich ja jetzt erst einmal mit den Pfadfindern unterwegs. Man, war das genial!
Mir wurde gesagt, wir fahren in eine Burg, in der Nähe von Paide. Alles Quatsch - es war eine Villa, ziemlich weit weg von Paide Mitten im Wald, Nahe Türi. Ich hatte vorher den leisen Wunsch geäußert, doch hoffentlich ein wenig Natur zu Gesicht bekommen, denn in Tallinn hat man nicht einmal einen großen Park. Alles in allem ist Tallinn zwar sehr grün, gerade in Kristiine, wo ich wohne. Aber trotzdem: mal eine Runde durch den Wald stapfen, das vermiss ich ja schon. Dass ich aber sooooo überwältigend viel Natur haben werde, damit hätte ich nicht gerechnet!
Das lag wirklich mitten im tiefsten Wald. Wir sind fast 30 Minuten mit 80 km/h durch den Wald gefahren, um dort hinzukommen. Dieses Haus ist nicht nur wunderschön (von außen jetzt nicht so, aber von innen...), sondern auch riesig groß. Noch dazu ist dort eine Ruhe, die unheimlich entspannend und gut tuend wirkt. Ich war mit Oksana schon am Freitag angereist, und wir kamen erst gegen 21.00 Uhr an, da war es natürlich schon sehr dunkel. Am Freitag sind wir nur angekommen, weil wir angefangen hatten, alles für Samstag vorzubereiten. Und außerdem waren wir einen Tag früher da, um ein Meeting zu haben.
Die Vorsitzenden waren aus halb Estland angereist, um sich zu besprechen. Für mich war das natürlich enorm langweilig oder wäre es geworden, aber ich bin einfach mit zur Sauna spaziert, habe mich mit Gin (estnischer Alkopop) und Bier, MP3-Player und Buch in die Ecke gesetzt und hatte meinen Spaß, bis sie dann endlich (nach etwa einer Stunde – also so lange war es auch nicht...) saunieren gegangen sind. Ich habe jedoch verzichtet.
Irgendwann sind wir dann im Bett gelandet (ich habe ewig nicht so gut geschlafen...) und als ich morgens wach wurde, hatten die schon wieder ihr Meeting. Ich bin dann in Ruhe duschen und frühstücken gegangen und habe mich dann mit einer Tasse Tee auf den Weg gemacht, die nähere Umgebung zu inspizieren, da ich ja im Dunkeln angekommen war.
Svenschka allein im Wald
Die Teetasse war bald eiskalt, weil ich so weit in den Wald hineingelaufen bin, auf der Suche nach der Metsakirik, der Waldkirche (provisorisch zusammengenageltes Kreuz mitten im Wald, mit mehr oder weniger provisorischen Sitzreihen und Altar im Freien...) Dann bin ich mir aber der freundlichen Warnung der Pfadfinder wieder bewusst geworden, dass der Wald noch so ursprünglich und natürlich ist, dass man sich schnell verläuft und nicht mehr hinausfindet. So bin ich dann wieder ganz schnell auf einen Weg zurückgelaufen. Und dann weiter in den Wald hinein, aber auf einem breiten Pfad geht man ja nicht so schnell verloren.
Irgendwann nach zwei Stunden habe ich dann ein schlechtes Gewissen bekommen, weil ich dachte, die anderen suchten mich schon. Dem war aber gar nicht so. Die hatten nicht einmal bemerkt, dass ich weg bin, weil sie immer noch ihr Meeting hatten. Kurz danach haben sie dann aber auch wieder Schluss gemacht.
Dass es in den Wäldern auch Wölfe gibt, wurde mir im übrigen erst am Sonntagnachmittag mitgeteilt.
