Wischgorod - mit Rock und Schal!
Außerhalb der Hauptstadt ist auch was los - und dafür muss man gar nicht so weit fahren!
Was macht Anja an einem Samstagmorgen - richtig, sie steht am Bahnhof. Möchte nach Zhytomir fahren, steht erst in der falschen Halle, dann eine halbe Stunde am Schalter, dann ohne Karte da. Toll. Der nächste Zug fährt 18 Uhr ab. Soviel zu Zhytomir.
Aber nicht verzagen - schließlich wurden nicht umsonst 30 Griwna in ein Buch investiert, welches sich nennt: 500 Sachen, die man in der Ukraine gesehen haben muss. Na dann.
Das Buch in der Metro aufgeschlagen stoße ich schnell auf einen kleinen Ort, der sich Wischgorod nennt und nur 20 km entfernt von Kiew liegt.
Warum in die Ferne schweifen, das Gute liegt so nah ... oder so ähnlich. An einer bestimmten Metrostation soll eine bestimmte Marshrutka (ein kleiner Bus) abfahren. Klassiker. Metrostation finden - kein Problem, den Bus finden dann doch eher. Wieder mal endlos durch die Gegend laufen, Leute fragen, verlaufen, doch an einer anderen Metrostation rauskommen...
Eine Flyerverteilerin erlöst mich von meinem Elend und sagt mir, wie ich zum Bus komme, 5 Griwna, Bus, ich bin erst mal selig.
Im Bus zu sein bedeutet aber noch lange nicht auch zu wissen, wo man aussteigen muss. Das ist nicht so einfach, es sagt einem keiner Bescheid. Irgendwann kommen Anzeigen mit "Bischgorod - eine traditionsreiche Stadt" und ich weiß nicht, ob ich jetzt schon raus muss oder noch nicht.
Intuitiv richtig steige ich erst im Stadtzentrum aus. Ja. Mensch. Wischgorod. Toll hier. Einen Ortsplan oder Hinweisschilde sucht man vergebens, aber da hatte ich mir vorher keinerlei Illusionen gemacht.
Zum Glück habe ich ja mein Buch, welches ich Leuten unter die Nase halte. Hier. Guck mal. Da will ich hin.
Wischgorod ist tatsächlich eine alte Stadt, dort war zur Zeit der Kiewer Rus richtig was los. Heute eher weniger. Aber es gibt eine tolle Kirche, die Kirche Borisa i Gleba, die, wenn man sie gefunden hat, richtig toll ist. Wer, wie ich, die ganze Geschichte mit Boris und Gleb nur in der Uni theoretisch mal hatte, wird hier vieles wieder entdecken. Portraits von Boris, Gleb, Jarolsaw, Swjatopolk und allen anderen Helden sind hier vereint.
Ich bin alleine in der Kirche, wenn man die beiden Babuschkas ausnimmt, die hinter der Theke warten. Nach wenigen Sekunden halten sie mich auf. Dewuschka, Mensch, sie reden auf mich ein. Jubka! Jubka! Hä, was? Ich mache klar, dass ich eine Ausländerin bin und sofort hellen sich die Mienen auf. Ach so, ja woher denn? Ein bisschen schwatzen und ich begreife, dass ich einen Rock tragen soll. Öh, sorry. Hab ich gerade nicht dabei. Also muss die Oma selbst ran, bevor ich protestieren kann, bindet sie mir eine Schürze um. Nach einem weiteren Schwätzchen kann ich mir erst mal die Bilder ansehen. Kaputze des Kaputzenpullis reichte in der Kirche auch nicht, es musste der Schal sein. Okay. Alles klar. Aber JETZT kann ich mir die Bilder ansehen, ja?
Was geht noch in Wischgorod? Ein Museum ist geschlossen, ein anderes nicht. Dort sitzen 4 Omas, eine bestürmt mich gleich, erzählt mir die Geschichte der alten Kirche, die vor der Boris und Gleb Kirche an dem Ort stand. Und überhaupt, schau mal, wie die früher gebügelt haben. Und guck mal hier, ein Ofen. Und da, ein Kürbis. Ja, Mensch, sie lässt mich gar nicht los, zeigt mir auch noch Ton, aus dem die Krüge gemacht wurden. Wie sieht denn euer Ton so aus, will sie von mir wissen. Fast hätte ich gesagt, er ist grün und leuchtet in der Nacht, versichere ihr jedoch, dass der Ton in Deutschland auch braun ist. Da ist sie beruhigt.
Wer einen Tag Zeit hat und mal ein bisschen Spaß haben will - Wischgorod wartet! =)