Wirtschaft auf Griechisch 2/3
Zweiter Teil eines dreiteiligen Artikels über die krisenhafte Entwicklung in Europa.
Nach dem ich schon viele Informationen von Maria bekommen hatte, wollte ich für den zweiten Teil dieser kleinen Serien sicher gehen, dass diese Impressionen Marias nicht nur subjektiv sind. Wenn man ein bisschen recherchiert, stellt sich aber dann doch sehr schnell heraus, dass dieses nicht der Fall ist.
Auf der Webseite der „Hufftington Post“ hat Andreas Souvaliotis unter dem Titel „Why I left Greece“ ein persönlichen Blick auf die Situation in Griechenland veröffentlicht. Darin versucht der Autor den Gründen der Krise auf den Grund zu gehen. Für ihn liegen diese Ursachen nicht alleine in der Ökonomie begründet, sondern sind vielmehr eine Mixtur, u.a. auch aus kulturellen Gründen: „You had no chance of success if you didn't know how to cheat and how to look after yourself first. There was no sense of common good - in fact, the "what if everyone else did this" line hardly made any sense to most of my compatriots.“ Der Autor berichtet von einer Ego-Gesellschaft, die vorbei an jeglicher staatlicher Aufsicht ihre Geschäfte betreibt.
Maria bestätigte mir diesen Eindruck in einer E-Mail ebenfalls, „In Greece, we are proud that we haven't king and queen but for the last 30 year are the same families being in the government. Corruption of course, in health services, insurance, government, asking for more and more taxes without reason. New rules and laws are appeasing all the time from nowhere. Really difficult to open a new business and be legal and survive. “
Im ersten Teil dieser dreiteiligen Serie habe ich groß die Auswirkungen der Krise im Euroraum beschrieben. Doch welche ökonomischen Prozesse stecken eigentlich dahinter?
Was Maria beschreibt, ist ein Teufelskreislauf, der jedem Ökonomen Kopfzerbrechen breitet und an dem sich exemplarisch auch die beiden großen Denkrichtungen der Nationalökonomie zeigen. Steigende Steuern belasten Maria und ihre Familie, gleichzeitig sinken die Löhne bzw. die Leute verlieren sogar ihre Arbeitsstelle. Wenn die Steuern steigen, können die Leute weniger konsumieren, das heißt, die Unternehmen können nicht alle ihre Produkte absetzen, müssen vielleicht mit dem Preis runter gehen oder Angestellte entlassen. Arbeitslose können aber noch weniger konsumieren, das heißt, der Konsum geht noch weiter zurück. John Maynard Keynes, einer der großen Ökonomen des letzten Jahrhunderts, hat dazu zwei wichtige Anmerkungen gemacht. Zum Einen sei die Zukunftserwartungen für den Konsum entscheidend, und zum Anderen sei es Aufgabe des Staates in einer Rezession (wie jetzt beispielhaft in Griechenland) die Wirtschaft zu stützen und durch Konjunkturpakete für eine positive Zukunftserwartungen zu sorgen, und damit in der Folge dann den Konsum zu stimulieren. Die Theorie sah vor, diese zusätzlichen Ausgaben über Kredite zu finanzieren („deficit spending“) und in Boomzeiten zurückzuzahlen. Ein Problem Griechenland ist aber, dass sie keinen Zugang zu günstigen Krediten bekommen, weil die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls zu groß ist und deshalb die Regierung keine staatlichen Investitionsprogramme finanzieren kann.
Ein großer Teil der Ökonomen befürchtet darüber hinaus, dass staatliche Investitionsprogramme die Krise nur weiter verschleppen, die Ursachen für die krisenhafte Entwicklung in den PIIGS-Staaten seien nämlich tieferer Natur, damit ist die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik gemeint, der vor allem liberale und konservative Denker und Politiker anhängen. Hier ist nicht der Einbruch der Nachfrage (durch sinkende Löhne und Gehälter und steigende Steuern), sondern die schlechte Bedingung für das Angebot (also die Unternehmen) für die Krise verantwortlich.
Zunächst einmal ist der Euro in der derzeitigen Krise – kurzzeitig gesehen - eine Fessel für Griechenland, da nicht mehr die Möglichkeit besteht, die Währung exportfreundlich abzuwerten. Auf der anderen Seite bestehen die Verbindlichkeiten in einer anderen (Fremd-) Währung fort, insofern wäre das nur ein kurzzeitiger Effekt. Allerdings hätte Griechenland nie der Eurozone beitreten dürfen – es hat Statistiken über die Maastricht-Kriterien gefälscht, also jene, die die ökonomischen Rahmenbedingungen für jedes Land der Eurozone definieren. Korruption und Vetternwirtschaft lähmen das Land. Jeder vierte Grieche ist nach Auskunft des Auswärtigen Amtes Beamter, damit erreicht das Land einen traurigen Spitzenwert in Europa. Mitte September wurde der achttägige Sonderurlaub für Beamte abgeschafft, die täglich mit dem Computer arbeiten. Ebenso wie bei der öffentlichen Verschuldung: Mit 175 Prozent des BIPs ist auch dieser Wert einsame Spitze. Nur zwölf Prozent des BIPs erwirtschaftet Griechenland in der Industrie, der Tourismus trägt mit rund 15 Prozent des BIPs bei. Im Jahr 2011 betrug die Differenz zwischen Im- und Exporten rund 22 Mrd. Euro – und an dieser Stelle kommt Deutschland ins Spiel. Die Heimat von „Made in Germany“ ist exportorientiert, viele in Deutschland produzierten Güter werden nach Europa exportiert. Deutschland profitiert also in gewisser Weise von der (industriellen) Schwäche Europas – insofern hilft sich Deutschland auch selber mit einem Engagement in Griechenland und kann nur hoffen, dass motivierte Leute wie Maria schnell wieder in Lohn und Brot sind: Bleibt Griechenland nämlich in der Rezension stecken, kann es auch nicht seine Verbindlichkeiten begleichen. Folglich bliebe Deutschland dann auf seine Kosten sitzen – und hätte zukünftig einen Kunden weniger. Es ist also auch im nationalen Interesse Deutschlands, wenn Maria wieder eine Arbeitsstelle findet – idealerweise sogar in Griechenland. Auswandern ist eine Option, so, wie mir Maria berichtete: „My father watches the news everyday, because after over 40 years working, he is in the group of the older people, they are very close to retirement, and they suppose to get fired soon in Greece. He recently asked for an early retirement, because he could not stand that risk. He paid ahead the ten months of work and he is waiting his retirement money to be released. Nobody knows after how many months without any payment that will happen. He has a daughter who is studying and an eleven years old son that they need his support. My aunt was recently fired too. She is 37, very active, impossible to find a job. Most of my friends are staying in their families houses and are hoping for a summer job. Of my electrical engineers friends only one has a proper job and he works twelf hours per day, doing actually everything in a transport vessel company. For young people in Greece, there two ways for surviving On the one hand stay home and work in the land or on the other hand leave the country.“ Sollten viele gut ausgebildete Griechen Maria folgen und einen Arbeitsplatz im Ausland suchen und folglich auswandern dürfte sich die Lage verschärfen – eine erfolgreiche Wirtschaft braucht Fachkräfte – doch der EU-Spitzenwert von 60 Prozent Arbeitslosigkeit spricht leider eine andere Sprache.
Im dritten und letzten Teil wollen wir uns den europäischen Konsequenzen widmen: Welche Auswirkungen hat die Krise in Europa für junge Menschen in Europa?