Ankunft der Kinderstars
Gegen Mittag kamen dann die ersten Kids und wir hatten jedem Star eine Suite hergerichtet, die er sich natürlich mit anderen Prominenten teilen musste. Wir hatten auch eine Rezeption eingerichtet, wo jeder einchecken musste. Jeder der Stars musste auch einen Vertrag unterschreiben, in dem ungefähr dies stand:
"Ich, ... , stimme den Konditionen dieses Vertrages zu. Ich erkläre mich bereit, meinen Schmutz selber zu entfernen, meinen Betreuern nicht auf den Sack zu gehen und mein Essen nicht selbst im Wald zu erlegen. Ich erkläre mich außerdem bereit, jedes mal, wenn ich ein betreuendes Crew-Mitglied sehe, zu bellen, und außerdem jedem Crew-Mitglied aufs Wort zu gehorchen. Ich erkläre mich bereit, Kritik nicht laut zu äußern, sondern auf einen Zettel zu schreiben, den ich dann in den nächsten Mülleimer werfe." Was natürlich zur Folge hatte, dass sämtliche Kids zur Unterhaltung der Crew (Oksana, Paula, Ragne, Maria und ich) Röllchen machen mussten, oder mal eine halbe Stunde den Arm nicht benutzen durften
Allzu bald fingen die Kids dann an, ihre Filme einzustudieren. Zuvor hatte ich ja schon Oscars gebastelt für:
Best Actress Best Actor Best Dressed (f) Best Dressed (m) Best Szenario Best Music Best Action Movie Best Romantic Movie Best Comedy Movie Bester Nebendarsteller Beste Nebendarstellerin
Die Waldbrüder
Während die Kids ihre Rollen einstudierten, hat mich Ingrid, eine der Vorsitzenden, wieder in den Wald entführt. Diesmal waren wir recht weit querfeldein gelaufen, um zu einem Bunker der Waldbrüder zu kommen. Die Waldbrüder waren estnische Männer, die im 2. Weltkrieg davor geflüchtet sind, von den Sowjets in die Armee eingezogen zu werden. Da die Wälder quasi noch endlos lang sind, haben viele erfolgreich im Wald gelebt und wurden jahrelang nicht gefunden. Und haben so den Krieg überlebt. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, in welcher Todesangst sie tagtäglich gelebt haben müssen...
Der Bunker der Waldbrüder ist sehr interessant gemacht und gut versteckt, der Eingang ist sehr klein und schmal. Von außen sieht das Ganze total unspektakulär aus, man sieht gar nicht, was sich innen befindet. Man läuft drüber hinweg, ohne zu bemerken, dass es ein Bunker sein könnte. Genial gemacht. Wenn man hineingeht, sind innen Pritschen, auf denen die Männer geschlafen haben. Manche waren allein im Wald, manche zusammen mit anderen... Jahrelang!
Oscar-Nacht
Dann war gegen 18.00 Uhr Vorstellung der einzelnen Filme und ich muss sagen, obwohl ich nichts verstanden habe (oder kaum etwas), war es absolut genial... Die Kids haben sich soooo viel einfallen lassen und ich habe so viel gelacht wie ewig nicht mehr. Es war echt total klasse, bei jedem der "Filme" war irgendwas immer ganz besonders...
Danach mussten wir, also die Jury, sich zur Beratung zurückziehen und dann haben wir uns alle umgezogen, hatten ein "Gala-Dinner" in wahnsinnig exklusiven Klamotten (Wow, wirklich! Pompöser als mein Abiball!) und dann kam es zur Verleihung der Oscars.
Danach wurde getanzt, gefeiert und Spiele gespielt, bis mitten in die Nacht... So müde bin ich selten ins Bett gefallen.
Am Sonntag, als ich aufgestanden bin, waren viele schon wieder abgereist, Paula, Ragne und Maria allerdings fuhren erst gegen 16.00 Uhr nachmittags. Bis dahin haben wir unsere Zeit Bier trinkend und spaßend verbracht und hatten eine gute Zeit...
Ich war erst gegen 19.00 Uhr in Tallinn, bei Oksana. Anschließend bin ich dann, schwer beladen (Oksana hat mir ein 3 kg(!) Paket Cornflakes, 3 Liter Milch und 1 kg Brot mitgegeben, weil das noch übrig war) von Oksana zum Bahnhof gelaufen. Da kam dann gerade ein Zug an, aus dem hunderte von Studenten strömten, die anscheinend das Wochenende über zu Hause waren, und natürlich alle mit meinem Trolleybus fahren wollten!
So habe ich mich dann – mit dem riesigen Gepäck, das ich hatte – in den Bus gequetscht. Schlimm war nur, dass ich mich nicht festhalten und nicht aussteigen konnte. Dementsprechend musste ich eine Haltestelle weiterfahren, weshalb ich auch prompt meinen Anschlussbus verpasst habe. Deshalb musste ich dann vom Kristiinekeskus nach Hause laufen.
Ich war sooooo böse, als mich drei Mädels aus meinem Wohnheim überholt haben und mir Blicke á la "Wieso gehst du so langsam? Mach mal schneller!" zugeworfen haben! Alles war so schwer und der nächste Bus wäre erst 20 Minuten später gekommen - aber mir war so kalt, dass ich da nicht einfach stehen bleiben wollte...